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Jesse Fink / Bon – Der letzte Highway – Die unerzählte Geschichte von Bon Scott und AC/DC – Buch-Review

Jesse Fink / Bon – Der letzte Highway

»Nun, ihr habt die Wahl, okay. Also trefft sie!«
(Bon Scott, Veterans Memorial Auditorium, Columbus, Ohio, 10.09.1978)

Viele Rockstars starben bereits in jungen Jahren, oftmals unter mysteriösen Umständen und geben bis heute Rätsel auf: Jim Morrison fand man am 03.07.1971 in seiner Pariser Wohnung tot in der Badewanne. Angeblich ist sein Tod auf den hohen Heroin-Konsum zurückzuführen. INXS-Sänger Michael Hutchence wurde tot in einem Hotelzimmer aufgefunden, stranguliert mit einem Gürtel. War es Selbstmord oder doch ein Unfall bei einem Sex-Spiel?

John Bonham erstickte am 25.09.1980 an Erbrochenem im Haus von Jimmy Page, Jimi Hendrix starb am 18.09.1970 – ebenfalls erstickt an Erbrochenem nach einer Überdosis Alkohol und Schlaftabletten, Brian Jones ertrank am 03.07.1969 in einem Schwimmbecken, Janis Joplin nahm eine Überdosis Heroin und verstarb daran am 04. 10.1970, John Lennon wurde am 08.12.1980 erschossen. Und so könnte man die Liste der toten Rockstars noch endlos fortsetzen.
Und Bon Scott? Er erstickte am 19.02.1980 an Erbrochenem nach viel zu hohem Alkoholkonsum – so lautet zumindest die offizielle Todesursache.

Was ich mit der Aufzählung zusätzlicher Musiker sagen will? Dass die Todesursachen, wie im Fall von Bonham, Joplin oder Lennon glasklar sind, die Spekulationen um Morrison, Hutchence, Bon Scott und vielen anderen nach wie vor aber nicht abreißen wollen.
Unzählige Buch-Autoren versuchten sich schon daran, den mysteriösen Tod von Jim Morrison aufzuklären. Die meiner Meinung nach beste Recherche liefert das Buch The End – Der Tod von Jim Morrison von Bob Seymore, aber hat es geholfen, alle Zweifler zum Schweigen zu bringen? Wohl kaum.

Und nun wagt sich Jesse Fink mit "Bon – Der letzte Highway" an ein ebenfalls brisantes Thema – den Tod der Rock-Ikone Bon Scott. Hat er mit seiner Analyse über Die Brüder Young bereits bewiesen, welch genialer Autor und Recherchist er ist, setzt er nun mit diesem 575 Seiten langen Werk noch eins drauf. Dabei hat er während seiner jahrelangen Nachforschungen vermutlich in so manches Wespennest gestochen. Um an Informationen zu kommen, musste Fink erst einmal eine Mauer des Schweigens durchbrechen, was ihm nur bedingt gelang, denn die drei Young-Brüder George, Malcolm und Angus haben einen unüberwindbaren 'Schutzwall' um sich herum errichtet. Niemand von ihnen hat verständlicherweise Interesse daran, dass ihre Enthüllungen auch nur ansatzweise verzerrt dargestellt werden könnten. Dazu passt die Aussage eines australischen Roadies, der 1977 für AC/DC arbeitete: »Sie halten ihre Ärsche bedeckt bis ins Grab.«
Selbst ehemalige Bandmitglieder äußern sich nicht, da sie angeblich durch Schweigeverpflichtungen oder auch Drohungen mundtot gemacht worden sein sollen. Bei den Youngs stieß er also auf taube Ohren.

Und doch schaffte Fink es, Musikerkollegen anderer Bands, enge Freunde wie den texanischen Alkoholiker und Outlaw Roy Allen und noch 'engere' Freundinnen Bons aufzuspüren, tagelange informative Gespräche mit ihnen zu führen und viele Ungereimtheiten zu hinterfragen. Und Ungereimtheiten gibt es jede Menge, zumal sich die Gesprächspartner in ihren Angaben und Zeitabläufen ständig widersprechen, was vermutlich dem damaligen Drogenkonsum der Protagonisten zuzuschreiben ist.
Dass Scott ebenfalls kein Kind von Traurigkeit war, ist allgemein bekannt, seine Sex- und Alkoholexzesse waren legendär. Ungeklärt ist, ob bei seinem Tod dieses Mal auch Drogen im Spiel waren.

Eine weitere Frage, die sich Jesse Fink, aber auch Hardcore-AC/DC-Fans stellen ist, ob die Texte von "Back In Black" tatsächlich alle vom Nachfolge-Sänger Brian Johnson geschrieben worden sind. Denn lt. Aussage einer von Scotts Freundinnen teilte er dieser noch am Tag seines Todes mit, dass er die Stücke für das neue Album fertig gestellt hätte und dies nun feiern gehen wolle. Seine Aufzeichnungen waren aber nach seinem Tod auf unerklärliche Weise – neben einigen anderen privaten Dingen – verschwunden. Doch nach wie vor behaupten die Bandmitglieder sowie deren Umfeld, Johnson wäre der Urheber der Tracks. Wieso fließen jedoch Millionen an Songwriting-Tantiemen an die Erben Bons? Auch deuten viele der Textpassagen eher auf Scotts statt Johnsons 'Ergüsse' hin. Jesse Fink führt jede Menge Beispiele dafür an, die seine Thesen untermauern.

Was also steckt hinter den Zahlungen? Dies wird wohl das ewige Geheimnis der Young-Brüder bleiben, genauso, wie die wirkliche Todesursache des ehemaligen AC/DC-Sängers.
Zum Abschluss stellt Fink im Epilog noch einmal mehrere Theorien dazu auf. Gänzlich von der Hand zu weisen ist übrigens keine, weil sie alle irgendwo Hand und Fuß haben. Hinter Bon Scotts Tod wird dennoch genauso ein ewiges Fragezeichen stehen, wie hinter dem der anderen, unter mysteriösen Umständen gestorbenen Rockstars.

Den Abschluss des umfangreichen Werkes bildet eine Aufstellung aller im Buch genannten Personen, seitenweise Danksagungen, eine Bibliografie, eine Aufstellung veröffentlichter Bücher über die Band sowie DVDs, Interviews in Radio und TV, Videos und Audios, Bootlegs, Albumcovers, Charts-Aufstellungen, Zeitungs-, Zeitschriften- und Online-Artikel (22 Seiten),  Briefe, Pressemitteilungen, Lyrics, sonstige offizielle Unterlagen. Weiterhin findet man eine Auflistung aller Konzerte und Studioalben von 1977-79 sowie diverse Single-Veröffentlichungen bis 1984 oder auch posthum rausgebrachte Editionen und Boxsets – also alles, was noch unter Mitwirkung von Bon Scott produziert wurde.

Ob er nun wieder etwas schlauer geworden ist, muss der Leser für sich entscheiden. Das Buch ist sehr locker und flüssig, stellenweise auch sehr direkt und dennoch informativ geschrieben, empfehlenswert nicht nur für AC/DC-Fans.


Taschenbuch, 1. Auflage, November 2017
575 Seiten, S/W-Fotos
ISBN-13: 978-3854456322
24,99 EUR

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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