Die Alben von Judas Priest stehen in bester Tradition miteinander, weil ihnen in beständiger Regelmäßigkeit nachgesagt wird, dass das jeweils neueste Werk zugleich das beste sei. Ungeteilte Zustimmung fand insbesondere "Painkiller" (1990), weil die Band damit das wohl härteste Album ihrer Karriere hinlegte. Die Jahre von 1997 bis 2003 mit dem neuen Sänger Tim 'Ripper' Owens, der den damals vorübergehend solistisch abgewanderten Rob Halford vertrat, waren aus musikalischer Sicht keine schlechte Zeit, doch der neue Mann am Mikro spaltete die Fans.
Mit "Angel Of Retribution" (2005) meldete sich Halford als Sänger bei Priest zurück. Alles stand wieder auf null. Robert Halford war längst zur Ikone des Heavy Metal gereift. Eine Identifikationsfigur. Für viele ist er heute sogar der Inbegriff des Heavy Metal schlechthin. Mit dem 18. Studioalbum "Firepower" (2018) beschenkte sich die Band zum 50. Gründungsjubiläum selbst. Die Party hätte noch länger dauern können, hätte zwei Jahre später nicht eine irre Pandemie angeklopft. Seit 1969 schlägt das Herz der in Birmingham gegründeten Formation Judas Priest. "Firepower" ebnete den Briten den höchsten Chart-Einstieg. In der deutschen Longplay-Liste gab es dafür einen hervorragenden zweiten Platz. Wieder galt: Medien und Fans feierten das Album gleichzeitig in höchsten Tönen. Diese Bilanz ist Teil einer Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Mehr noch: Dank Judas Priest & Co. ist Heavy Metal längst salonfähig.
Ist all das im Fall Judas Priest noch zu toppen, wenn ein heute 72-jähriger Sänger aus dem Lager des Heavy Metal mit seiner motivierten Truppe anno 2024 ein neues Album auflegt? Bei "Invincible Shield" geht es weniger um Superlative, sondern vielmehr um bodenständige, ehrliche Arbeit auf handwerklich höchstem Niveau. Das lässt schon der erste Durchlauf deutlich erkennen.
Rob Halford, um weiterhin beim Frontmann zu bleiben, weiß, was er seinen Fans schuldig ist. Dies betont er bei öffentlichen Auftritten und Konzerten immer wieder. Auf "Invincible Shield" jagt ein musikalisches Brett das andere. Anschnallen und festhalten. Hier bleibt garantiert kein Auge trocken. "Panic Attack" gilt für die Zuhörer im positiven Sinne. Im Opener allein steckt alles, was Priest über 55 Jahre ausmacht. Ihm folgen viele Kompositionen des gleichen Kalibers mit einer Gesamtspielzeit von reifen 53 Minuten.
Judas Priest ist immer auch ein Mix aus Tradition und Moderne. Das soll heißen: Wo Priest drauf stehen, steckt unmissverständlich Judas Priest drinnen. Dafür sorgt allen voran Robert Halford mit seiner einzigartigen Stimme. Die Gitarrenduelle und die unermüdliche Arbeit der starken Rhythmusgruppe sind Markenzeichen einer Band, die im Grunde genommen von einem anderen Stern kommt…
Immerhin war es 2022 soweit: Namentlich die vier Bandmitglieder Rob Halford, Glenn Tipton, Ian Hill und Scott Travis wurden in die berühmte Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen. Die Laudatio hielt Schockrocker Alice Cooper.
Tradition und Moderne heißt außerdem, dass Judas Priest gerne einmal etwas Neues ausprobieren. Unvergessen war 1986 das Album "Turbo". Was hagelte es nach dem Einsatz von Gitarrensynthesizern nicht für Prügel? Heute darf der Titeltrack des Albums in keinem Konzert fehlen und erinnert verdammt an den Titelsong des neuen Albums! Livemitschnitte auf Konserve zeigen vielmehr, wie beliebt gerade "Turbo" bei den Fans ist. Es ist eine Art Erkennungsmelodie, derer es bei Judas Priest viele gibt. Dazu taugt auch die Auswahl auf "Invincible Shield". Ein solcher Kandidat ist beispielsweise "Devil In Disguise". "Gates Of Hell" könnte allein schon dem Namen nach ein Klassiker werden.
Das Motto auf "Invincible Shield" könnte lauten: Wir holen den Dampfhammer raus. Das machen die Priester gewöhnlich immer, doch der volle Einsatz zeichnet den aktuellen Longplayer aus. Es ist eine Produktion ohne Fehl und Tadel, bei der die beschriebenen Markenzeichen der Band in bester Weise zum Vorschein kommen. Produzent und Tourgitarrist Andy Sneap hat wieder alle Register gezogen, um einen solchen Feinschliff zu ermöglichen. Apropos Gitarren: Der seit einigen Jahren an Parkinson erkrankte Glenn Tipton, der seit 1974 Judas Priest angehört, ist neben Bassist Ian Hill das einzige Bandmitglied, das auf allen bisherigen 19 Studioalben zu hören ist. Vor ihm ziehe ich meinen Hut!
Angesichts der gesamten Vorstellung auf "Invincible Shield" gilt nur eines: Tiefe Verbeugung dank einer Meisterleistung! Plus pure Vorfreude auf das (ausverkaufte) Live-Konzert am 24. März 2024 in Frankfurt/Main. Mit dabei sind an diesem Abend die Kollegen von Saxon und Uriah Heep.
Anspieltipps: "Devil in Disguise", "Gates Of Hell", "Trial By Fire"
Line-up Judas Priest:
Rob Halford (lead vocals)
Glenn Tipton (guitars, backing vocals, recording and occasional live)
Richie Faulkner (guitars, backing vocals)
Ian Hill (bass)
Scott Travis (drums, backing vocals)
Tracklist "Invincible Shield ":
- Panic Attack (5:26)
- The Serpent And The King (4:20)
- Invincible Shield (6:21)
- Devil in Disguise (4:47)
- Gates Of Hell (4:38)
- Crown Of Horns (5:46)
- As God Is My Witness (4:37)
- Trial By Fire (4:21)
- Escape From Reality (4:25)
- Sons of Thunder (2:59)
- Giants In The Sky (5:04)
Gesamtspielzeit: 52:44, Erscheinungsjahr: 2024
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