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King Of Agogik / After The Last Stroke – CD-Review

King Of Agogik / After The Last Stroke

King Of Agogik»German progressive music«, so liest man auf der Webseite der Band, ist vielmehr ein Projekt des Schlagzeugers Hans Jörg Schmitz. Mit dem Album, "After The Last Stroke", legt Schmitz seit der Gründung seines Solo-Projektes im Jahre 2006 sein mittlerweile siebtes Album vor.

'Agogik', das ist die Lehre von der individuellen Gestaltung des Tempos beim musikalischen Vortrag und Schmitz ist halt der König(?). Eigenen Aussagen zufolge ist das Ganze hauptsächlich auch aus einem humorigen Blickwinkel zu betrachten. Er selbst bezeichnet sich dann doch schon eher als ein 'König der Bummelei/Trödelei'.

In den Liner Notes zu den einzelnen Songs erfährt man etwas von Widmungen an verstorbene Musiker: An Kees Hoekert, einen Kämpfer für die Legalisierung von Cannabis in den Niederlanden (#1), an Thomas Kohlruß, einen Rezensenten vieler Progressive Rock-Platten (#3), an Fabian Kuratli, einen Schweizer Schlagzeuger (#4) und andere wird erinnert, daher möglicherweise der Name der Platte.

Mit schwerem Drumsound und waberndem Mellotron eröffnet "The White Raven" den Reigen und bereits nach noch nicht einmal eineinhalb Minuten Spielzeit ist bereits recht viel an Variationen in den Song gepackt: Fast schon zu viel, weil man nicht die Ruhe findet, sich langsam in das Stück einzufinden. Diese ständigen Unterbrechungen mögen zwar kunstvoll sein, stören jedoch auch den natürlichen Ablauf. So wirkt das Ganze recht nervös und hektisch.

Mit 20:30 Minuten ist "A Day Without End" der längste Track auf dem Album, besitzt zwar auch einiges an Wendungen, strahlt jedoch letztlich einen Tick mehr Beständigkeit im Aufbau aus: Zarte, lyrische Flötenpassagen wechseln mit Violin-Einwürfen und flüssig gespielten E-Gitarren, für mich ist das der beste Song des Albums. Hier halte ich den Aufbau für sehr gelungen, die Solo-Passagen sind mit Liebe und Leidenschaft vorgetragen und die mitunter dezent repetitiven Momente lassen ein wenig Mike Oldfield aufblitzen.

Nach dem kurzen Schlagzeugsolo, "Carbon Soot", ist es Zeit für ein anderes interessant gestaltetes Stück. "Gannef" ist mit einigen Ethno-Elementen ausgestattet, dezent jazzige Elemente bringt der Double Bass ein, die orientalische Stimmung wird ergänzt um den Vokalbeitrag von Alanda Scapes – im Übrigen dem einzigen zu vernehmenden Gesangsbeitrag (ohne Worte) der Platte – die rein instrumental ist. Dazu ist noch eine leichte Latin-Färbung eingebracht worden, ein Schlagzeugsolo unterbricht das Lied, das dann bis zum Schluss relativ luftig und leicht dahinfließt.

Relativ ruhige und zarte Töne werden auf dem Woolly Wolstenholme (Barclay James Harvest) gewidmeten "Patterns On The Water" angeschlagen, wirklich schön, wie sich der Klang der Oboe über der zwölfsaitigen Gitarre erhebt. Es wäre sehr angenehm gewesen, solche Passagen öfter auf dem Album gehört zu haben. Professor Dr. Giuseppe Calligaris und seinen parapsychologischen Experimenten ist "Plug In – Plaques Out" gewidmet. Wieder ein hohes, gerüttelt Maß an Unruhe und wildem Sound, allerdings gut gemacht mit dem engagierten Einsatz von Dago Wilms an den Gitarren. Hier ist es gelungen, den Begriff Progressive Rock sehr gut umzusetzen.

Zum Schluss erwartet uns dann noch ein Longtrack mit "Retromatic Lullaby". Erneut ein unruhiger Wechsel von Rhythmen und Texturen, der meines Erachtens zu viel des Guten ist, weil es sich mitunter wie ein Zusammenkleben verschiedener Einzelelemente anhört. Als Hörer ist man ständig gefordert ob der immensen Abwechslung. So steht auffällig oft das überaktiv wirkende Schlagzeug im Vordergrund und die Keyboards sind häufig auch zu intensiv eingesetzt, ein wenig mehr an Gitarrensound wäre meines Erachtens interessanter gewesen. Sicherlich – keine leichte Kost – aber ein wenig mehr Gradlinigkeit in den Arrangements und damit verbundenem Aufbau hätte der Gestaltung von ’nicht leichter Kost' sicher nicht im Wege gestanden. So ist man als Hörer, einige bestimmte Songs betreffend, einfach ein wenig überfordert.

Nun, ein kleines Ratespiel noch im Rest des letzten Songs: Zitate von den Beatles, von Yes oder King Crimson sind aufmerksamen Hörern/innen sicher nicht entgangen.


Line-up King Of Agogik:

Hans Jörg Schmitz (drums, percussion, keyboard, guitar, bass, tubular bells)
Dago Wilms (guitar, bass)
Gary Farmer (Rickenbacker bass)
Steve Unruh (flute, guitar, violin)
Peter Simon (brass and woodwinds)
Enno Nilson (keyboard)
Jeffrey Harlington (double bass)
Andrew Marshall (12 string guitar)
Philipp Schmitz (piano)
Erik Vaxjö (mellotron)
Johannes Andrè (guitar)
Scott Taylor (uilleann pipes)
Alanda Scapes (voice)

Tracklist "After The Last Stroke":

  1. The White Raven (6:37)
  2. A Day Without End (20:30)
  3. Carbon Soot (2:49)
  4. Gannef (11:08)
  5. Patterns On The Water (6:19)
  6. Plug In – Plaques Out (10:37)
  7. Watching The Moon (1:15)
  8. Back In The Second Line (3:38)
  9. Retromatic Lullaby (13:54)

Gesamtspielzeit: 76:52, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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