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Jane / Beautiful Lady – CD-Review

Jane - "Beautiful Lady" - CD-Review

Eine Rückblende ins Jahr 1986 und das Leben des damals 18-jährigen Rezensenten: Dieser hatte ungefähr drei Jahre zuvor die Band Jane entdeckt und lieben gelernt, war speziell in Alben wie "Together" (1972), "Here We Are" (1973), "Jane III" (1974), "Lady" (1975) oder "Fire, Water, Earth & Air" (1976) ganz tief eingetaucht, liebte aber grundsätzlich alle Platten der Band, die er sich nach und nach von seinen mühsam zusammengesparten Moneten leistete. Alben, die damals selbstverständlich lebenswichtig waren!

An einem Mai-Tag 1986 entdeckte er dann in ’seinem' Plattenladen plötzlich ganz überrascht ein Album von Jane mit dem Namen "Beautiful Lady". »Sind das meine Jane?«, fragte er sich ganz nervös … ein schneller Blick auf die Rückseite des Covers und siehe da: Hmm, kein Klaus Hess? Dafür aber Peter Panka an den Drums, Werner Nadolny an den Keyboards… alles klar! Nichts wie los und Geld zusammenkratzen, bevor der Kleinstadt-Laden an diesem Samstag schon sehr bald über’s Wochenende schließt. Zuhause mit zittrigen Händen die Platte aufgelegt, erster Durchlauf … Ääh??? … zweiter Durchlauf … den Rezensenten hatte das blanke Entsetzen gepackt! Auf dem Cover war auch die Telefon-Nummer von Peter Panka angegeben, diese mit imaginären schwarzen Wolken über dem Kopf gewählt … eine nette Dame meinte, dass der Peter gerade nicht da sei, er aber gerne zurückrufen wird. Ein dritter Durchlauf … und das blanke Entsetzen entwickelte sich in eine tiefe Niedergeschlagenheit.

Die für den Teenager damals noch nicht erkennbaren Zusammenhänge ergaben sich wie folgt: Nachdem der Plattenvertrag der Band nach den sich ziemlich schlecht verkaufenden Alben "Jane" (Die Maske) von 1980 sowie "Germania" (1982) bei dem Label Brain ausgelaufen war, wurde dieser nicht verlängert. Anschließend wurde Jane von Jon Symon für dessen Rock-Ballet "Warlock" engagiert und bei den Proben dazu der Gitarrist Klaus Hess (bis dahin zusammen mit Panka das einzige stetige Jane-Mitglied) von Symon gefeuert. Nachdem das (übrigens sehr erfolgreiche!) Projekt ausgelaufen war, machten Panka und Nadolny mit Jane weiter, ohne jedoch Hess mit einbeziehen zu wollen. Das Line-up-Karrussell drehte sich nach wie vor akrobatisch schnell, eine zeitlang waren sogar die ehemaligen Epitaph-Musiker Bernie Kolbe sowie Klaus Walz (der – mit Unterbrechungen – bis heute die Band führt) mit an Bord. Sky Records nahm Jane wieder unter Vertrag und es ging zurück ins Studio.

Was auf "Beautiful Lady" neben Panka und Nadolny mit den beiden Musikern Klaus Henatsch sowie Kai Reuter zelebriert wurde, war ein komplett anderer Stil, eine komplett andere Herangehensweise, ein komplett neuer Ansatz, als der in der Vergangenheit. Außerdem ein sehr gewichtiger Punkt: die so Band-prägende Gitarre von Klaus Hess fehlte an allen Ecken und Enden. Und heute, mehr als 35 Jahre später sieht die Geschichte für den Rezensenten wie folgt aus: Das Album beginnt eigentlich ganz okay mit der Nummer "I Need You", die zwar keine Großtat ist, aber dennoch – vor allem wegen Pankas Gesang und einer durchaus vorhandenen angenehmen Atmosphäre – durchaus abgehakt werden kann. Gefolgt von dem Titeltrack, einem ebenfalls guten, flotten Pop-Rocker, der fantastisch ins Ohr geht und sich dort auch rasch einnistet. "In My Life" erinnert mit seinem Feeling und auch dem Text noch am ehesten an die alten Jane, verfügt dazu ebenfalls wieder über einen klasse Refrain. So weit, so gut …

Anschließend wird es allerdings ziemlich gruselig. "Hold Your Line" ist die erste Nummer, bei der Klaus Henatsch die Führung und einen Großteil der Lead Vocals übernommen hat. Allerspätestens beim Refrain sind wir bei einer dieser furchtbaren Mitt-Achtziger Pop Rock-Attacken angelangt, die ungefähr so gut zu Jane passten, wie ein Eskimo an die Copa Cabana. Da retten auch die Co-Lead Vocals von Peter Panka sowie der gegen Ende spektakuläre Gesang von Henatsch nichts mehr. Noch schlimmer wird es bei "Never Let You Go", das zwar alle Klischees des damals angesagten Mitt-Achtziger Sounds bedient, ansonsten allerdings eher im See des Vergessens versenkt werden sollte. Noch einer gefällig? "Just So In Love" beginnt mit einer Jon Lord-Orgel, verliert sich anschließend jedoch in der selben Belanglosigkeit, wie der davor genannte Track. Klaus Henatsch hat spätestens seit dem vierten Stück ("Hold Your Line") komplett die Kontrolle übernommen und das alles wäre auch gar nicht schlimm, würde es sich nicht um ein Jane-Album handeln. Klar, Panka und Nadolny wollten sich auch dem Sound der Zeit anpassen (wahrscheinlich auch, weil die zwei oder drei vorangegangenen Alben nicht mehr liefen), funktioniert hat das – zumindest für die alten Fans – deshalb aber noch lange nicht.

