Keith Relf war der charismatische Frontmann der Yardbirds, einer der besten und angesehensten Rhythm’n’Blues-Bands im London der früheren sechziger Jahre, die so ganz nebenbei mit Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page gleich drei später ganz groß in die Musik-Geschichte eingehen sollende Gitarristen als Mitglieder vorweisen konnte. Natürlich (bis auf eine kurze Periode, in der Beck und Page gemeinsam in der Band waren) nie gleichzeitig, denn so viele großartige Lead-Gitarristen (und Alphatiere) in einer Combo … das geht selten bis nie gut. Im Juni 1968 löste sich die Band auf, Jimmy Page gründete Led Zeppelin, Chris Dreja konzentrierte sich auf andere Dinge und Keith Relf arbeitete mit dem Drummer Jim McCarty bereits an einem neuen Projekt. Aber dazu später mehr. Nun ist mit "All The Falling Angels" eine Compilation erschienen, die in dieser Form erstmals das solistische Werk von Keith Relf zusammenfasst.
Eine ganze CD mit Songs eines Mannes, der in seinem leider sehr kurzen Leben gerade mal zwei Solo-Singles veröffentlicht hatte? Natürlich wurden für diesen Longplayer auch weitere Projekte und Bands mit seiner Beteiligung berücksichtigt, ebenso wie Demos, die der Sänger und Harmonika-Spieler als Demos in seinem Home-Studio aufgenommen hatte. Aber beginnen wir mit den Solo-Singles, die noch während seiner Zeit mit The Yardbirds aufgenommen und veröffentlicht wurden. Relf war damals ein großer Fan von Bob Lind und versuchte sich an seiner eigenen Version von dessen Song "Mr. Zero". Die Nummer bewegt sich im melancholisch-folkigen Stil, der in den Sechzigern sehr angesagt war. Ein sehr atmosphärisches Stück, das aber – wie eigentlich das ganze enthaltene Material – nichts mit dem Sound seiner damaligen Hauptband zu tun hatte. Das sich passend im gleichen Stil bewegende "Knowing" befand sich auf der B-Seite und war ein Song für seine damals gerade erst geheiratete Braut. Zwei sehr schöne Stücke, die eine dichte Atmosphäe von Herbst in einem englischen Village Green verströmen.
Nachdem diese erste Single im Jahr 1966 kein großer Verkaufserfolg war, ging es ein Jahr später noch einmal in (diesmal) amerikanische Studios, wo für "Shapes In My Mind" in Los Angeles (die Musik) und New York (der Gesang) aufgenommen wurde. Hier geht es eine gute Spur psychedelischer zu, der Refrain kommt zwar durchaus catchy, aber auch ein wenig zu poppig-süß. Mit der instrumentalen B-Seite, die von Session-Musikern eingespielt wurde, hatte Relf rein gar nichts zu tun und der Song diente lediglich als Füller. Weshalb er auf der mir vorliegenden Scheibe auch gar nicht erst vertreten ist.
Nach den Yardbirds gründete Keith Relf zusammen mit Jim McCarty das Projekt Together. Im Studio entstanden lediglich sechs Songs, von denen hier immerhin vier vertreten sind. Diese bewegen sich ebenfalls im folkig-poppigen Bereich, während die Atmosphäre immer mit einem leicht psychedelischen Touch versehen ist. Witzigerweise erinnert "Love Mum And Dad" frappierend an die Musik von David Bowie zur damaligen Zeit und vor dessen erstem Hit. Das Projekt Together wurde dann sehr schnell wieder ad acta gelegt, denn Relf und McCarty gründeten zusammen mit Keith' Schwester Jane Relf die Band Renaissance. Auch von dieser Band ist hier Material vertreten, ebenso wie viele bei sich zuhause aufgenommene Demos, die teilweise aus Sound-Spielereien und teilweise aus ganz frühen Ideen für neue Stücke bestehen.
Erwähnen werden sollte noch Keith Relfs letzte Aufnahme. Der Titeltrack "All The Falling Angels" wurde exakt zehn Tage vor seinem Tod aufgenommen und stellt so etwas wie den Höhepunkt dieses Albums dar. Nicht alle Songs sind soundtechnisch einwandfrei und dennoch ist diese Platte hochinteressant. Sie glänzt mit immerhin elf bis Dato unveröffentlichten Tracks und einigen echten Perlen, nämlich ausßer den bereits erwähnten Stücken noch "Line Of Least Resistance", "All The Pretty Little Horses", "Together Now" oder "Shining Where The Sun Has Been".
Keith Relf verstarb am 12. Mai 1976 im Alter von nur 33 Jahren bei sich zuhause, nachdem er beim Komponieren neuer Songs, verursacht durch nicht ausreichend geerdetes Equipment, einen elektrischen Schlag erlitten hatte.
Tracklist "All The Falling Angels – Solo Recordings & Collaborations 1965 – 1976":
- Knowing
- Mr. Zero
- All The Pretty Little Horses
- Only The Black Rose (demo)
- Glimpses (demo)
- Shapes In My Mind
- Echoes I May Find
- Shining Where The Sun Has Been
- Henry’s Coming Home
- Love Mum And Dad
- Together Now
- Line Of Least Resistance
- Try Believing
- High Mountain Theme (demo)
- End And Out
- Just Think What You’re Achieving
- Collector Of The Light
- I’d Love To Love You Till Tomorrow
- High Mountain Theme
- All The Falling Angels
- Cherokee
- Voice Echo
- The Roundalay
- Sunbury Electronics Sequence
Gesamtspielzeit: 68:24, Erscheinungsjahr: 2020 (1965 – 1976)
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