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Jutta Weinhold / "The Nova Years – Coming & Jutta Weinhold" – CD-Review

Jutta Weinhold - "The Nova Years - Coming & Jutta Weinhold - CD-Review

Jutta Weinhold hatte bereits Ende der sechziger Jahre in verschiedenen Bands gesungen, bevor sie in den folgenden Jahren für die Musicals "Jesus Christ Superstar", "Godspell" und "Hair" engagiert wurde, Mitte der Siebziger mit "Cadillac (Fahr' doch weg)" eine erste Single veröffentlichte und anschließend für etwa zwei Jahre als Background-Sängerin bei Udo Lindenberg aktiv war. In dieser Zeit nahm sie auch ihr Debütalbum "Coming" auf, für das sie sich praktischerweise auch gleich von Musikern des Panik-Orchesters (Karl Allaut an den Gitarren, Steffi – im Line-up als Steffe aufgeführt – Stephan am Bass, Betram Engel an den Drums sowie Gastbeiträge von unter anderem Jean-Jaques Kravetz) begleiten ließ. Und dieses Erstwerk stellt sich gleich mal als eine großartige Geschichte heraus. Karl Allaut, der die Scheibe auch produzierte, brachte zwei Tracks mit ein, der Rest wurde im Alleingang von Weinhold mit dem zweiten Gitarristen Werner Grabowski komponiert.5

Neben bärenstarken Songs, der superstarken Röhre von Miss Weinhold und der klasse Band macht hier vor allem die hervorragende Produktion den Unterschied aus. Ein Unterschied, auf den wir später noch zu sprechen kommen werden. Mit "Blood And Life" startet erstmal ein fetziger Rocker dieses Debüt, die Gitarren knallen und die Frontlady singt sich geradezu die Seele aus dem Leib. Wobei bei diesem ersten Track der einzige Produktions-Fehler begangen wurde, nämlich die Vocals einerseits ein Stück zu weit in den Vordergrund zu mischen und dazu mit etwas zu viel Hall zu bedenken. Ansonsten ein mitreissender Opener, der direkt darauf von dem deutlich ruhigeren, jedoch in keiner Weise abfallenden "Take All My Action" gekontert wird. Klasse Melodien, klasse Gesang, schöne Slide-Gitarre. Speziell bei diesem Track, aber auch später bei "Walking In The Rain With Untied Shoes" kommt einem die gute Jutta richtig nah, das wirkt sehr persönlich und echt. Der letztgenannte Song basiert im Blues und sowohl die Lyrics als auch der Gesang wirken sehr authentisch und autobiografisch.

Sehr authentisch kommen auch das flott und gesanglich giftig vorgetragene "I Despise You" (»…I can’t just hate you … I despise you …«) sowie die kräftig nach vorne treibende Abrechnung mit einer Nebenbuhlerin namens "Tell How You Feel". Und ohne jetzt auf jeden Song einzeln einzugehen, wirken auch das abschließende "Rock’n’Roll", das rockende "A Forest With No Trees", "Teddy" oder das bluesige "Don’t Ask Your Mother" voll überzeugend und gehen als Gewinner durchs Ziel. Das sehr starke Debüt einer gesanglich auf ganzer Länge glänzenden Jutta Weinhold, bei dem klar wird, dass es jede Nachfolge-Scheibe schwer haben würde. Und tatsächlich konnte da die zweite, 1978 erschienene Platte "Jutta Weinhold" nicht wirklich mithalten. Weit davon entfernt ein mieses Album zu sein, sind die Songs hier nicht ganz so überzeugend und ob die Entscheidung mit dem Cover-Song "Keep On Runnin'" (Spencer Davies Group) ein schwer zu übertreffendes Original einzubauen die allerbeste war, sei mal dahin gestellt.

Den entscheidendsten Unterschied macht jedoch die Produktion aus, die hier – zwei Jahre später – doch deutlich professioneller, um nicht zu sagen glatter, ausgefallen ist. Die unmittelbare Direktheit, auch gewisse Spontaneität und die beim Erstwerk bauchmäßig gefühlte Nähe zur Sängerin sind hier leider in deutlich geringerem Maß vorhanden. Sehr schade, da ansonsten nach wie vor jede Menge Qualität vorhanden ist. Als Begleitband fungierte hier keine geringere als Lucifer’s Friend (die Angaben im Line-up erheben keinen Anspruch auf 100%ige Korrektheit sowie Vollständigkeit), was alleine schon klar machen sollte, dass es an den Musikern nicht gelegen haben konnte. Möglicherweise hatte bei "Jutta Weinhold" der Produzent Günther Rees – der sich dazu ins Booklet schreiben ließ, dass er alle Nummern sowohl arrangiert, als auch dirigiert hat – ein gutes Stück zu viel Einfluss und den einzelnen Nummern somit einiges an 'Leben' geraubt.

Es wäre vermessen hier zu schreiben, dass "Jutta Weinhold" ein schlechtes Album ist (was es nicht ist), allerdings wird es vom Debüt "Coming" doch ganz deutlich überstrahlt. Aber wie dem auch sei, die beiden Alben machen sehr viel Spaß und bestechen größtenteils durch starke Songs und den großartigen Gesang von Miss Weinhold. Da wundert man sich auch nicht mehr, dass die Protagonistin Ende der Siebziger zusammen mit Inga Rumpf als die Speerspitze der deutschen Rockladies galt. Zu recht! Dicke Empfehlung!


Line-up Jutta Weinhold:

Tracks #1-10 ("Coming"):

Jutta Weinhold (vocals)
Karl Allaut (guitars)
Werner Grabowski (rhythm guitars)
Steffe Stephan (bass)
Bertram Engel (drums)

With:
Jean-Jaques Kravetz (piano – #3, Fender Rhodes – #7)
Chris Klöber (piano – #9, organ – #7)
Rainer Baumann (slide guitar – #5)
Olaf Casalich (percussion)
Olaf Kübler (tenor saxophone)

Tracks #11-20 ("Jutta Weinhold"):

Jutta Weinhold (vocals)
Peter Hesslein (guitars)
Dieter Horns – (bass)
Herbert Bornhold – drums)
Peter Hecht – (keyboards)

und weitere …

Tracklist "The Nova Years …:

  1. Blood And Life
  2. Take All My Action
  3. A Forest With No Trees
  4. I Despise You
  5. Walking In The Rain With Untied Shoes
  6. Tell How You Feel
  7. Teddy
  8. Daddy
  9. Don’t Ask Your Mother
  10. Rock’n’Roll
  11. Be Bop Rock’n’Rollin'
  12. I Don’t Mean Stayin' Here For Long
  13. Keep On Runnin'
  14. The Night Time Is The Right Time
  15. A Better Aim
  16. Bloody Sunday
  17. In The Mood
  18. I’m Tired
  19. The Emptiest Place
  20. Mister Moon

Gesamtspielzeit: 74:22, Erscheinungsjahr: 2024 (1976, 1978)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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