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John Mayall – Konzertbericht, 24. 3. 2017, Wizemann Areal, Stuttgart

John Mayall: Er gilt vielen als Vater des 'weißen Blues'. 1933 wurde er in Macclesfield, einer englischen Kleinstadt nahe dem Industriezentrum Manchester, geboren. Als ältester von drei Arbeiterkindern wuchs er im Schatten des 2. Weltkrieges mit der Jazz-Sammlung seines Gitarre spielenden Vaters auf. Bald wurde er selbst zum gefeierten Star. Aber auch heute noch ist Mayall jener zeitlosen Musik treu geblieben, die ihn als junger Mann geprägt hat, dem Blues. Als Autodidakt brachte er sich selbst seine großen Fähigkeiten an Gitarre, Mundharmonika und Klavier bei. Was der Wahnsinn ist: Auch als über 80-jähriger hat Mayall bis heute noch Spaß – so auch am 24. März 2017 im Stuttgarter Club Wizeman.

Ich gebe es unumwunden zu, denn es hat eindeutig schon größere Line-ups gegeben, mit denen der legendäre britische Bluesmusiker John Mayall sich auf den Bühnen dieser Welt die Ehre gegeben hat. Für immer vorbei sind die Zeiten der legendären Bluesbreakers, die John Mayall in ungeahnte musikalische Höhen getragen haben. Mayall tritt heute auch nicht mehr mit den ganz Großen des Musikbusiness auf, wie es unter der früheren Formation der Fall war. Denn damals gaben sich unter anderem klangvolle Namen wie Eric Clapton, John McVie (Fleetwood Mac) und Mick Taylor (Ex-Rolling Stones) die Klinke bei Mayall in die Hand – was für ein großes Kino.

Das Wizemann Areal in Stuttgart ist ein recht kleiner Club, der maximal 500 Zuschauer umfasst. Das Wizemann besitzt den rustikalen Charme einer Industriehalle, verfügt aber über eine gute Akustik. Der Hammer, denn eine kleine Sensation gibt es schon vor der Show: Mayall sitzt am Eingang der beinahe ausverkauften Halle und signiert eigenhändig seine neue CD "Talk About That – Forty Below". Ich empfinde das als einen bodenständigen Akt der Demut vor seinen Fans. Dann erklimmt er die Bühne und rockt mit seinem Bassisten Greg Rzeb und dem Drummer Jay Davenport gehörig die Bude. Sein Opener "Big Town Playboy" von Eddy Taylor versetzt das leicht angegraute und in die Jahre gekommene Publikum bereits in ziemliche Begeisterung.

Mayall dominiert seine deutlich jüngeren Bandmitglieder trotz der unglaublichen 83 Jahre. Er spielt einfach alles: die Bluesgitarre, Keys und Bluesharp. Dazu singt er mit einer für sein Alter unglaublich kraftvollen Stimme, die aufgrund ihrer Tiefe, ihres Volumens und ihrem Hall wie für den Blues gemacht zu sein scheint. Und spätestens in der Mitte des Sets hat er meines Erachtens das sonst nicht immer einfach zu begeisternde Stuttgarter Publikum am Haken.
Der den Alkoholmissbrauch thematisierende Song "Gime Me One More Day" leitet zu den Highlights der Show über. Mayall kündigt stolz "Blues For The Lonely Days" an und geht dabei in die Vollen. Er spielt den Song mit allen ihm zur Verfügung stehenden Instrumenten und erscheint mir dabei vitaler wie so mancher 40-jährige Rockstar zu sein. Als »turning point« kündigt er das letzte Stück "California" an, in dem er kraftvoll die Bluesharp spielt, die sich mit seinen Künsten an den Keys abwechselt. Bei dieser Nummer räumt er trotz seinem hohen Maß an Dominanz zum ersten Mal seinem Bassisten mit einem mehrminütigen, spacigen Solo gebührend Raum ein. Die Zugabe "Room To Move" dominiert Mayall mit einem extralangen Bluesharp-Solo der Extraklasse und einer spontanen Ein-Mann-A-Capella-Einlage, die es so in unserem, doch mitunter steril gewordenen Rockbusiness heute auf dem professionellen Level nur noch selten gibt und die deshalb umso erfrischender wirkt.

Die Altrocker und Bluesfans gewähren Mayall den ihm gebührenden minutenlangen Respekt, den der 83-jährige nicht nur meiner Meinung nach allemal verdient hat. Und nach der Show setzt er sich wieder demütig an den Eingang und signiert weiter CDs. Einfach unglaublich, dieser John Mayall, finde ich!


Line-up John Mayall:

John Mayall (vocals, bluesharp, keys, guitar)
Greg Rzeb (bass)
Jay Davenport (drums)

Über den Autor

Dr. Stefan Schweizer

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