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Julian Vignoles / Rory Gallagher – Der Mensch hinter der Gitarre – Buch-Review

Julian Vignoles / Rory Gallagher – Der Mensch hinter der Gitarre

"Rory Gallagher – Der Mensch hinter der Gitarre" ist die nunmehr dritte Veröffentlichung des aus Irland stammenden Autors Julian Vignoles. In den 70ern arbeitete er für Hot Press, anschließend über 30 Jahre lang als Produzent für Musiksendungen, Dokumentationen und Unterhaltungsshows für die Funk- und Fernsehprogramme des irischen Senders RTÉ.

Wenig, oder besser gesagt fast nichts ist bekannt über den genialen Gitarristen Rory Gallagher, wenn es um sein Privatleben geht. Was für ein Mensch war er, der Mann der in erster Linie für die Musik lebte, den Blues liebte? Der Autor bringt es passend auf den Punkt: »Gallaghers Privatleben, oder sein Leben jenseits der Musik, ist ein Rätsel. Er ist Gesprächen zu diesem Thema aus dem Weg gegangen […].«
Selbst Gerry McAvoy, der Rory 20 Jahre lang als Bassist begleitete, schrieb in seinem Buch On The Road – Mein Leben mit Rory Gallagher und Nine Below Zero über Rory als »ein von einem Mysterium umgebenes Rätsel«.

Aber nicht nur das: Wenn man das Buch durchgelesen hat, hat man den Eindruck, es mit zwei verschiedenen Menschen zu tun zu haben.
Auf der einen Seite wird Gallagher als netter, höflicher, sanfter, zuvorkommender, ja manchmal sogar schüchterner Typ beschrieben. Man könnte auch sagen, dass er hinter der Bühne eher 'zugeknöpft' war. Er selbst sagt von sich: »Ich bin ein zurückgezogener Mensch, nicht nur, was die Medien angeht, sondern auch meine Freunde. Nicht mal mit ihnen rede ich über meine Beziehungen oder Gefühle.«
Lediglich in seinen Songtexten öffnete er sich, beschrieb, was ihn bewegte, woran er dachte, was er fühlte.

Andererseits erzählt McAvoy, »[…] dass er einen mehr auf die Palme bringen, frustrieren und verärgern konnte als die meisten Leute, die man jemals kennenlernt«. Um seine musikalischen Ziele als Solokünstler zu erreichen, zeigte er sich schon mal kompromisslos und willensstark, feuerte Musiker, wenn sie seinen Vorstellungen nicht entsprachen oder kontraproduktiv waren und tauschte sie aus.
Sobald er im Rampenlicht stand, zeigte er sich auch von seiner extrovertierten Seite, ja er explodierte förmlich, er lebte die Musik auf der Bühne.

Sicherlich wird so manch ein Fan überrascht darüber sein zu erfahren, dass Rory sein ganzes Leben lang ein frommer Katholik war, aber auch zunehmend abergläubisch gewesen ist. Weniger überraschend ist jedoch die Tatsache, dass er ein sehr bescheidener, genügsamer Mensch war.

Schon als Kind stand für ihn felsenfest, er wollte Gitarrist werden, spielte als 15jähriger Teenager bereits in einer Coverband mit seiner, später berühmt gewordenen, abgewetzten ’61er Stratocaster.
Im Jahr 1966 gründete Gallagher mit Norman Damery (Schlagzeug) und Eric Kitteringham (E-Bass) Taste, deren Auflösung 1968 erfolgte. Danach gab es noch einmal eine Neuauflage der Band mit neuen Musikern. Doch 1970 forcierte Rory seine Solokarriere und von da an war er der Boss in der Band. Er entschied und dabei konnte er oft genug richtig starrköpfig sein. Das bekamen nicht nur seine Bandkollegen, sondern auch sein Bruder und späterer Manager Donal sowie sein Plattenlabel zu spüren.

