Das erste, das mir bei Iron Tree passierte, war dies: Ich las 'Brüllfee' – und dachte, das ist ja eine coole Bezeichnung für eine Frontfrau, die dann vermutlich nicht nur sanft singt – genauso gut wie bei Britta Görtz (u. a. Ex-Cripper) 'Elchkuh'. Beim zweiten Blick stellte ich fest, dass da 'Brüllfe' steht, hm, vielleicht dann eine Mischung aus Brüll-elfe und Brüll-Fee? Wie auch immer… so falsch ist das gar nicht… doch dazu später mehr.
Die Wurzeln des 'Eisernen Baums' wirken als wären sie bereits aus den 80ern und 90ern, gepflanzt wurde er allerdings 2011. Viele Äste sind in dieser Zeit nicht gewachsen. "Branch One", in Gestalt einer EP, spross 2013. Dann folgte eine Ruhephase bis 2021. Erstes Lebenszeichen war die Single "Ghost Of The Irontree", die einen Wachstumsschub von 46 bzw. 50 Minuten ankündigte, nämlich "The Faceless". Darauf befinden sich neun Äste bzw. Songs (auf der mir vorliegenden CD, in der digitalen Fassung sind es zehn, weil noch ein Bonus-Track).
Die musikalische Ausrichtung wird von der Band selbst als 'Abyssic(k) Heavy Metal' bezeichnet. Was ich gar nicht mal falsch finde. Es handelt sich dabei um eine Mischung von Elementen aus verschiedenen Metalgenres, von alt (80er Heavy / Speed / Thrash) über neuer (Black / Doom) bis zu eher modern wirkenden Elementen oder auch Punkigem. Mal rockig, mal groovig, oft lärmig. Das Ganze wirkt recht chaotisch. Einerseits ist das vermutlich so beabsichtigt, andererseits hat es wohl auch damit zu tun, dass das Material in einem Zeitraum seit 2014 entstand. (Ein schnell wachsender Baum ist dieser Eiserne jedenfalls nicht…).
Wie auch die Musik ist die Stimme der Brüllfe, mal brüllt sie, mal schreit sie. Das ist noch nicht alles, was sie zu bieten hat: Bei "Fall From Grace" gibt es eine gesprochene Stelle, bei "Graceless" lässt sie mich an eine böse Hexe denken, bei "Curse Of The Irontree" schwankt sie zwischen leierndem und fast schon gradlinigem Gesang. Also kein Gesäusel, kein Geträller, sondern eher ein wildes Weib, was gut ins Gesamtbild passt, zu dem eher unfreundlichen (Sound-)Wald mit düster-aggressiven Riffs.
Unpoliert, unbeschnitten, ungehobelt, unberechenbar ist der Iron Tree über die Jahre gewachsen. Dies mag den Eindruck von Planlosigkeit hinterlassen, was sicher nicht allen zusagt. Stimmt schon, manches wirkt etwas unausgereift und nicht alles ist gleich gut gelungen. Es gibt jedoch immer wieder reizvolle Momente; zudem ist es lobenswert, wie die Band ihren eigenen Weg unbeirrt geht (was stimmig durch Covermotiv und Logo ergänzt wird).
Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass es sich um ein DIY-Werk handelt, auf dem die Musik (gewollt?) ein wenig wirkt wie das Gehölz auf dem Bild und nicht wie ein zurechtgeschnittenes gestyltes Parkgewächs. Wer Wildwuchs gegenüber Perfektion bevorzugt kann Gefallen an "The Faceless" finden, vor allen durch die eigenwillige Mischung aus verschiedenen Stilrichtungen. Manche mögen allerdings die Scheibe als nervig erachten – also rate ich dazu, vorher reinzuhören. Meine Sympathie hat der Baum aus Baden-Württemberg jedoch gewonnen und ich bin gespannt, wie er sich weiterentwickelt.
Line-Up Iron Tree:
Brüllfe (vocals)
Steffen (guitar)
Soze (bass)
Mimi (drums)
Tracklist "The Faceless":
- False Gods (5:37)
- Thy Will Be Done (3:23)
- Drowning (6:08)
- Fall From Grace (3:42)
- Chemical Sleep (6:08)
- Crucified (7:43)
- Ghosts Of The Irontree (5.37)
- Dirt (2:49)
- March Of The Faceless (4:55)
Gesamtspielzeit: 46:22, Erscheinungsjahr: 2021
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