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IT’sALIE / Lilith – CD-Review

IT'sALIE / Lilith

Wer Pagan Folk Melodic Metal aus Italien mag, dem wird wohl schon mal der Gitarrist unserer venezianischen Truppe über den Weg gelaufen sein. Raffaelo Indri (Elvenking) soll laut Waschzettel der am meisten respektierte Rocker der italienischen Musikszene sein. Ungleich bekannter dürfte jedoch die Frontfrau von IT’sALIE, Giorgia Colleluori, sein. Sie steht nämlich nicht nur am Mikro der deutschen Rocker Sinner, sondern auch seit Jahren bei Rock Meets Classic als Sängerin auf der Bühne und hat diese bereits mit Alice Cooper, Ian Gillan und weiteren namhaften Musikern von Weltrang geteilt.

Unter den Produzentenaugen von Mat Sinner (der sich auch in einem Duett auf dieser Scheibe wiederfindet) und den fähigen Händen von Dennis Ward, der für das Mixen und Mastern verantwortlich zeichnet, hat man das Debütalbum, "Lilith", geschaffen, das unlängst in die Regale der Plattenläden kam. Gemeinsam wurde ein äußerst gefälliges Hard Rock-Album geschaffen, das in einem alten Rocker Erinnerungen an die weiblichen Rockröhren der Achtziger hervorruft. Hier haben wir es aber mitnichten um einen Retro-Abklatsch oller Kamellen zu tun, denn allein die Namen Mat Sinner und Dennis Ward sprechen für zeitgemäße, qualitativ hochwertige Produkte.

So, was machen wir jetzt? Die zwölf Tracks Stück für Stück durchkauen, oder einfach mal ein paar Highlights an den Tag kehren? Der geneigte Leser muss sich mit Letzterem zufrieden geben, denn die folgenden positiven Aussagen sollen stellvertretend für nahezu alle Songs dieser genussvollen dreiviertel Stunde stehen. Dazu erstmal ein wenig auf die Stimme von Fräulein Colleluori abgehoben: Nicht umsonst steht sie dort auf der Bühne, wo man sie seit Jahren sehen und hören kann. Power, Feeling, tolle Stimmlage, die Fähigkeit, gekonnt zwischen druckvollen und eher weichen Passagen zu wechseln, usw. usw. – ach ja, Gesangslehrerin ist sie auch noch – zeichnen sie an jeder Stelle dieses Albums aus (übrigens auch auf Sinners letztem Output, "Santa Muerte", das sich mehr als sehen lassen kann).

Direkt mit dem kernigen Opener, "Silver", auf dem auch Alex Beyrodt (Primal Fear, Voodoo Circle) eine feine Gitarrenarbeit abliefert, wird allgegenwärtig, mit was wir hoffentlich auch in der Zukunft noch rechnen dürfen. Die erst 25-Jährige geht so gut ab, als hätte sie schon 20 Jahre Erfahrung im Rock-Business (wahrscheinlich stimmt das sogar, ist Papa Camillo doch der Drummer von IT’sALIE). Da wird druckvoll nach vorne gerockt – die Band versteht ihr Handwerk natürlich bestens – und ein perfekter Einstand in das Album abgeliefert. "Fire" und "Lost" reihen sich da nahtlos an und lassen das erste Viertel der Scheibe direkt auf der Haben-Seite stehen.

Etwas später folgt mit "Hurt" dann der Track, bei dem sich die Dame mit einem beeindruckenden Schrei in ein Gesangsduell mit Mat Sinner stürzt. Ein wahrlich knackiger Rocker, dem es an keiner Ecke fehlt. Nicht nur an dieser Stelle wird zum tausendsten Mal in der Historie der Künste offensichtlich, dass Talent alleine nicht ausreicht. Bist du nicht in der glücklichen Situation, dich auf weitreichende professionelle Hilfe verlassen zu können, dann bist du in der Regel verlassen. Giorgia Colleluori hat ein überzeugendes Talent und ist stimmlich hervorragend ausgebildet, ohne das Zusammenspiel mit dem Produzenten – das ich im Duett mit Sinner mal als sinnbildlich sehe – wäre alles ungleich härter. Jetzt aber ist es so, und das ist auch gut so! Einmal mehr überzeugt auch hier die Band als äußerst 'tightes' Gefüge, das jedweden Schnickschnack außen vor lässt und rein songdienlich nach vorne rockt.

"Eyes" eröffnet unsere Sängerin mit einem sanft getragenen Gesang, der ansonsten mit nur einem Mindestmaß an Instrumentierung auskommt. Lediglich im Refrain wird die Ballade knackig rockiger, was dem Grundkonzept der Hard Rock-Scheibe aber keinerlei Abbruch tut. Spätestens jetzt, bei der Hälfte der CD, wäre der Rezensent im 'Normalfall' (und ich rede jetzt mal bewusst abfällig von nordischen Träller-Elsen) schwer gelangweilt und müsste sich mit reduzierter Lautstärke durch den Rest der Scheibe kämpfen, um die Unerträglichkeit der unzähligen Produktionen mit Sopran-Gesang versus Hard Rock halbwegs zu überdauern. Nicht so bei "Lilith", das sich als nahezu komplett überzeugendes Album darstellt.

"1111" ist jetzt nicht unbedingt mein Favorit (übrigens auch nicht so häufig zu sehen, dass sämtliche zwölf Titel des Albums im Grunde nur aus einem Begriff bestehen), aber lassen wir es mal als reines 60-sekündiges instrumentales Zwischenstück stehen, das von einem weiteren knackigen Track abgelöst wird. In "Wind" verewigt sich zudem der überaus talentierte Jorn Viggo Lofstad, den man u. a. bestens von Pagan’s Mind kennt, an der Gitarre. Auch "Devils" lässt den Rock-Liebhaber in Wallung geraten, kommt der Gesang doch richtig druckvoll rüber und Rhythmus sowie Geschwindigkeit tun ein Übriges.

Erwähnenswert sei mit Barracuda – ja, kennen wir alle –  noch ein Cover, das bei ansonsten elf eigenen Songs nicht aus Ideenarmut mit aufgenommen wurde. Man ist ja leicht hin- und hergerissen, wenn die Diskussion über das Covern aufflammt. Eine Neuinterpretation pro Scheibe lasse ich ja als Verneigung vor den Originalkünstlern gelten. So auch gerne hier, denn es gibt wesentlich, wesentlich schlimmere Versuche, und der Gesang ist so geil!

Unterm Strich ist "Lilith" ein Album, das man dem Fan gediegenen Hard Rocks wärmstens empfehlen kann. Kleine, subjektiv empfundene Aussetzer schmälern das Gesamtergebnis nicht wirklich und es würde mich freuen, einige von den Songs mal live erleben zu können.


Line-up IT’sALIE:

Giorgia Colleluori (vocals)
Raffaelo Indri (guitars)
Simon Dredo (bass)
Camillo Celleluori (drums)
Alex Beyrodt (guitar – #1)
Jorn Viggo Lofstad (guitar – #8)
Mat Sinner (vocals – #5)

Tracklist "Lilith":

  1. Silver
  2. Fire
  3. Lost
  4. Ghost
  5. Hurt
  6. Eyes
  7. 1111
  8. Wind
  9. Devils
  10. Lilith
  11. Barracuda
  12. Whisper

Gesamtspielzeit: 45:07, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Jochen von Arnim

Beiträge im Archiv
Genres: Blues, Rock, Heavy Metal

1 Kommentar

  1. Francesco St.

    Geile Platte, geb ich mir gerade jeden Tag, wirklich zu empfehlen. Beste Grüße

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