Kali Trio kommt aus der Schweiz.
Kali Trio veröffentlichte 2019 "Riot" auf Ronin Rhythm Records.
Kali Trio lässt dem Debütalbum 2021 "Loom", ebenfalls auf Ronin Rhythm Records folgen.
Raphael Loher ist der Pianist.
Urs Müller ist der Gitarrist.
Nicolas Stocker ist der Schlagzeuger.
Drei Musiker, drei Instrumente, vier Songs, etwas über vierundvierzig Minuten Gesamtspielzeit.
Bei nur drei eingesetzten Instrumenten kommen Zweifel auf.
Wenn ausschließlich die genannten Instrumente gespielt wurden, dann sprengt das Kali Trio alleine schon aus diesem Grund Grenzen.
Aufgenommen im Suburban Sound Studio ist hat das Mastern im Sterling Sound, New York City stattgefunden. Das ist schon eine exquisite Adresse. Es mag hilfreich sein zu wissen, wo die Klänge angesiedelt sind: »[…] Irgendwo zwischen der Prosa von T.C.Boyle und den Traumbildern vonTarkowski. […]«
Wie weit muss man in die Diversität der tonalen Kunst eingetaucht sein, nur um als eine wesentlich erfahrener Person wieder aus dem musikalischen Marianengraben an die helle Wasseroberfläche zurückzukehren?
Welche Horizonte muss man erkundet haben, um fast alle Ketten der Klangkünste zu sprengen?
Das Leben eines Menschen wird durch positive wie auch negative Erlebnisse geprägt. Grenzen können durchaus eine Herausforderung sein, sie zu ignorieren, sie zu überschreiten.
Kali Trio bewegt sich nicht auf Limitierungen zu, sondern hat seinen Standort bereits dort und macht vier mutige Schritte über Grenzen und setzt damit selbst Grenzen.
Wenn es mit "Shipol", einem Opus von fast elf Minuten, losgeht, darf man wohl davon ausgehen, dass ein »[…] prepared piano […]« eingesetzt wurde.
Minimalistische Sounds mit akzentuierten Sechssaiter-Blitzlichtern kreieren eine sphärische Atmosphäre. Gitarrist Urs Müller benutzt wohl viele Bauteile einer elektrischen Gitarre und mag es, wenn er mit einem Gegenstand – vielleicht handelt es sich tatsächlich um ein Plektrum – über die dickeren Saiten seines Arbeitsgerätes streift. In der bizarr-dunklen atlantischen Unterwelt tauchen unvermittelt irgendwelche furchteinflößenden Tiere auf. Hat man sich auf die schwebende Stimmung eingelassen, wird "Shipol" urplötzlich von einem abstrakten Gitarren-Expressionismus angetrieben, dessen Eskapaden von hypnotisch-feinsinnigen Piano-Riffs unterlegt werden. Im letzten Teil ist Nicolas Stockers Groove tonangebend. Klasse! Diesen Track gleich noch einmal? Nein! Pause? Oder geht man vielleicht doch das Wagnis ein, sich einem zweiten Track zu nähern. Ja!
Kommen wir zur Trance.
"Transitoriness" ist gegenüber "Shipol" anders, aber nicht nur, weil die Nummer geringfügig kürzer ist. Beim Opener gab es sozusagen viele ungeschliffene Ecken und Kanten. Von einem treibenden Beat geleitet, ist "Transitoriness" geradezu eingängig. Abermals setzt das Kali Trio auf eine Kontroverse, die sich durch den hyperaktiven Rhythmus und die Trance-Klänge äußert. Urs Müllers effektvollen Saiten-Fantasien bergen Lust auf mehr. Am Schluss schwebt das Stück in eine Art hypnotischem Tagtraum hinein, der von einem schlichten Piano geleitet, ans Song-Ende führt. Das Kali Trio kann auch eingängig sein.
Nebelschwaden ziehen durch den Wald.
Mystische Sounds nehmen Einfluss auf die Gänsehaut. Das Piano ist der harmonisch-fein klingende Luftzug, der den Dunst in Bewegung hält. Wieder ist es Urs Müller, die sich durch seine experimentellen Gitarren-Sounds diesem Ambiente mit Erfolg entzieht. Bei "Dry Soul" stellt das Kali Trio den Hörer vor die Entscheidung, Urs Müllers Exzerpten oder den Klang-Kombinationen von Raphael Loher beziehungsweise Nicoals Stocker zu lauschen. Beide Richtungen sind möglich.
Alle vier Songs haben sinnvoll arrangierte Anfänge und Enden.
So ist es auch bei "Folding Space", dem abschließenden fast Viertelstünder. Das gegenseitige Miteinander löst sich bei dieser tonalen Inszenierung in – im wahrsten Sinn des Wortes – Wohlgefallen auf. Durch Nicolas Stockers Drum-Groove wird das Kali Trio phasenweise sogar tanzbar. Die Combo hat keinen musikalischen Anfang und erst recht kein Ende. Die Gitarren-Ausflüge eines Urs Müller haben über alle vier Lieder hinweg einen hohen Wiedererkennungswert, werden zum Schluss allerdings etwas beliebig. Dennoch reicht uns "Folding Space" sinnbildlich die Hand zur Versöhnung.
Der Albumtitel klingt "Loom" so kuschelig.
Das Kali Trio aus der Schweiz ist ein Exot.
Das Kali Trio ist gegenüber den drei "Riot"-Hörproben noch radikaler geworden.
Kali Trios "Loom" ist eine Herausforderung.
Das Kali Trio kreiert Klänge, die es zu entdecken gilt.
Um "Loom"-Sounds zu visualisieren, müssen quasi eine großformatige Installation her.
Vielleicht ist es für ein Fazit angebracht, die Klang-Künstler selbst zu zitieren: »[…] Einerseits ist "LOOM" ausgefeilt und absurd zugleich geworden. Andererseits steckt in diesem Album eine spirituell-sphärische Tiefe, die nicht mehr kategorisiert werden kann. Und um Musikstile geht’s hier sowieso schon lange nicht mehr. Willkommen im Zeitalter des Post-Genres! […]«
Trotzdem überlässt die Formation nichts dem Zufall, der Improvisation, denn »[…] all music written and arranged by Kali Trio […]«.
Wer bis hierhin gelesen hat, sollte es wagen, sich mit dem Kali Trio zu beschäftigen.
Bleibt gesund und nehmt euch zur Ablenkung Zeit für sehr außergewöhnliche Musik.
Line-up Kali Trio:
Raphael Loher (piano)
Urs Müller (guitar)
Nicolas Stocker (drums)
Tracklist "Loom":
- Shipol (11:25)
- Transitoriness (10:52)
- Dry Soul (8:09)
- Folding Space (14:46)
Gesamtspielzeit: 44:11, Erscheinungsjahr: 2021
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