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Karthago / Live At Rockpalast 2004 – CD- & DVD-Review

Karthago - "Live At Rockpalast 2004" - CD- & DVD-Review

Wie so viele andere deutsche Bands aus den späten sechziger und auch siebziger Jahren wird auch Karthago (nicht zu verwechseln mit der ungarischen Band gleichen Namens) gerne in die Schublade 'Krautrock' gesteckt, wobei man sich jederzeit gerne und ausgiebig darüber – entweder über den Stil selbst oder auch was ihn definiert – streiten oder (eigentlich besser) diskutieren kann. Meinem Verständnis nach hat die Combo rund um den Gitarristen, Sänger und Frontmann reichlich wenig mit 'Kraut' zu tun. Karthago war in den siebziger Jahren in unseren Landen (zumindest unter Eingeweihten) eine große Nummer, schaffte es in der ersten Periode ihres Bestehens von 1971 bis 1978 auf immerhin vier Studio- und ein Live-Album (das Gesamtwerk kann hier nachgelesen werden), bevor die internen Meinungsverschiedenheiten zu groß wurden, um noch einmal überwunden werden zu können. Die Musiker gingen für etwa ihrer eigenen Wege, bis sich im Jahr 2003 zumindest Joey Albrecht, Ingo Bischof sowie Tommy Goldschmidt wieder zusammen fanden und sich mit dem Schlagzeuger Rolo Rodriguez (Vater) sowie dem Bassist Chris Rodriguez (Sohn) verstärkten.

Genau rechtzeitig übrigens, da die WDR-Musik-Institution "Rockpalast" gerade mal ein Jahr danach ein großes Krautrock-Festival ins Leben rief, das sich über drei Tage (bzw. Abende/Nächte) erstreckte, und sowohl audio- als auch videotechnisch festgehalten wurde. Neben Karthago waren außerdem Peter Panka’s Jane, Guru Guru, Amon Düül II, Epitaph sowie Birth Control dabei. Der vielleicht etwas undankbare Eröffnungspart fiel an Karthago, was die Band aber nicht im Mindesten aus der Fasson brachte. Das Quintett hatte nämlich richtig Bock zu spielen, was man der Combo auch direkt vom ersten Song ("The World Is Like A Burning Fire", wie auf der Siebziger-Scheibe Live At The Roxy) anhört. Die Spielfreude ist geradezu greifbar und Joey Albrecht ist dazu sehr gut bei Stimme. Vielleicht äußerlich nicht mehr der 'Adonis' des Albumcovers von Second Step, aber dreißig Jahre Leben gehen schließlich an niemandem so ganz spurlos vorüber.

Wie (nicht nur) der Song Rock’Roll Testament beweist, war auch Karthago Mitte der Siebziger stark vom Funk-Fieber infiziert. Und dennoch hört sich das auch auf dieser Aufnahme noch sehr frisch und kaum gealtert an. Immer wieder kündigt Albrecht brandneue Songs (die immerhin knapp fünfzig Prozents des Sets ausmachen) an, die auf einem gerade entstehenden Album enthalten sein werden und da diese (der erste lautet auf den Namen "My Friend George") den Tracks aus den Siebzigern in nichts nachstehen, wäre das eine super Geschichte gewesen. Wenn (ja, das große 'Wenn') dieses Album dann auch jemals erschienen wäre. Aber wie dem auch sei, Karthago grooven und rocken höllisch gut, was diese erste Veröffentlichung, die das komplette Konzert enthält, zu einem echten Genuss werden lässt. Die Favoriten des Rezensenten unter den neuen Sücken sind das gerade erwähnte "My Friend George" sowie das sehr catchy ins Ohr gehende "Queen Of The Night", das eine Single-Auskopplung (wäre damals überhaupt was raus gekommen) unbedingt gerechtfertigt, ja geradezu gefordert hätte.

"Living Like A Clown", "In The Midnight" … klasse Songs! Karthago war an diesem Abend in hervorragender Verfassung, rockte und (vor allem groovte) wie die Hölle, sodass dieses "Live At Rockpalast 2004" eine wahre Freude ist. Dass da auch jede Menge Interaktion mit dem (übrigens fantastisch mitgehenden) Publikum am Start war zeigt sich allein durch die Tatsache, dass Mister Albrecht ganz locker-flockige Ansagen zwischen den einzelnen Tracks vom Stapel lässt, die eine gewisse Verbundenheit mit den Anwesenden voraussetzen. Apropos DVD: Nicht nur, dass man die Band hier nochmal live und in Farbe genießen darf, gibt es obendrein noch ein knapp zwanzigminütiges Interview mit Joey Albrecht und dem mittlerweile leider verstorbenen Ingo Bischof als Zugabe. Insgesamt also das volle Programm, sozusagen die Komplett-Lieferung. Und obwohl ich es bereits weiter oben erwähnt hatte: Sehr, sehr schade, dass es offensichtlich doch nicht zu einem neuen Album-Deal (wie es fast zur gleichen Zeit beispielsweise Hoelderlin gelungen war) gereicht hatte. Denn speziell wenn man sich mal einzig auf die hier enthaltenen neuen Tracks fokussiert, hätte es die Band mehr als verdient gehabt!


Line-up Karthago:

Joey Albrecht (guitar, lead vocals)
Ingo Bischof (keyboards, background vocals)
Chris Rodriguez (bass, background vocals)
Rolo Rodriguez (drums, background vocals)
Tommy Goldschmidt (percussion, background vocals)

Tracklist "Live At Rockpalast 2004":

  1. The World Is Like A Burning Fire
  2. Rock’n’Roll Testament
  3. The Second String Rambler
  4. My Friend George
  5. Living Like A Clown
  6. Maybe Another Time
  7. Now The Irony Keeps Me Company
  8. In The Midnight
  9. Rosie
  10. Queen Of The Night
  11. Crazy Woman
  12. We Gonna Keep It Together
  13. We Give You Everything You Need

Gesamtspielzeit: 74:44 (CD), 93:00 (DVD), Erscheinungsjahr: 2021 (2004)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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