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John Mellencamp / Plain Spoken: From The Chicago Theatre – CD & DVD-Review

John Mellencamp - "Plain Spoken: From The Chicago Theatre" - CD & DVD-Review

John Mellencamp, der in den letzten Jahrzehnten auch mal unter den Namen John Cougar, Johnny Cougar oder John Cougar-Mellencamp firmierte, lief dem Verfasser dieser Zeilen erstmals Ende der achtziger Jahre über den Weg. Sprichwörtlich natürlich und dennoch war ich von dem Song "A Little Night Dancin'" (von der Scheibe "John Cougar", 1979) sowie dem Album "American Fool" (1982) schwer beeindruckt. Unvergessen ist natürlich auch die Eröffnung des Konzertabends zu Bob Dylans dreißigjährigen Jubiläum bei Columbia Records mit dem Song "Like A Rolling Stone" und dennoch habe ich den aus dem US-Bundesstaat Indiana stammenden Musiker eigentlich immer nur aus den Augenwinkeln verfolgt. Mit Sympathie zwar, die allerdings nie so groß war, dass ich mir weitere Werke Mellencamps zulegte. Aber wirklich an ihm vorbei kam man aufgrund Hits der Marke "Hurts So Good", "Jack And Diane", "Small Town", "Pink Houses" oder "Rain On The Scarecrow" eigentlich nie so wirklich.

Nachdem Mellencamp im Jahr 1994 einen Herzinfarkt erlitten hatte, ließ er es zunächst für ein paar Jahre etwas ruhiger angehen. Seit 1996 veröffentlicht das Arbeitstier jedoch wieder unermüdlich seine Alben, ist nebenbei Schauspieler und Maler. Im Oktober 2016 wurde ein Konzert gefilmt, das vor wenigen Wochen das Licht der Welt erblickte. Sowohl auf CD als auch DVD (oder wahlweise Blu-ray) festgehalten, präsentiert er hier einen feinen Querschnitt durch seine Karriere, ließ aber auch Tracks vom Stapel, die damals noch gar nicht veröffentlicht waren. Mellencamp hat eine superstarke Band am Start, vom Äußeren her wirkt ein bisschen… roh. Zumindest sieht er so aus, als hätte er schon so einiges durch im Leben. Was übrigens ganz hervorragend zu seiner rauen Stimme passt, mit der er seine Stories aus dem amerikanischen Alltag, aber auch persönliche Geschichten erzählt. "The Full Catastrophe" fällt mit Einflüssen aus dem Jazz etwas aus dem Rahmen und hätte ohne weiteres auf einem Tom Waits-Album der Siebziger stehen können. Klasse gemacht und gebracht.

Erstaunlich ist, wie vielfältig der Amerikaner seine Songs gestaltet. Da ist von Rock, über Americana, Singer/Songwriter bis hin zu Country so ziemlich alles vertreten. Apropos Country, "My Soul’s Got Wings" ist ein Duett mit Carlene Carter (Stieftochter von Johnny Cash und Tochter von June Carter-Cash aus deren erster Ehe), das tief in diesem Genre verwurzelt ist, aber sehr flott gebracht wird. Miss Carter sieht ihrer Mutter dabei nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich, auch die Bewegungen sowie Bühnenpräsenz sind frappierend ähnlich. Die Tracklist ist superb und sowohl die CD als auch DVD extrem kurzweilig, sodass man sie immer wieder gerne auflegt. Die Gitarrenarbeit von Andy York sowie Mike Wanchic ist auf ganz hohem Level angesiedelt, die Rhythmus-Abteilung ein Pracht-Exemplar für souveräne Lässigkeit und für die besonderen Töne sorgen Miriam Sturm (Fiddle) sowie Troye Kinnett an den Keyboards, am Akkordeon und der Harmonika.

Die DVD kann man sich auf zwei unterschiedliche Arten anschauen. Einmal als reines Konzert oder dasselbe nochmal, allerdings mit Kommentaren von John Mellencamp versehen. Die zweite Variante ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, wenn man sich aber auf die von ihm erzählten, manchmal sehr tiefgehenden und (mal vorausgesetzt) ehrlichen Geschichten aus seinem Leben konzentriert, dann bekommt man hier nochmal einen sehr tiefen Einblick in die Vita des Künstlers. Er erzählt von seiner Kindheit, seiner sehr problematischen Zeit als Teenager, den Beginn seiner Karriere, den erst Jahre später einsetzenden Erfolg, aber auch davon welche Nachteile einem dieser im täglichen Leben bringen kann. Natürlich sollte man dafür aufgrund der fehlenden deutschen Untertitel des Englischen einigermaßen mächtig sein, aber wenn dem so ist, dann bekommt man hier so einige zusätzliche spannende Geschichten auf die Ohren.

Fazit: Eine rundum gelungene Angelegenheit, die einen Künstler zeigt, der mit den Jahren etwas ruhiger geworden ist, scheinbar aber noch lange nicht alle seine Dämonen bezwungen hat. Denn selbst wenn der Aktions-Radius von John Mellencamp und seiner Band auf der Bühne nicht sonderlich groß ist, so merkt man dem Protagonisten nach wie vor an, wie viel Power, Aggressionen und weitere Gefühle in ihm stecken, die einfach raus müssen, damit er nicht wahnsinnig wird. Tolle Geschichte!


Line-up John Mellencamp:

John Mellencamp (guitars, lead vocals)
Mike Wanchic (guitars, background vocals)
Andy York (guitars, background vocals)
Miriam Sturm (fiddle)
Troye Kinnett (keyboards, accordion, harmonica)
John Gunnell (bass)
Dane Clark (drums)

With:
Carlene Carter (lead vocals – #10)

Tracklist "Plain Spoken: From The Chicago Theatre" (CD & DVD):

  1. Lawless Times
  2. Troubled Man
  3. Minutes To Memories
  4. Small Town
  5. Stones In My Passway
  6. Pop Singer
  7. Check It Out
  8. Longest Days
  9. The Full Catastrophe
  10. My Soul’s Got Wings
  11. Overture
  12. Rain On The Scarecrow
  13. Paper In Fire
  14. Authority Song
  15. Pink Houses
  16. Cherry Bomb

Gesamtspielzeit: 72:11 (CD), 80:00 (DVD), Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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