Dem guten Klaus Henatsch muss man aber zumindest zugestehen, mit "Silence" einen ziemlich guten Song und vor allem der Band-Komposition "Imagination" und seinen dazugehörigen Lead Vocals den zweitbesten Track der Scheibe abgeliefert zu haben. Die Nummer an sich ist schon sehr gut, dazu wurde dann auch noch John Lennons Song Imagine eingebaut, gesungen von Peter Panka. Somit hatte man am Ende auf Seite 1 der damaligen LP ein kleines Stückchen Rest-Jane, währen Seite 2 doch deutlich von Henatsch dominiert wurde. Der bisher nur kurz erwähnte Gitarrist Kai Reuter war und ist ganz sicher ein guter Musiker, stilistisch von Klaus Hess (und auch Klaus Walz) aber ungefähr so weit entfernt, wie der Gehörnte von einer Einladung ins Paradies. Dieser neuen CD-Auflage wurde als Bonus Track eine Live-Version des Titelsongs vom 26. September 1986 im Frankfurter Sinkkasten beigefügt, die beweist, dass das Stück auch live auf der Bühne richtig gut funktioniert hat.

"Beautiful Lady" bedeutet für den Rezensenten mittlerweile: Mit "I Need You", dem Titeltrack, "In My Life" sowie "Imagination" vier auch heute immer noch mit einem süffisanten Lächeln gemochte Songs, dazu kommt das ebenfalls noch (knapp) als Gewinner durchgehende "Silence". Der beste Track ist eindeutig "In My Life", leider gibt es aber auch viel Schatten auf der Platte. Speziell, wenn man den getragenen, tiefgründigen und so einzigartigen Sound der Band aus den Siebzigern liebte, konnte man von diesem Album damals nur enttäuscht sein. Kannte und kennt man die Vorgeschichte nicht, könnte man (jedoch nicht der Rezensent) möglicherweise zu einer ganz anderen Einschätzung gelangen. In deutlich verbesserter und wieder richtig guter Form präsentierte sich die mittlerweile aufgrund eines Gerichtsurteils Peter Panka’s Jane heißende Combo dann tatsächlich erst wieder im Jahr 2002 mit dem (lassen wir "Resurrection" aus den Neunzigern jetzt einfach mal unter den Tisch fallen) zweiten Comeback-Album "Genuine".

Zweite Rückblende ins Jahr 1986: Etwa eine Stunde nach dem Rückruf-Versprechen klingelt bei dem 18-Jährigen das Telefon. Dessen Herz war allerdings zwischenzeitlich in die Hose gerutscht, sodass er anstatt den Hörer abzuheben und einen seiner Lieblings-Musiker mit Beschimpfungen zu überhäufen, mit sicherer Hand lieber noch einmal die Nadel in die Anfangsrillen der (seine Gefühlswelt so treffend titulierte) Scheibe Between Heaven And Hell bewegte.


Line-up Jane:

Peter Panka (drums, lead & background vocals)
Werner Nadolny (keyboards, synth bass, tenor bass)
Klaus Henatsch (keyboards, synth-bass, organ, piano, lead & background vocals)
Kai Reuter (lead & rhythm guitars)

With:

Jane James (background vocals – #2)
Anca Graterol (background vocals – #1,6-8)
Andrea Schwarz (background vocals – #1,6-8)
Kalle Bösel (background vocals – #2-4)
Petra Steffens (background vocals – #9)

Tracklist "Beautiful Lady":

  1. I Need You
  2. Beautiful Lady
  3. In My Life
  4. Hold Your Line
  5. Silence
  6. Never Let You Go
  7. Just So In Love
  8. Imagination
  9. Beautiful Lady (live)

Gesamtspielzeit: 46:17, Erscheinungsjahr: 2023 (1986)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. Achim

    ja so ist es mir auch ergangen.
    dachte was ist da passiert. geht sogar noch schlimmer als die "Maskenscheibe" !!
    Hast du gut wiedergegeben. Ich hatte nicht soviel Geduld und lag sie beim 2. mal anhören beiseite.
    Jetzt aber hast du mich wieder neugierig gemacht!!!

    1. Markus Kerren

      Hi Achim,

      danke für die netten Worte. Ja, "Beautiful Lady" war – gelinde gesagt – nicht gerade ein Glanzstück von Jane. Aber hör nochmal rein und überzeug dich erneut 🙂
      Die "Maske" habe ich die ersten Jahre (vor allem wg. Pedja’s Gesang) ebenfalls überhaupt nicht gemocht, mittlerweile kann ich sie jedoch sehr gut hören. Und meiner Meinung nach sind da mit "Love Your Life", "Out In The Street", "On My Way", "Easy Goin'" oder auch "Stop The Clock" ein paar richtig coole Sachen drauf. Ist – wie immer bei der Musik – aber natürlich auch Geschmackssache…

      Grüße,
      Markus

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