Ob seine Entscheidungen falsch waren (zum Beispiel auf Single-Veröffentlichungen zu verzichten – aber das taten Led Zeppelin damals ebenfalls, ohne deshalb Nachteile zu erfahren), ob es daran lag, dass andere musikalische Stilrichtungen wie Pilze aus dem Boden schossen und das Zepter übernahmen oder ob Rory selbst seinen Zenit überschritten hat, wir wissen es nicht. Anfang der 90er Jahre veränderte sich sein körperliches Erscheinungsbild maßgeblich. Er hatte ganz offensichtlich gesundheitliche Probleme und dennoch gab er weiterhin Konzerte, er konnte nicht anders, das war sein Lebensexlexier – bis es nicht mehr ging und er bei einem Konzert in Rotterdam zusammenbrach.

Donal Gallagher fand beim Ausräumen des Zimmers seines Bruders ein Poster. Darauf zu sehen war James Dean, umgeben von Totenmasken. Am Rand des Posters hatte Rory folgende Worte geschrieben: »Der einzig wahre Erfolg ist die Unsterblichkeit – James Dean, 1931 – 1955«

Julian Vignoles hat hier ein sehr sorgfältig recherchiertes Werk vorgelegt, davon zeugen allein schon 23 Seiten mit Anmerkungen, die aus Dokumentationen, Interviews sowie sonstigen Artikeln stammen und die er akribisch zusammengetragen hat.
Eine lückenlose Diskographie aus der Zeit mit Taste als auch Rory solo ist genau so enthalten, wie ein ausführlicher Index. Abgerundet wird das Buch mit einem Nachwort von Wolfgang Niedecken sowie tollen Fotos, die in erster Linie von Rory Gallagher-Fans beigesteuert wurden.

Lassen wir Rory noch einmal zu Wort kommen:

»Ich versuche einfach, die Regeln zu brechen. Ich spiele nie trägen Blues; ich versuche immer, den Sound hart und kantig zu halten.
Ich bin ein Ire – dadurch falle ich in eine eigene Kategorie.
Ich denke wie ein Folkmusiker, während meine Seele der Blues ist und mein Antrieb der Rock.«

Ja, so war der Musiker Rory Gallagher!


Kapitel:

Rory Gallaghers Lebenslauf

Einführung

  1. Zuhause im Norden
  2. An die Mündung des Lee
  3. Die Fender Gitarre Nr. 64351
  4. Ein Showband-Lehrling
  5. Der nächste Schachzug: Taste
  6. Von Belfast hinaus in die Welt: Taste 2.0
  7. Gestatten: Die Rory Gallagher Band
  8. Das Leben unterwegs
  9. Ein sanfter Boss
  10. Die Chrysalis-Jahre
  11. Die 1980er Jahre: Ungewissheit und Wiederaufstieg
  12. Der andere Rory Gallagher
  13. "This Shadow Play…"
  14. Rory Gallaghers Vermächtnis
  15. Die Unsterblichkeit lockt

Coda

Danksagung

Nachwort von Wolfgang Niedecken: Rory Gallagher – Einer von uns

Anhang:
Die Tribute-Bands
Diskographie
Anmerkungen
Hinweis zum Bildteil
Index

Angaben zum Buch:

Herausgeber: Mendoza Verlag; 1. Edition (18. November 2022)
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 440 Seiten, darunter 16 Seiten mit Fotos s/w
ISBN-10: 3982275229
ISBN-13: 978-3982275222
Preis: 29,00 €

Über den Autor

Ilka Heiser

Hauptgenres: Classic Rock, Blues Rock, Heavy Rock
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Mail: ilka(at)rocktimes.de

1 Kommentar

  1. Mario Keim

    Es menschelt:-). Leider viel zu selten. Was für ein schöner Buchtitel! Wolfgang Niedecken sitzt mit im Boot, wie wunderbar.
    Liebe Grüße Mario

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