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Jay Ottaway And The Lost Boys / Konzertbericht, 17.10.2024, Bibliothekssaal Universität Oldenburg

Jay Ottaway And The Lost Boys

Jay Ottaway And The Lost Boys

Wenn der Rhein zum Charles River wird

Na großartig, da lobt der Rezensent die letzte Veröffentlichung unserer Helden über den grünen Klee und beklagt ansonsten die bedauernswerten Zustände unseres schönen Planeten und was passiert?
Die monatlichen Hörer*innen von Jay Ottaway and The Lost Boys schnellen von 87 auf astronomische 94 empor!

Jay Ottaway

Jay Ottaway

Das könnte zu der Schlussfolgerung verleiten, dass es sich mit dem Musikgeschmack in diesem Land in etwa so verhält, wie mit dem einstmals liebsten Kaltgetränk … fade, sehr fade.

Das ficht den renommierten Songwriter aus Boston mit rheinländischem Netzwerk und obligatorischem Westernhut aber nicht an und er kredenzt diesen Herbst den interessierten Bundesbüger*innen seine seit fünf Jahren bestehende Formation auf ausgewählten Kleinbühnen live und in Farbe, ohne Netz und doppelten Boden …

… und im Falle des nordwestdeutschen Gigs in der Oldenburger Uni-Bibliothek sogar konsequent ohne dieses mittlerweile so fade Kaltgetränk.
Das wollen und können einige des Studierens unverdächtige Personen nicht akzeptieren und ziehen wieder von dannen, so dass das Organisationsteam des veranstaltenden Fachbereichs spontan alle Hebel in Bewegung setzt, um eine Kiste eines Oldenburger Gebräus aufzutreiben, welches wiederum der Fadheit unverdächtig ist.

Das lässt die Stimmung des leider nur spärlich besetzten Auditoriums steigen, in welchem von über 15.000 Oldenburger Studierenden, die mit freiem Eintritt diese Kulturveranstaltung hätten besuchen können, genau kein Einziger zu sichten ist!

Aber auch das ficht Jay Ottaway und seine 'verlorenen Jungs' nicht an und sie starten fulminant mit dem "Next To You"-Opener "Overload Blues" in einen Gig, der schlussendlich zwei volle Stunden Live-Musik bereithalten soll, gespielt von Enthusiasten, Überzeugungstätern und Könnern. Das spielerische Qualitätslevel, gepaart mit sehr überzeugenden Songs im Spannungsfeld von Singer/Songwriter, Rock, Blues, Country und Folk, lässt vom Start weg keinerlei Zweifel aufkommen und die Stimmung auch abseits des Hopfengebräus in die Höhe schnellen.
Das hörbar positive Feedback tut wiederum den auf der improvisierten Bühne Agierenden gut, die eine ansteckende Spielfreude entwickeln und so aus den Knospen der Tonkonserven-Vorlagen ein prächtiges Blütenmeer in den nüchternen Bibliothekssaal zaubern.

Dabei bringen sie gleich acht Songs von "Next To You" zu Gehör, deren fünf sind es vom Vorgänger "Adrenaline Junky".
Die formidablen Eigenbauten von Jay Ottaway werden im mitreißenden zweiten Set punktuell ergänzt durch Vorlagen von Warren Zevon/Linda Ronstadt ("Poor,Poor Pitiful Me"), The Band ("The Weight") oder Magic Sam ("Mr. Charlie") und betten sich kongenial in einen Sound, der bei allen Vorbildern erstaunlich eigenständig und authentisch klingt. Da schaut mal der Heartland-Rock vorbei, mal ein introvertierter und nicht näselnder Neil Young, mal ein Back-to-the-Roots Tom Petty, mal ein nicht krächzender Bob Dylan … aber immer ist der Bostoner mit seiner rheinländischen Combo bei sich selbst und klingt nicht nach Rhein und Ruhr, sondern nach Mystic River und Charles River.

Seine Mitstreiter sind allerdings auch keine Rookies, tummeln sich teilweise seit Beginn der 1980er Jahre in der deutschen Rock-, Blues- und Countryszene, Schlagzeuger Klaus Marner und Gitarrist Guido Lehmann betreiben noch die Rockabilly/Countryrock-Band Hillbilly Deluxe und Tieftöner Henrik Herzmann aus der Stadt des Deutschen Fußballmeisters agiert gleich in mehreren Formationen aus eben dieser.

Blackie mit Röhrchen

Blackie mit Röhrchen

Dabei weiß insbesondere Routinier Guido Lehmann zu begeistern, der konsequent bei seiner verzerrungsfreien "Blackie" bleibt und Herrn Clapton mitnichten auch nur einen Hauch einer Schande bereitet. Im Gegensatz zu Philipp Sayce, der einige Tage zuvor im Bremer Meisenfrei auch jüngeres Publikum anzusprechen wusste, werden hier und heute mitnichten 120 Noten pro Sekunde gespielt … und das ist sehr gut so!

Fazit:
Weniger ist mehr … und das in jeglicher Hinsicht, außer der Gesamtspielzeit. In der Pause zwischen den zwei Sets gibt es sogar noch einen zweiten Kasten Ols-Pilsener, so dass niemand verdursten muss. Und Jay Ottaway And The Lost Boys können als positiven Aspekt für sich verbuchen, dass annähernd die Hälfte ihrer monatlichen Streaming-Hörer*innen anwesend ist, sehr zufrieden noch obendrein, so dass es hoffentlich bald ein Wiedersehen gibt.

Ein besonderer Dank des Rezensenten gilt der reibungslosen Akkreditierung.

Bildnachweis für alle Bilder des Events: © 2024 | Olaf 'Olli' Oetken | RockTimes

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

1 Kommentar

  1. Fritz

    Tja, Perlen vor die Säue möchte man den Studis da zurufen

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