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John Hartford / Steamboat Whistle Blues – Live In Bremen 1977 – CD-Review

John Hartford - "Steamboat Whisle Blues - Live In Bremen 1977" - CD-Review

Wir wollen gar nicht zu tief in die Vergangenheit abtauchen, wenn es um die Geschichte des amerikanischen Multiinstrumentalisten und Sängers John Hartford geht. Ein guter Zeitpunkt wäre das Jahr 1968 – The Byrds waren zu jener Zeit nach den Abgängen von Gene Clark, David Crosby sowie Michael Clarke zu einem aus Roger McGuinn und Chris Hillman bestehenden Duett geschrumpft. Der nächste Neuzugang war dann Gram Parsons und während die ersten kreativen Säfte bei dem Trio bereits flossen, wurde Kevin Kelley als neuer Schlagzeuger verpflichtet. In dieser Besetzung entstand das bahnbrechende Album "Sweetheart Of The Rodeo" – aber nicht nur die neu zusammen gesetzte Combo war beteiligt, denn natürlich wurden dafür auch zusätzliche Studiomusiker bzw. Spezialisten wie etwa JayDee Maness (pedal steel), der legendäre Gitarrist Clarence White, der Pianist Earl P. Ball und eben auch ein junger Musiker namens John Hartford eingesetzt.

Für Hartford, der sich keinem Bandgefüge unterordnen wollte, kam es jedoch nicht in Frage mit der Band auf Tour zu gehen, geschweige denn Mitglied bei den Byrds zu werden. Viel lieber arbeitete er alleine als Songwriter (Glen Campbell hatte mit der Hartford-Nummer "Gentle On My Mind" einen Riesenhit), als Session-Musiker oder nahm Soloalben auf. John Hartford kam Zeit seines Lebens nur selten nach Europa, Anfang 1977 war dies jedoch der Fall. Im Verlauf dieses Besuchs wurde am 28. Februar 1977 ein Konzert des Amerikaners von Radio Bremen mitgeschnitten, das nun in hervorragender Soundqualität noch einmal erschienen ist. Besagte Show bestritt der Protagonist solo, sprichwörtlich als Alleinunterhalter. Satte 19 Tracks (dreiviertel davon Eigenkompositionen) in satten 78 Minuten werden hier geboten und selbst wenn es einem nicht selbst auffallen würde, hört man an den Publikums-Reaktionen, welche Begeisterung an diesem Abend unter den Anwesenden herrschte.

Ein Mann, seine Stimme und seine Instrumente … namentlich Gitarre, Violine und Banjo, versehen mit jeder Menge Foot Tapping sowie Gesang bestimmen die hier gebotene Mischung. Beherrscht hat er alle drei Arbeitsgeräte, während er sie abwechselnd für Songperlen wie etwa "Salty Dog Blues", "A Simple Thing As Love" "Orange Blossom Special" oder das bereits erwähnte "Gentle On My Mind" einsetzte. Sicherlich Geschmackssache, aber mir persönlich ist die Violine manchmal einfach 'zu viel', während Banjo und Gitarre authentisch und direkt aus den Sümpfen des Mississippi tranportiert worden zu sein scheint. Sicherlich ebenfalls Geschmackssache, aber am Unglücklichsten empfinde ich das Stück "Don’t Leave Your Records In The Sun". Denn hier haben wir es mit eher altbackenem Redneck-Humor (wenn das Thema auch ein banales ist) zu tun, der möglicherweise 1977 noch lustig war, mir heute aber eher Falten ins Gesicht zieht. Auch die etwas hektischen Atemübungen bei "Tryin' To Do Something To Get Your Attention" erscheinen (wahrscheinlich im Gegensatz zum Live-Erlebnis vor Ort) eher weniger gelungen.

Aber wie dem auch sei, aufgrund der großen Überzahl an großartigen Songs ist "Steamboat Whistle Blues – Live In Bremen 1977" ein durchaus gelungenes und cooles Album, in das jeder geneigte Country-, Bluegrass- und Folk-Fan mal reinhören sollte. Außer den bereits genannten Tracks empfehle ich für ein erstes Anchecken die Titel "Nobody Eats At Linebaugh’s Anymore", "Skippin' In The Mississippi Dew", den Titeltrack sowie "Up On The Hill Where They Do The Boogie".

John Hartford erlag im Jahr 2000 seiner Krebserkrankung. Einige seiner Songs wurden posthum als Soundtrack für den preisgekrönten Film "O Brother, Where Art Thou?" verwendet.


Line-up John Hartford:

John Hartford (guitar, banjo, violin, tapping, vocals)

Tracklist "Steamboat Whistle Blues …":

  1. Buffalo Gals
  2. Skippin' In The Mississippi Dew
  3. Don’t Leave Your Records In The Sun
  4. Gentle On My Mind
  5. I Would Not Be Here
  6. Waugh Paugh
  7. Nobody Eats At Linebaugh’s Anymore
  8. Salty Dog Blues
  9. Turn Your Radio On
  10. Orange Blossom Special
  11. Granny Wontcha Smoke Some Marihuana
  12. A Simple Thing As Love
  13. Tryin' To Do Something To Get Your Attention
  14. You Know, You Know
  15. Steamboat Whistle Blues
  16. My Rag
  17. Let Him Go On, Mama
  18. Up On The Hill Where They Do The Boogie
  19. (Good Old Electric) Washing Machine

Gesamtspielzeit: 78:30, Erscheinungsjahr: 2021 (1977)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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