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Kenneth Brian Band / Konzertbericht, 18.03.2025, Meisenfrei Bremen

Kenneth Brian Band / Konzertbericht, 18.03.2025, Meisenfrei Bremen

Bärte, Staub und ein Fundstück am Wegesrand

Billy Gibbons war seiner Zeit gerne voraus. Mit einem knorrigen Trio brachte er staubigen Bluesrock aus dem Modeentwicklungsland Texas in die internationale Haute Couture. Und Anfang der 1980er Jahre ließ er sich – in Zeiten von Schulterpolstern, Bonbonfarben, Hochglanzpapier und Vokuhila – einen beeindruckenden Waldschrat-Bart wachsen, der seitdem jeglichen Alterungsprozess des dürren Mannes komplett verdeckt.

Über 40 Jahre später erreicht nicht nur der texanische Staub die nordwestdeutsche Provinz, sondern auch eine auffallend ausgeprägte Gesichtsbehaarung, die gerade mal zwei Tage später zusätzlich die Hansestädtische Bühne des Meisenfreis in Gestalt der Kenneth Brian Band erobert. Selbige entstammt zwar nicht den texanischen Weiten, hat dafür aber den Sand der kalifornischen Mojave-Wüste im Gepäck.

Im Meisenfrei treten neben vielen regionalen Bands, Cover-Jukeboxen und Motto-Epigonen von AC/DC bis Westernhagen – der wirtschaftlichen Grundlage – auch internationale Original-Künstler*innen auf, die nicht selten musikalisches Spitzenformat repräsentieren, aber in Sachen Popularität leider furchtbar kleine Brötchen backen müssen.

State of the Art-Bart

State of the Art-Bart

So sieht sich auch die dank 'Teenage Head Music' erstmals auf einer ausgedehnten Europatour befindliche Kenneth Brian Band nicht den größten Menschenmassen gegenüber, ein in (übersättigten?) Großstädten mitten in der Woche nicht selten zu beobachtendes Phänomen.
Der Protagonist ist aber alles andere als ein Anfänger, brachte sein Debüt bereits vor über 20 Jahren raus, konnte 2010 für Welcome To Alabama die Produzentenlegende Johnny Sandlin (Allman Brothers Band, Wet Willie, Widespread Panic) gewinnen und für das aktuell zur Tour gehörende Album "Keys To The Kingdom" übernahmen Steve Ferrone & Mike Campbell (Tom Petty) die Vorproduktion. Darüber hinaus konnte er bereits Anheizer-Slots für beispielsweise Lucinda Williams, Blackberry Smoke oder – Achtung – ZZ Top ergattern.

Entsprechend unbeeindruckt flutet Kenneth Brian seinen Southern Rock’n’Roll-Outlaw-Alternativ-Country-Rootsrock in den Club, unterstützt vom State of the Art-Bart tragenden Tieftöner und einem eher flaumbewachsenen Schlagwerker, der spieltechnisch dem großen Steve Ferrone alle Ehre macht.

Mal ein farbiges Röhrchen

Mal ein farbiges Röhrchen

Im Zentrum steht das bereits 2022 erschienene "Keys To The Kingdom" und brilliert mit einem Storytelling zwischen zart und hart, immer wieder durchpflügt von relativ ruppigen Saiteneinlagen, denen zur tonalen Auflockerung gerne mal das Röhrchen spendiert wird. Der hagere Mann aus Südkalifornien kann seine musikalische Vergangenheit in Country-, Metal- und Punkbands nicht leugnen, glänzt in seinem heutigen Duktus mit reifen Songs, die teilweise einen hohen Wiedererkennungswert in sich tragen und mit viel Gefühl und Hingabe vorgetragen werden. Es darf davon ausgegangen werden, dass vor dem Konzert den wenigsten Besucher*innen die Kenneth Brian Band ein Begriff war. Dies hat sich nun nach ordentlicher Spielzeit gründlich geändert und die Atmosphäre des Joshua-Tree-Nationalparks hat von den als unterkühlt geltenden Norddeutschen Besitz ergriffen.

Fazit:
Wenn in einschlägigen Streamingportalen monatliche Zugriffe von 1260 zu verzeichnen sind, kann dies auch als Gütesiegel verstanden werden. Abseits des Mainstreams wartet die gute Musik am Wegesrand nur darauf entdeckt zu werden, vorzugsweise in kleinen Clubs wie dem Meisenfrei, mit Musiker*innen zum Anfassen und tollem Sound.

Letztlich tritt die Kenneth Brian Band den überraschenden Beweis an, dass Billy Gibbons tatsächlich seiner Zeit voraus war: Zwei Bärte und ein Trio mit rudimentärem Technikaufwand funktionieren auch heutzutage hervorragend … mit und ohne Boogie.

Wir bedanken uns beim Meisenfrei sehr herzlich für die problemlose Akkreditierung.

Bildnachweis für das Beitragsbild – Teenage Head Music, Konzertbilder © 2025 | Olaf 'Olli' Oetken | RockTimes

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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