Tja, was macht man nicht alles, wenn man sich im Lockdown befindet? Das ’normale' bzw. gewohnte soziale Leben kann – wenn überhaupt – nur noch deutlich begrenzt stattfinden und alleine um der Langeweile zu entgehen, kommt man dann auf Ideen. Die CCR-Legende John Fogerty hatte es sich zuhause mit seiner Familie (seinen Söhnen Shane und Tyler sowie seiner Tochter Kelsy) im hauseigenen Studio bequem gemacht. Was zunächst mit ein paar Video-Clips startete, machte dann immer mehr Spaß und wurde schließlich zu einem ganzen Album. "Fogerty’s Factory" erinnert natürlich nicht nur vom Namen, sondern auch vom ganz bewusst nachgestellten Cover an den Creedence-Klassiker Cosmo’s Factory aus dem Jahr 1970. Wer – wie der Rezensent – dachte, dass auf der neuen Platte die Songs der vorgenannten eins zu eins neu aufgenommen wurden, hat sich allerdings getäuscht. Was Neues gibt es hier zwar einerseits nicht, andererseits führen uns die Amerikaner durch ein Potpourri aus Fogertys kompletter Karriere.
Dazu kommen mit "City Of New Orleans" von Steve Goodman (jaja, auf Deutsch mal von Rudi Carrell zu "Wann wird’s mal wieder richtig Sommer" verwurstet) sowie "Lean On Me" von Bill Withers zwei Covernummern, was für den Amerikaner eher ungewöhnlich ist. Andererseits haben wir es hier aber auch mit einem ungewöhnlichen Album zu tun und beide Stücke fügen sich hervorragend in die Original-Tracks ein. Neben den CCR-Klassikern "Have You Ever Seen The Rain", "Proud Mary", "Fortunate Son" und "Bad Moon Rising" stehen dann auch noch Solo-Perlen wie Centerfield, "Hot Rod Heart" oder Blueboy auf der Tracklist, die nach wie vor nichts von ihrer Klasse verloren haben. Wenn man sich die Qualität der eingespielten Instrumente mal ganz nüchtern betrachtet, dann kommt man um den Verdacht nicht herum, dass ein gnädiges Vater-Herz hier so einiges durchgehen ließ, was den Bandleader und von Mitmusikern als Perfektionist gefürchteten John Fogerty im bereits erwähnten ’normalen' Leben in den Wahnsinn getrieben hätte.
Alles ein bisschen anders also. Wie natürlich auch die Stimme des Protagonisten, die – aus Altersgründen zwangsläufig – einerseits zwar nicht mehr ganz so kräftig wie früher ist, andererseits aber immer noch bewundernswert überzeugen kann. Respekt! Sehr schön kommt das von der Country-Musik angehauchte "Blue Moon Nights" mit einer super Gesangslinie und einem typischen Creedence-Rhythmus-Gitarren-Solo. Ebenfalls nicht ganz so bekannt dürfte "Tombstone Shadow" sein. Dennoch verfügt der Track über (was auch sonst?) alle klassischen Fogerty-Charakteristiken. Unverkennbar. Und schließlich ist da noch das die Platte abschließende "Don’t You Wish It Was True", ein locker-beschwingtes Stück mit irgendwie tröstendem und optimistischem Ausdruck gegen Krieg sowie Rassismus und ein Pladoyer für die Menschlichkeit. Ein gelungener Closer.
Selbstverständlich darf man sich die Frage stellen, wie oft man sich seit teilweise über fünfzig Jahren immer wieder im Radio gespielte Stücke wie etwa "Proud Mary" oder "Bad Moon Rising" noch anhören kann. Auf der anderen Seite klingen alle diese alten (und neueren) Klopper selbst auf dieser neuen Scheibe immer noch frisch und … ja, sie machen nach wie vor Spaß. Hier dann auch mal in der Akustik-Variante, was aufgrund der Abwechslung natürlich ein Plus darstellt. Ob man "Fogerty’s Factory" nun tatsächlich im Schrank stehen haben muss, darf natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Fest steht, dass diese Platte niemandem weh tun wird. Offen ist die Frage, ob man sich nicht doch lieber die Original-Versionen zu Gemüte führt.
