Wer den Prototyp eines selbstbewussten Musikers mit Verkaufstalent sucht, liegt bei Joe Bennick richtig. Seine Homepage gleicht einem Schaufenster. Angesichts einer für Künstler schwierigen Konstellation bei den Einnahmen, die nicht erst seit der Corona-Pandemie eingetreten ist, ist dies sicherlich legitim. Für meinen Geschmack wäre allerdings etwas dezenter mehr. Wer nicht direkt übers Menü "About" einsteigt, findet die gewünschten Informationen zum Musiker erst nach CD-Ankündigungen, zahlreichen Videoclips und den aktuellen Tourdaten. Hier sind die Informationen auf dem neuesten Stand gehalten, Aktualität ist ihm wichtig.
Auch die Startseite mit den Buttons Hören, Lesen und Kaufen sieht mir zu sehr nach Marktplatz aus. Ob es daran liegt, dass der Künstler aus Brühl vergleichsweise neu im Geschäft ist oder auf die Doppelbegabung als Musiker und Autor hinweisen möchte, sei dahingestellt. Ich mag als Einstieg mehr über den Menschen und Künstler Joe Bennick erfahren. Denn das wiederum ist aus Hörersicht legitimes Mittel und Potenzial hat das Ein-Mann-Unternehmen durchaus.
Mit Gitarre und einem zur mobilen Bühne umgerüsteten Kleintransporter lädt er an allen möglichen und unmöglichen Orten zu Konzerten ein. Joe Bennick ist ein Mann der Bühne. Das wird bei ihm schnell deutlich. Eine kleine Form der Unterhaltung bieten außerdem seine Lesekonzerte. Im Gepäck hat der Autor seinen Roman "Erlensee" (2016, Neuauflage 2019) und die Kurzgeschichten unter dem Titel "Sommerwende", die in diesem Jahr erschienen sind. Der Roman erzählt die Geschichte einer besonderen Vater-Sohn-Beziehung. Es geht um Fragen zu Erbschuld und der Verantwortung zwischen Generationen. Im Gedichtband "Entfernungen" stellt der Autor die englischsprachigen Songtexte der CD "In Close Distance" mit den zu Grunde liegenden deutschsprachigen Gedichten gegenüber.
Musikalisch steht nach dem Debütalbum "In Close Distance" (2019) das neue Album "Blossom And Gloom" in den Startlöchern. Nach den Worten des Musikers und Komponisten hat es einen eigenständigen Stil erhalten und ist zugleich durch eine künstlerische Pause geprägt. "Blossom And Gloom" bietet ruhige Kost nach Art eines Singer-Songwriters, der ausschließlich auf seine Gitarre setzt und auf Gastmusiker verzichtet. Das muss kein Nachteil sein und trägt dazu bei, dass seine eingängigen Melodien ankommen und beim Hörer wirken.
Gleichberechtigt neben den Melodien stehen für den Komponisten und Sänger die Texte. Seine Worte, die tief in Gefühlswelten eintauchen und in lyrischem Stil verfasst worden sind, beschreiben alles Zwischenmenschliche und gesellschaftliche Verfehlungen unserer Tage. Im speziellen Fall basiert das aktuelle Album auf Gedichten, die sich inhaltlich im Spannungsfeld zwischen Stillstand und Veränderung bewegen.
Den Kompositionen, die ihren Platz zwischen Singer-Songwriter-Spektrum, Acoustic-Indie und Folk Pop haben, darf man aufgrund der englischsprachigen Texte durchaus Entwicklungspotenzial auf internationalem Niveau zubilligen, wäre da aktuell nicht der ständige Vergleich mit Chris de Burgh. Schon nach dem zweiten Lied stellt sich für mich die Frage: Warum?
Der Anspruch Joe Bennicks wird es kaum sein, als Singer/Songwriter in volkstümlichen Sendungen zu singen. Grundsätzlich kommt Joe Bennick bodenständig und ehrlich rüber. Rockerherzen kann er mit seiner Musik nicht erobern.
In einem Radiointerview sagte er über sich und seinen Antrieb: »Musik gibt mir Halt und eine Stimme. Sie ist meine Sprache, um Gefühle verarbeiten zu können, tief in Momente einzutauchen und ganz Ich zu sein. Auch ermöglicht sie mir wertvolle und inspirierende Begegnungen mit anderen Menschen, erweitert so ständig meinen Horizont und trägt mich weiter.«
Der selbstbewusste Künstler hat seine Weichen in Richtung der musikalischen Ausrichtung bereits gestellt, indem er nach Art der Lagerfeuerromantik auf 'Bulli-Konzerte' setzt. Klangfarbe und Struktur der Musik sollte er unabhängig vom 72-Jährigen Iren de Burgh entwickeln. Die Kombination aus Musik und Lesung könnte sich unter Umständen als Alleinstellungsmerkmal entpuppen. Hier muss Joe Bennick selbst entscheiden, in welchem Rahmen er Lesekonzerte anbietet – ob als Bulli-Konzert oder als größeres Bühnenereignis.
Line-up Joe Bennick:
Joe Bennick (guitar)
Tracklist "Blossom and Gloom":
- Last Dance
- When Charlotte Talks
- Continental Drift
- Caroline
- Torn
- Facade For The Blind
- Drowning Man
- Northern Lights
Gesamspielzeit: 30:54, Erscheinungsjahr: 2021
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