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Jimmy Kelly, Erinnerungen eines Straßenmusikers – Vortrag, 30.06.2022

Jimmy Kelly in Pößneck

Während sich ein Teil seiner Geschwister der ursprünglich-traditionellen Musik verbunden fühlt, haben andere Kellys inzwischen im Sport, beim Tanzen oder in der Schlagermusik Karriere gemacht oder sie sind gleich ins Kloster gezogen. Es hat den Anschein, dass Victor James Kelly, kurz Jimmy, das Musikerleben besonders bewusst pflegt. Der heute 51-Jährige sagt von sich, dass er im Alter um die 40 »zurück auf die Straße« gekommen sei und dabei »von null angefangen« habe.

Jimmy Kelly, der mit seiner Frau und drei Kindern in der Nähe von Köln lebt, war noch ein Kind, als die Kelly Family ihre Laufbahn begann. Er erlebte die erste Zeit der 1970er und 1980er Jahre als Kind und Jugendlicher damals schon als Straßenmusiker. In den 1990er Jahren nahm er den kometenhaften Aufstieg der Musiker wahr. Sie füllten Stadien wie Rockstars und wurden so gefeiert. Der Jahresumsatz der bandeigenen Firma belief sich auf stolze 100 Millionen Euro, gerechnet in der heute aktuellen Währung.
Vom Ruhm jener Jahre war laut Jimmy Kelly jedoch nichts übrig geblieben, als der Vater Dan Kelly, der Kopf der musikalischen Familie war, 2002 im Alter von 71 Jahren verstarb. Er habe »ein riesiges Chaos in der Firma« hinterlassen verkündet Jimmy Kelly, der ein Teil der aktuellen Kelly Family ist. Die Geschwister verloren sich im Streit um Erbangelegenheiten, während die Rechtsanwälte damals von mehreren Jahren bei der Schlichtung ausgegangen waren.

Jimmy Kelly ist heute in erster Linie Straßenmusiker. Er ist als Solokünstler unterwegs, kann aber auf das Street Orchestra, seine mehrköpfige Band, zurück greifen.
Über seinen Neubeginn als Straßenmusiker vor über zehn Jahren berichtet er in seinem 2017 erschienenen Buch »Streetkid: Fluch und Segen, ein Kelly zu sein«. Im Gespräch mit RockTimes sagte er, dass diese Publikation ein Porträt sei, um die schwierigen Jahre nachzuzeichnen. »Das Buch handelt davon, wie ich als Musiker auf die Straße zurück kehrte und welche Erfahrungen ich dabei verarbeitet habe. Für mich war das zugleich ein neuer Anfang, denn zum ersten Mal bin ich als Musiker ohne eigene Familie unterwegs gewesen. Sonst war ich immer ein Puzzle-Teil einer bekannten Familie. Diesen Weg beschreibe ich«.

Jimmy Kelly in Pößneck

Jimmy Kelly in Pößneck

Im Gespräch vermittelt der Musiker einen zufriedenen Eindruck. Er zeigte sich stets sehr dankbar, wenn er in Städte kam, die ihm Plätze zuwiesen, an denen man musizieren durfte, denn diese Art der Kunst unterliegt strengen Regularien. Die besten Plätze seien natürlich besonders beliebt. Neben der Musik käme es oft zu Gesprächen mit Besuchern, die über ihre eigenen Erlebnisse bei Begegnungen mit den Kellys berichteten.

Jimmy Kelly, der über seine Erfahrungen und das Buch im Rahmen eines knapp dreistündigen Vortrags berichtet, räumt auf mit den Klischees, wonach das Leben eines Straßenmusikers nur Lagerfeuerromantik und Idylle biete. »Du wirst nicht entdeckt. Es ist harte Arbeit«, sagte er während seiner Ausführungen im Saal des Pößnecker Schützenhauses und machte anhand vieler Beispiele deutlich, warum er einer Konkurrenzsituation beim Kampf um die besten Plätze ausgesetzt war und wie lange es dauerte, endlich Geld mit seinen Auftritten zu verdienen.
Die Arbeit eines Straßenmusikers gibt viel preis über den Charakter und die Einstellung des jeweiligen Musikers. Meistens sind sie allein unterwegs, selten als Duo oder gar als Gruppe. Buchtitel aus verschiedenen Verlagen und aus der Feder unterschiedlicher Autoren machen deutlich, welche Realität diese Künstler erwartet: »Das haben wir daraus gelernt. Neue politische Musik zum Leben und Überleben«, heißt es im Rowohlt Taschenbuch-Verlag 1979, herausgegeben von Jürgen Frey. »Straßenmusik in Berlin. Zwischen Lebenskunst und Lebenskampf. Eine musikethnologische Feldstudie« überschieb Mark Nowakowski seine Studie, herausgegeben bei transcript in Bielefeld 2016. Eine Gruppe von mehreren Autoren veröffentlichte 2004 bei LIT »Die härteste Bühne der Welt…« und schildert darin die Straßenmusik in Hamburg. Außerdem gibt es mehrere Bücher über rechtliche Rahmenbedingungen mit Empfehlungen zur Tätigkeit eines Straßenmusikers.

Jimmy Kelly während seines Vortrages in Pößneck

Jimmy Kelly während seines Vortrages in Pößneck

Jimmy Kelly nimmt seine Zuhörer in seinem Vortrag genauso mit wie bei seinen Gastspielen als Musiker auf einer Bühne. Er präsentiert das, was seine Fans von ihm erwarten. Der Sänger mit der charismatischen, kräftigen 'Kelly'-Stimme beweist mit seinen Liedern seine Vielseitigkeit. Das Repertoire mit dem Street Orchestra reicht von tanzbaren Balkan-Klezmer-Einflüssen über wunderschönen Bluegrass, irische Klänge und spanischen Folk bis hin zu emotionalen Balladen. Das Street Orchestra setzt die Ideen des Musikers perfekt um und zeigt sich virtuos verspielt mit seinen Instrumenten: Akkordeon, Mandoline, Viola, Fiddle, Banjo, Gitarre, Marimbaphon, Schlagzeug sowie Mundharmonika, Kontrabass, Trompete & Klarinette / Saxophon. Solistisch knüpft er soweit wie möglich an diese Vielfalt an.

Schon die Dauer des Vortrages erinnert an die langen Auftritte der Kelly Family, die so oder so für ihre Besucher unvergesslich bleiben, egal wie stark der Kommerz schon an den Protagonisten gekratzt hatte. Jimmy Kelly erinnert sich, dass es in den 1990er Jahren Wochenenden gab, da spielten er und seine elf Geschwister an einem Standort an drei Tagen hintereinander jeweils drei Mal am Tag mehrere Stunden. Die Musikalität steckt in ihm drin. Jimmy Kelly gibt sich authentisch, bodenständig und ehrlich. Ein Musiker zum Anfassen. Man hört ihm gerne zu, ja, man darf ihn sympathisch finden.

Ein herzlicher Dank geht an Anne Rimpler-Hinze vom Veranstaltungsmanagement der Stadtmarketing Pößneck GmbH für die Akkreditierung.

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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