Line-up John Fogerty:
John Fogerty (guitars, harmonica, lead vocals)
Shane Fogerty (guitars, bass, background vocals)
Tyler Fogerty (guitars, bass, keyboards, background vocals)
Kelsy Fogerty (guitars, drums)
Tracklist "Fogerty’s Factory":
- Centerfield
- Have You Ever Seen The Rain
- Lean On Me
- Hot Rod Heart
- Blue Moon Nights
- Tombstone Shadow
- City Of New Orleans
- Proud Mary
- Blueboy
- Bad Moon Rising
- Fortunate Son
- Don’t You Wish It Was True
Gesamtspielzeit: 42:20, Erscheinungsjahr: 2020
4 Kommentare
Zum Kommentar-Formular springen ↓
Wolfgang
29. November 2020 um 12:33 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Markus,
eine für meinen Geschmack doch recht wohlwollende Kritik über eine Scheibe,bei der ich mich frage, wer das hören mag oder braucht. Coverversionen der alten Creedence-Songs gibt es zur Genüge. Meist allesamt besser als das vom Komponisten auf dieser Scheibe höchstpersönlich neu interpretierte. Das retten auch die Familienmitglieder nicht mehr.
Das sagt – ein Creedence-Hörer seit der ersten Stunde.
Meinen ganz persönlichern Kommentar habe ich in einer eigenen Rezi verfasst. Bei Interesse, hier entlang">
LG,
Wolfgang
Markus Kerren
30. November 2020 um 18:11 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Wolfgang,
deine Meinung – die sich ja eigentlich gar nicht von meiner unterscheidet – in allen Ehren. Dass ich diese Platte ebenfalls kritisch sehe, zieht sich ja nicht nur durch das gesamte Review, sondern wird auch im letzten Absatz nochmal zusammengefasst. Falls das nicht rüberkommt, habe entweder ich falsch geschrieben, oder du falsch gelesen. Man muss ja nicht immer gleich (hast du ja auch nicht) mit dem Vorschlaghammer draufhauen.
Dass Fogertys Stimme nicht mehr so klingen kann wie vor fünfzig Jahren, sollte eigentlich selbstverständlich sein und der einzige Grund für dieses Album war meiner bescheidenen Meinung nach die riesengroße Resonanz, die es auf die YouTube-Videos gab. Mit über Siebzig nochmal ein bisschen Geld verdienen… wer will das nicht und wem will man das verübeln? Denn sich selbst oder anderen beweisen – und ich glaube da sind wir uns auch einig – muss sich der gute John schon lange nichts mehr. Dennoch bleibe ich dabei, dass diese Tracks immer noch Spaß machen, selbst wenn die Originalaufnahmen selbstverständich deutlich besser sind.
In diesem Sinne beste Grüße,
Markus
Manni
5. Dezember 2020 um 21:49 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Wolfgang,
Deiner Rezi kann ich nur zustimmen! Wenn du wie ich ein CCR-Hörer der ersten Stunde bist, haben wir das gemeinsam.
Ich selbst halte dieses "Projekt" – wie Markus ja auch, aber hinter freundlichen Worten versteckt – für eine Geldbeschaffungsmethode, schon weil das Coverbild des Klassikers "Cosmo’s Factory" von 1970 imitiert wird. Dass nicht ein einziger Song dieses legendären Album hier zu finden ist… hat leider niemand erwähnenswert gefunden. Na ja, sei’s drum!
Mein Anliegen liegt aber neben der Authenzität der originalen CCR (die natürlich in Bezug auf Blues/Swamp und andere Vorbilder selbst hinterfragbar ist), in der politischen Aussage jener Zeit mitten im Vietnam-Krieg und die war oft erfreulich deutlich.
Dazu mein eigener Senf: https://www.rocktimes.info/Archiv/gesamt/c/creedence_clearwater_revival/platinum.html
Jakob Niklaus
23. November 2020 um 11:20 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Markus
Sicher alles richtig geschrieben, und zu allen Songs gibt es auf YouTube noch ein Video. Ich finde es dann ganz toll zu sehen wie JF
mit seinen Kindern musiziert.
Also ich mit meine 67J. habe das ja alles xxxxx Hundertmal gehört, aber wenn ich ganz ehrlich bin : Ich höre die alten Kracher noch heute sehr gerne
CCR/ Fogerty für meine Ewigkeit ein muss.
Alles Gute
Bleib gesund.