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Jack Slamer / Same – CD-Review

Jack Slamer/Same

Muss man sich Sorgen machen, dass der gute alte Rock’n’Roll mehr und mehr in der Versenkung verschwindet, zumal die alten Haudegen der 60er/70er, wie zum Beispiel Led Zeppelin, Black Sabbath, Deep Purple oder die Stones leider nicht mehr die Allerjüngsten sind und irgendwann statt auf irdischen Bühnen im Musiker-Himmel rocken? Ab und zu überkommt einem bei dem Gedanken doch schon etwas Wehmut. Gibt es Nachfolge-Bands, die in deren übergroße Fußstapfen treten können?

Oh, ja – auch wenn man es nicht für möglich hält, die gibt es tatsächlich. Selbst wenn sie derzeit noch ein Geheimtipp sind, wie Jack Slamer. »Jack – wer« wird sich so mancher Leser fragen. Wir sorgen für Aufklärung: 2007 wurde die Band in Winterthur (Schweiz) aus der Taufe gehoben. Die ersten Jahre ihres Bestehens verbrachte das Quintett auf der Suche nach ihren musikalischen Wurzeln im Proberaum und komponierten Songs, die mit ein paar wenigen lokalen Auftritten promotet wurden. Das Debütalbum "Noise From The Neighbourhood"  wurde 2012 in Eigenregie veröffentlicht.  Mit ihrem 70’s geprägten Hard Rock " konnten sie sich eine kleine, aber feine Fanbase erspielen.
2016 folgte das aktuelle Album "Same", produziert von André Horstmann, welches gleichzeitig zum Sprungbrett für Supportshows wurde. Man ging auf Tour mit Monster Truck (Can) und Inglorious (UK).

Bei den Winterthurer Musikfestwochen traten Jack Slamer vor immerhin 4000 Zuhörern als Headliner auf, ein großer Erfolg für die Jungs, die alle gerade mal Mitte 20 sind und die die Songs von Led Zeppelin und Deep Purple bereits mit der Muttermilch aufgesogen haben. Dennoch sind sie nicht nur in den 70ern verwurzelt geblieben, denn auch moderne Rockbands wie Rival Sons und Wolfmother zählen sie zu ihren Helden. So ist es ihnen gelungen, ihren eigenen Stil zu finden – ohne verstaubt zu klingen oder diesen gar zu kopieren – und weiterzuentwickeln.

Um ehrlich zu sein gehört diese Scheibe, neben Get Electrified! von Electric Alley, mal wieder zu denen, die sich tagelang in meinem Player drehten, ohne dass es mir zu viel wurde.
Led Zeppelin fiel ja nun schon öfter und um ganz ehrlich zu sein, ich höre recht oft eine gewisse Anlehnung an eine der größten Rockbands aller Zeiten. Das beginnt bereits mit dem Opener, "Turn Down The Light", der mit seinen verschachtelten Segmenten und flirrenden Gitarren an den typischen Songaufbau der Großmeister erinnert ("Whole Lotta Love", "Carouselambra", "Fool In The Rain", "I’m Gonna Crawl") und an Ende doch nicht abgekupert wirkt, da die Band ihre ganz eigenen Ideen in die Kompositionen einfließen lässt. Der Kurs für die folgenden Nummern ist also vorgegeben. Beim anschließenden "Entire Force" hat man das Gefühl, die Zeps haben ihren Sänger ausgetauscht und Ozzy steht am Mikro.

"The Wanted Man", hier blubbert der Bass vor sich hin und wieder diese bereits erwähnten flirrenden, leicht psychedelischen Gitarren, die für tolle Akzente sorgen, bis das Stück abbiegt, volle Fahrt auf der Geraden aufnimmt – um sofort wieder umzukehren und in den sanften Anfangsrhythmus zurückzugleiten. Starre Harmonien sind bei Jack Slamer grundsätzlich Fehlanzeige, man wird ständig aufs Neue überrascht und da die Songs selten unter vier Minuten sind, im Gegenteil – eher länger –  bleibt es spannend.
Kommen wir zum Höhepunkt des Albums: "The Truth Is Not A Headline" ist ein schönes Beispiel für die von der Band bevorzugten Tempowechsel und Ausflüge in psychedelische Gefilde. Druckvolle Gitarrenklänge wechseln mit sanften Einlagen, es wird gerockt, es wird gejammt und improvisiert. Die Rhythmus-Sektion treibt die Gitarren ordentlich nach vorn, es gibt mehrere kleine Drumeinlagen und Bass-Soli, bis die beiden Gitarren wieder übernehmen. Und auch hier erinnert mich der Gesang von Florian Ganz frappierend an Ozzy Osbourne.

Das Intro zu "Red Clouds" weckt bei mir sogar Erinnerungen an den seligen Rory Gallagher, bis zu dem Punkt, wo die Luzi abgeht und fast punkige Passagen zu hören sind. Ebenfalls ein Klassestück.

Richtige druckvolle Knaller sind "Biggest Mane", "The Shaman And The Wolves" und "I Want A Kiss", die kommen live garantiert richtig gut. Dazwischen ist mit "There’s No Way Back" auch mal die Handbremse gezogen worden, denn es ist Blues-Time, wie sich das für eine Classic Rock-Band eben gehört.
Und selbst eine Ballade kann auf einem feinen Rockalbum eine gute Figur machen, sofern diese auch dazu passt – und das ist hier der Fall: "Secret Land" hat richtig epische Züge. Groovige Gitarren und wunderschöne Melodiebögen zieren dieses Midtempo-Stück, das man sich fast sechs Minuten lang genüsslich reinziehen kann.

Was für eine experimentelle und dennoch stimmige Scheibe, toll, was die Schweizer da abgeliefert haben. Classic Rock-Fans müssen wirklich nicht verzweifeln, es besteht immer noch Hoffnung, wenn solche Bands wie Jack Slamer, Electric Alley oder auch Rival Sons die Retro Rock-Fahnen hochhalten.


Line-up Jack Slamer:

Florian Ganz (vocals)
Marco Hostettler (guitar)
Cyrill Vollenweider (guitar)
Hendrik Ruhwinkel (bass)
Adrian Böckli (drums)

Tracklist "Same":

  1. Turn Down The Light (5:11)
  2. Entire Force (3:13)
  3. The Wanted Man (4:39)
  4. The Truth Is Not A Headline (5:02)
  5. Red Clouds (5:14)
  6. Biggest Mane (3:42)
  7. The Shaman And The Wolves (3:30)
  8. There’s No Way Back (4:17)
  9. I Want A Kiss (4:21)
  10. Secret Land (5:51)

Gesamtspielzeit: 44:09, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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Mail: ilka(at)rocktimes.de

1 Kommentar

  1. Barbara Fuchsberger

    super… Glasbox….

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