"Schneetreiben", Untertitel "Deutsche Winterlieder mit keltisch-skandinavischer Seele" läutet so langsam die kommende Jahreszeit, den Winter ein. Schaut man sich die Trackliste an, so ist schnell klar, dass es mit dem Schnee alleine nicht getan ist. Es sind Lieder, die man nur an wenigen Tagen im Jahr hört: Weihnachtslieder.
Wenn sich Schneetreiben in Verbindung mit Weihnachten für die Jungen eher nach Legende anhören mag, so werden die Älteren unter uns sicher – auch mit verklärtem Gesichtsausdruck – zustimmend nicken und sich daran erinnern, wie sie in jungen Jahren in der Weihnachtszeit erwartungsvoll durch tiefen Schnee stapften und diese ganz besondere Stimmung geradezu aufsogen. Nun, die Zeiten ändern sich und rückblickend hat sich das mit dem Schnee in den letzten Jahren auf die nach ihm benannten Bällchen in der Küche reduziert. Immerhin, auch etwas ganz Feines.
Nichts bleibt wie es ist, auch nicht die Weihnachtslieder bzw. deren Interpretationen. Eigentlich werden einem diese eher vergällt, wenn man sie wochenlang modern aufgehübscht, also verunstaltet, allerorten um die Ohren geschlagen bekommt. Ganz anders dagegen die Herangehensweise der beiden Protagonisten Kerstin Blodig und Ian Melrose, die zum einen durch die Auswahl der Lieder und zum anderen durch behutsame Präsentation sowie keltische und nordische 'Verfremdung' für ein besonders Flair sorgen.
Kerstin, die studierte Musikerin, Komponistin und Produzentin darf man getrost als Ikone skandinavischer und keltischer World-Musik bezeichnen. RockTimes-Leser kennen sie sicherlich auch von ihrem Frauentrio Huldrelokk. Sie ist außerdem offizielle Repräsentantin von Gibson Guitars, für die sie » eine der spektakulärsten Akustikgitarristinnen der europäischen Szene ist«. Ian Melrose ist einer der europäischen Meister der Fingerstyle-Gitarrentechnik und ebenfalls auf vielen Platten in unserem Archiv im Line-up zu finden. DR Stings und Avalon Guitars haben ihn zu ihrem ofiziellen Vertreter bestimmt. Acoustic Guitar (USA) nennt ihn »one oft he best Celtic-influenced fingerpickers on the scene today« .
Nach dem Erfolg ihrer Winter-CD Desembermåne, auf der sich zwei deutschsprachige Weihnachtslieder befinden, beschlossen die beiden, die übrigens bereits seit 21 Jahren zusammen in vielen Projekten gemeinsam spielen, mit Kelpie ein komplettes Album diesem Konzept zu widmen. Neben deutschen Weihnachtsliedern packten sie auch speziell für "Schneetreiben" geschriebene Winterlieder auf die Platte und intonieren die Songs in ihrer ganz speziellen Herangehensweise. Zart und behutsam setzen sie Gitarrenspiel und Stimme ein und erzeugen Stimmungen, die so fernab von Einkaufshektik, Konsumtempeln und wir-reißen-jetzt-das Geschenkpapier-auf-Modus sind wie es nur geht.
Das akustische Gitarrenspiel auf höchstem Niveau zusammen mit für deutsche Ohren eher ungewöhnlichen Instrumenten, klassischen Instrumenten, sowie der nie aufdringlichen, glockenklaren Stimme Kerstins zaubern – auch weil da schon mal ein erwartendes Dur als Moll daherkommt – eine melancholische und gleichzeitig erhabene Stimmung. Da kann es draußen dunkel und kalt sein wie es will, im wamen Zimmer, fernab vom Trubel der Hektiker, muss das bei einem guten Malt (vielleicht sogar einem Kelpie von Ardbeg) die musikalische Medizin sein, um einen aus den Jammertälern des Alltags zu befreien.
Drei der Stücke waren bereits auf dem Vorgänger zu finden, werden auf "Schneetreiben" aber nun in deutscher Sprache intoniert. Besonders nachdenklich macht "Weihnachten 1914" (von Mike Harding), eines der wenigen Stücke, auf denen auch Ian am Gesang beteiligt ist, denn da erzählen sie musikalisch die Geschichte, als an Weihnachten plötzlich jemand mit weißer Fahne auf die feindliche Frontlinie zuläuft und als Ergebnis Deutsche und Briten zusammen DIE Nacht friedlich feiern, sich die wenigen Lebensmitteln teilen und den Gegnern die Bilder ihrer Liebsten zeigen. Vier Tage währte der Frieden und dann gab es für viele wieder DIE Nacht: die letzte ihres Lebens!
"Schneetreiben" ist sicher keine konventionelle Weihnachtsplatte und will das auch gar nicht sein. Es ist eine ganz intime Zusammenstellung und Interpretation der beiden Protagonisten, die bewusst und in Ruhe gehört werden will. Das Geträllere gibt es wie gewohnt an anderen Orten.
Weihnachten kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Nun fehlen nur noch die Schneebälle zu den Schneebällchen.
Line-up Kerstin Blodig & Ian Melrose:
Kerstin Blodig (Gesang, Gitarre, Bouzouki, Bodhrán)
Ian Melrose (Gesang, Gitarre, Whistles, Seljefløyte, Xaphoon, Bass, Perkussion)
Gäste:
Zoe Conway (Violine)
Sturla Eide (Violine, Viola – #16)
Urs Fuchs (Kontrabass – #16)
Antoine Pütz (Bass – #1)
Tracklist "Schneetreiben":
- Es ist ein Ros entsprungen (3:31)
- Ach bittrer Winter / Leise rieselt der Schnee (4:12)
- Nun komm, der Heiden Heiland (3:51)
- Still (2:38)
- Abis Nobilis – Nobilistanne (0:52)
- Es kommt ein Schiff, geladen (5:42)
- Der Reif (2:46)
- Schneetreiben (3:39)
- Pseudotsuga menziesii – Douglastanne (0:21)
- Weihnachten 1914 (5:12)
- O Heiland, reiß die Himmel auf (3:53)
- Macht hoch die Tür (2:56)
- Winternacht (1:29
- Abies Nordmanniana – Nordmanntanne (0:21)
- Stille Nacht (2:29)
- Stille um den See (4:02)
- Maria durch ein' Dornwald ging (3:08)
Gesamtspielzeit:51:03, Erscheinungsjahr 2017
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