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InVertigo / InMotion – CD-Review

Des Ruhrpotts ungebrochen erdig-genuiner Charme und kreativer Keimboden für subkulturell Großes straft heut alle Spötter-Reden, dieser zehre vom nostalgischen Rudiment seiner stählernen Mahnmäler schweißgeprägter Kameradschaften und gesellschaftskritischer teils populärer, gern in Hirnfrei-Shows recycelter, Auswüchse Neu-Deutscher Revierblüten.
So lieferten zuletzt dementsprechend häufiger Rockformationen aus dem einstigen Kohlepott tönende Indizien für Massengeschmack Abgeneigtes, respektive der Peripherie des Prog-Rocks Verbundenes, wie im Fall der Gelsenkirchener InVertigo, vermutlich auch für energetisch Optimales.

Dennoch sollten sieben Jahre ins Land ziehen, um Bandprojekt-Prinzipal Sebastian Brennerts neuestes, dem bürgerlichen Broterwerb geschuldetes Freizeit-Resultat und gleichsam Erwartung nährendes Bekenntnis zu den unerschütterlichen Aufbruchstagen fortschrittsgläubiger Rocker mit dem Hang zu Geschmacksverstärkern, vorzulegen.

Obschon sich beim ersten Hördurchlauf ihres Zweitlings mit dem verheißungsvollen Titel "InMotion" die Vorstellung von fliesenden Strömen geistigen Handwerksschweißes mit wesenshafter Note verdichten, dürfte es abermals Stimmen missgünstiger Journallien über Neuverschnittenes einflussreicher Dreifaltigkeiten des Achtzigerjahre-Progs sowie der Gründerzeiten musizierender Metallurgen auf den Plan rufen.
Um nicht falsch verstanden zu werden, die Fortsetzung des letzten musikalischen Lebenszeichens "Veritas" bescheinigt ihnen einen legitimen Fortschritt, andernfalls ein zugelegtes Pfund eben dieses Könnens, sich durch sinfonisch gestopften Gitarrenrock mit dem ausgemachten Maß Zugänglichkeit, ohne die progressiven Pfade zu verlassen, zu emanzipieren.

Mit diesem Verspreche , plus ein geschultertes nicht unerhebliches Bündel Gegenwart bezwingender Sujets im Konzept, sondieren die teils ausladenden Arrangements unserer fünf Helden die zeitlose Ruhmeshalle melodisch riffender und akademisch gefühlsschwadronierender Tasten-Fetischen ergebener Rock-Hybriden.
De facto attestieren sich die Musikanten sowohl ein geschmacksicheres Interpretieren hochmelodischer sowie dynamisch ausgefeilter Hard Rock-Dramaturgien mit zuweilen gelöster Handbremse, wie auch verblüffendes Operieren zwischen handzahmem Bombast und neo-progressivem Wohlgemach.
Fixpunkte auf diesem Album sind einmal mehr proggiebefriedigende Epen samt ihren obligatorischen Bausteinen, die stets nachvollziehbar, mit einer zu opulenten Attitüde angelegten und hirnverknotenden Instrumentalmasturbationen scheuenden Musiksprache, nicht übers Ziel hinausschießen.

Ob nun neoprogressive Großtaten flankierende Grün-konjunkturelle sowie kindliche Mahnungen einer Prä-Thunberg’schen Klima-Revoluzzerin in "Severn Speaking", vor Selbstbewusstsein überschäumende Tribute an Wilsons Handschrift tragende ebenso sensible Kunstrock-Preziosen mit "Interrompu" bis zu Edvard Griegs Klavier-Konzert in a-Moll, Opus 16 plus andalusischen Saiten-Zitaten im ausschweifendem "Life Part I, II", so symbolisieren doch beide den kollektivpräsenten Griff ins pralle Genre-Sortiment britischer Marken, gleichwie die Konfession zu InVertigos musischer Wiege.
Insofern dürften Proggies Feuchtträume und David Gilmours Griffbrett-Würden Rechtftigendes wie "Listen To The Smell Of The Pretty Picture", eine jener teutonischen Rockgedächtnisse entrissenen zudem mit Siebziger-Intarsien bestückten Leicht-Prog-Palingenese samt finalen Vokal-Zeremoniell, für Ihre Intentionen zu Geschmäcker übergreifende alsgleich Retro-gemahnte Genrecocktails plädieren.

Und überhaupt sorgt der von Martin Schnellas Hochbegabten-Händchen geregelte Platin-Sound auf "InMotion" mit seiner, einerseits emotionalen Wucht – andererseits Leichtgängigkeit, für einen mehr als nur beschäftigungsfüllenden Musikkonsum.


Line-up InVertigo:

Sebastian Brennert (vocals, piano)
Carsten Dannert (drums)
Matthias Hommel (bass, bass-synthesizer)
Michael Kuchenbecker (keyboards, synthesizer)
Kolja Maletzki (guitars)

Guests:
Julia Gorzelanczyk (vocals)
Ina Merz (vocals)

Tracklist "InMotion":

  1. Interrompu
  2. Listen To The Smell Of The Pretty Picture
  3. Severn Speaking
  4. Wasting Time
  5. Life Part I: Random
  6. Life Part II: Metaphors

Gesamtspielzeit: 45:10, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ingolf Schmock

Als gebürtiges Mauerkind zudem frühzeitig mit westlichen Rock'n Roll-Ultrakurzwellen-
Oddyseen und Beatclub-Aufklärungen sozialisiert, galt mein musikalisches Verständnis
deren meist langmähnigen Aussenseitern. The Who, Small Faces, The Move...,später dann
Hartglötzer wie Black Sabbath, Deep Purple&Co., zu guter Letzt Schwurbel-Pioniere
ala Yes, Genesis, ELP...waren (sind) meine Helden sowie Seelenklempner.
Heute liegt mein Hauptaugenmerk (auch Hierzulande) auf sowohl handgemacht Rockistischem
mit Engagement und Seele, als auch Prog-gebrandmarkten virtuos-Verspieltem.

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