Von den drei zusammen mit Yoko Ono aufgenommen und schon als sehr speziell einzuordnenden avantgardistischen Platten mit dem Namen "Unfinished Music" (von denen wir immerhin die ersten beiden Volumes vorstellen konnten) mal abgesehen, erschien noch im Jahr 1970 das erste und nach Meinung des Rezensenten beste Soloalbum John Lennons mit dem Namen Plastic Ono Band. 1971 schloss sich der große Erfolg Imagine an, bevor sich der Ex-Beatle mit dem sehr politischen "Sometime In New York City" (1972) weder thematisch, noch musikalisch einen großen Gefallen tat. Noch bevor es an die Aufnahmen zum nächsten Werk ging, erfolgte eine (wie wir heute wissen) vorübergehende Trennung von seiner besseren Hälfte Yoko. Unfreiwillig. Sogar sehr unfreiwillig, was den guten John betraf. Und wie es nun mal so seine Art war, verarbeitete er diese Krise, die zwar stramme 18 Monate dauerte, von ihm scherzhaft aber als »Verlorenes Wochenende« bezeichnet wurde und in die Geschichte einging, in seinen Songs. Original erschien die Platte "Mind Games" im Oktober 1973 und erntete seinzeit eher lauwarme bis schlechte Kritiken.
Teilweise auch heute noch nachvollziehbar, wobei die Scheibe dann doch deutlich besser ist, als ihr Ruf. Wie so oft trug Lennon sein Herz mal wieder auf der Zunge, was mitunter auch mal als 'ein bisschen zu viel' empfunden werden kann. Auf der Haben-Seite stehen dagegen richtig gute Songs wie beispielsweise der Titeltrack, "Out The Blue", "Asiumasen (I’m Sorry)", "Bring On The Lucie (Freda Peeple)" oder "I Know (I Know)". Für die Aufnahmen konnte er sich den Spitzen-Drummer Jim Keltner sichern, 'Sneaky' Pete Kleinow (u. a. Ex-The Flying Burrito Brothers) war an der Pedal Steel im Einsatz und für die gitarristischen Feinheiten hatte er David Spinozza verpflichtet. Der Song "Mind Games" ist ja auf so ziemlich jeder "Best Of" Lennons vertreten und außer nochmal zu betonen, dass wir es hier mit einer richtig guten Nummer zu tun haben, braucht wohl nicht mehr weiter darauf eingegangen zu werden. Der von der Platzierung her letzte sehr starke Track ist "I Know (I Know)", der durch ein cleveres Arrangement und starke Melodien besticht.
'Sneaky' Pete ist zwar nur auf fünf der Songs vertreten, verleiht damit aber der kompletten Scheibe vom Bauchgefühl her einen nicht weg zu diskutierenden Country-Vibe. Am effektivsten bei "Bring On The Lucie (Freda People)", für das er eine wunderschöne Atmosphäre kreiert. Der Text hätte auch gut zu "Sometime In New York City" gepasst, wirkt zwar engagiert, allerdings auch positiv-naiv. Um zu den schwächeren Stücken zu kommen, können auch heute "One Day (At A Time)", "Only People" sowie "You Are Here" nicht überzeugen und liegen auch vom Songwriting gesehen unter dem einst betonierten Lennon-Standard. Das abschließende "Meat City" ist dann auch keine Großtat, sondern mutet eher wie ein Füller der Marke »Wir brauchen nnoch einen schnellen Song, lasst uns noch einen Rocker aufnehmen!« an, der in letzter Sekunde zusammengezimmert wurde.
Auf dem zweiten Silberling dieser 2CD-Ausgabe (die es übrigens auch in den Formaten 2LP bis hin zu einem Deluxe Box-Set mit 6CDs und 2 Blu-ray-Discs mit sehr viel mehr Bonus-Material, darüber hinaus in einer Super Deluxe Edition mit einer limitierten Auflage von nur 1 100 Exemplaren weltweit gibt) findet man dann Outtakes bzw. die Album-Songs im Entwicklungs-Prozess. Für den Fan sicherlich interessant, ansonsten eher ein 'Nice to have', statt existenziell.
"Mind Games" ist beileibe kein schlechtes Album, wenn John Lennon auch sowohl davor ("Plastic Ono Band" sowie "Imagine"), als auch danach ("Walls And Bridges", 1974) bessere Platten abgeliefert hat. In erster Linie ist es nach jeder Menge politischem Aktivismus (auf "Sometime In New York City" sowie diversen Singles) eine Rückkehr zu John, dem Menschen. Seinen Gefühlen, seiner Liebe, seinen Ängsten und Hoffnungen. Im Prinzip also ein eher leiseres Album, das neben anderen Werken, dem Bauchgefühl des Rezensenten nach, immer ein bisschen untergeht. Dafür sind die guten Tracks dann aber richtig stark!
Line-up John Lennon – CD 1:
John Lennon (acoustic-, electric & slide guitars, electric piano, clavinet, tambourine, maracas, Mellotron, conga, handclaps, lead vocals)
David Spinozza (lead guitars, acoustic guitar – #8)
Ken Ascher (piano, electric piano, organ, reed organ, Mellotron)
Sneaky Pete Kleinow (pedal steel guitar)
Gordon Edwards (bass)
Jim Keltner (drums, cowbell)
With:
Rick Marotta (bongos – #4, additional drums – #12)
Michael Brecker (saxophone – #7,9,10)
Christine Wiltshire (background vocals)
Jocelyn Brown (background vocals)
Kathy Mull (background vocals)
Angel Coakley (background vocals)
Tracklist "Mind Games":
- Mind Games
- Tight A$
- Aisumasen (I’m Sorry)
- One Day (At A Time)
- Bring On The Lucie (Freda Peeple)
- Nutopian International Anthem
- Intuition
- Out The Blue
- Only People
- I Know (I Know)
- You Are Here
- Meat City
- Mind Games (take 7)
- Tight A$ (take 6)
- Aisumasen [I’m Sorry] (take 2)
- One Day [At A Time] (take 18)
- Bring On The Lucie [Freda Peeple] (take 15)
- Declaration Of Nutopia (take 1)
- Intuition (take 12)
- Out The Blue (take 15)
- Only People (take 12)
- I Know [I Know] (take 22)
- You Are Here (take 5)
- Meat City (take 16)
Gesamtspielzeit: 41:40 (CD 1), 42:05 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2024 (1973)
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