Okay, Interstate Blues ist eine Combo, die es schon ziemlich lange gibt und seit ihrer Gründung im Jahr 1995 auch eine nicht unwesentliche Zahl an Alben auf den Markt gebracht hat. Los ging es 1996 mit "Let It Go", gefolgt von "Interstate Blues" (1997). Am Beginn des neuen Milleniums stand "Southern Lips" in den Regalen. Nach weiteren Veröffentlichungen kam 2007 Redemption auf den Markt und 2010 war es dann Red Was The Sky. "Two Thousand Miles Away" markierte der "Dragon Lady"-Vorgänger.
"Frayed" legt schon einmal prächtig los. Riffiger Hard Rock aus einem oberen Regalbrett. Nicht spektakulär, nicht neu, aber gut anzuhören. Es fällt auf, dass das Schlagzeug zwar anwesend ist, aber sein Drumming hätte durchaus hörbarer sein können. Dieses gilt auch für den Tieftöner. Jamie Purpora ist hingegen omnipräsent. Das Solo von relativ hoher Geschwindigkeit kann sich hören lassen.
Für "The Winters Wind" legt das Trio einige Kilogewichte mehr in die Waagschale. Mit einer etwas kürzeren Spielzeit als der Opener fliegt die zweite Nummer sozusagen mit Lichtgeschwindigkeit am Hörer vorbei. Was hängen bleibt, ist das ruhigere Intermezzo mittendrin. Es dient dem Gitarristen als heftige Spielwiese.
Ah, jetzt stehen ganze sieben Minuten auf dem Tacho der Zeit. Man zieht die Blues-Karte als Grundierung für den Titeltrack "Dragon Lady". Man wird an dieser Stelle das Gefühl nicht los, als ginge es nur um Jamie Purpora, seine Gitarre und seinen Gesang. Vom Arrangement glänzen die ersten drei Tracks nicht gerade durch Abwechslung. Thema-Gitarrensolo-Thema. Bei der gerade genannten Spielzeit natürlich noch ein zweiter Alleingang und fertig. So richtig zieht der Sechssaiter den Schinken nicht vom Tisch.
Wenn "Shadow Play", im Original von Rory Gallagher, zur Hälfte rum ist, hat man die "Dragon Lady" schon wieder vergessen. Oh Mann, nur den Hard Rock-Dampfhammer in Betrieb zu haben, ist jetzt doch etwas zu viel.
Spätestens nach dem "Loco El Gato"-Solo-Gitarren-Gefrickel von Jamie Purpora braucht man eine Pause, um seinen eigenen Tinnitus wieder wahrnehmen zu können. Als musikalischer Muscheltaucher ist der Hörer bei diesem Album ziemlich erfolglos. Die Perlen befinden sich in anderen Gefilden.
"Born This Way" ist ein brettharter Boogie, der ganz gut ankommt, aber … hier passt das E-Gitarrensolo nicht so ganz in den Zusammenhang. Es ist mehr isoliert, denn Partner der Nummer. Dem allgemeinen Song-Strickmuster bleibt sich Interstate Blues treu.
Ansatzweise darf "Her Darkest Ways" als Ballade bezeichnet werden. "Still Who I Wanna Be" ist die versöhnliche Seite der ansonsten Testosteron-gesteuerten Platte. Etwas über zwei Minuten Jamie Purpora-Solo auf der akustischen Gitarre sind allerdings zu wenig, um für Wiedergutmachung zu sorgen.
Klar, das Feng-Shui gibt es mittlerweile in vielen Bereichen des menschlichen Lebens. Sinngemäß übertragen geht Interstate Blues' "Dragon Lady", die chinesische Harmonielehre und die Hörgenüsse des Rezensenten hier garantiert ins Leere. Was dieses Trio in gut zweiundvierzig Minuten, verteilt auf zehn Songs krachend auf den Hörer loslässt, ist ein kraftvoller parforceritt mit einer Aussagekraft eines leeren Mülleimers. Interstate Blues hat nichts mit dem 12-Takter-Rock zu tun und zur selbstbefriedigenden Gitarren-Darstellung braucht man fast keinen Bassisten beziehungsweise Schlagzeuger. "Dragon Lady" hat sich im Gehirn festgesetzt, bleibt aber in keiner guten Erinnerung.
Es gibt Hard Rock-Dinge, die braucht der Rezensent nicht. Mag sein, dass die extreme Heftigkeits-Fraktion unter unseren Lesern Gefallen an dieser Musik findet.
Line-up Interstate Blues:
Jamie Purpora (vocals, guitar)
Jeremy Crowther (drums)
VJ Thesis (bass)
Tracklist "Dragon Lady":
- Frayed
- The Winters Wind
- Dragon Lady
- Shadow Play
- Loco El Gato
- Spinning In The Wind
- Wishin' Well
- Born This Way
- Her Darkest Ways
- Still Who I Wanna Be
Gesamtspielzeit: 42:18, Erscheinungsjahr: 2016
Neueste Kommentare