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Kingsborough / Take The Ride – CD-Review

Kingsborough / Take The Ride

Erwachsenen-Metamorphose einer kleinen Rock’n’Roll-Band

Der sehr geschätzte Kollege Markus stellte vor gut eineinhalb Jahren das kalifornische Quartett Kingsborough aus der Bay Area (Santa Rosa) mit ihrem damals aktuellen Longplayer 1544 vor … zeigte sich dabei durchaus sehr angetan und unser Magazin wies auch darauf hin, dass sich dieser hoffnungsvolle Vierer auf eine kleine Herbst-Europa-Tour begeben würde … inklusive eines Termins im Oldenburger Zentrum für Jugendkultur namens 'Cadillac'. Sehr erstaunlich, denn Markus ordnete das Album im sogenannten Roots-Rock Genre ein, mit latentem Hang zum Classic/Retro-Rock … absolut Jugend-unverdächtig.

Nun gehört Oldenburg zum Einzugsgebiet des mittlerweile der Jugend ebenfalls völlig unverdächtigen Rezensenten und genau dieser beißt sich nachträglich irgendwohin – was niemand gerne präzisiert haben möchte – denn ihm liegt eine kleine, aber dafür umso feinere Vier-Track EP eben dieser Combo vor, welche zum Start einer weiteren Europa-Tour im Spätwinter/Frühjahr dieses Jahres erscheinen soll … und genau das macht, was eine EP heutzutage machen soll … verdammt viel Appetit auf ein weiteres Longplay-Album, auch wenn genau dieses in heutigen Streaming-Zeiten anachronistisch anmutet.

Annähernd anachronistisch ist aber auch die Musik, die wir hier offeriert bekommen, immerhin sehen sich die Protagonisten als 'Rock’n’Roll-Old School Working And Touring-Band'. Auffallend ist dabei, dass hier explizit auf eine vergleichsweise gefällige Melodieführung geachtet wurde, denn alle vier Songs wirken nicht nur außerordentlich sorgfältig ausgearbeitet, sondern haben einen warmen, harmonischen Flow. Der Rausschmeißer der leider doch sehr kurzen EP ist dabei tatsächlich das, was in früheren Zeiten mal als 'AOR' klassifiziert wurde und von Rockmusikfreunden bereits seit längerem eher mit gerümpfter Nase begleitet wird. Vielleicht klingt ja in diesem Zusammenhang 'Power Pop' besser. Wobei genau dies sich doch um einige Nuancen von dem unterscheidet, was uns dieses Quartett bisher geboten hat. Aber keine Angst, schon der Opener hat durchaus noch schmackhaften 'Roll' zu bieten … nähert sich dieser Vier-Song-Zyklus bezüglich der kommunizierten Haupteinflüsse Beatles und Led Zeppelin doch tendenziell eher den Fab-Four an, so finden wir hier noch am ehesten die Led Zep-DNA … aber tatsächlich mit erfreulich großer Eigenständigkeit, trotz aller Konventionalitäten.

Insgesamt vermittelt diese EP, dass der Sturm und Drang, der doch insgesamt ihr bisheriges Werk dominiert hat, einer sehr lässigen Interpretation des Classic Rock gewichen ist, inklusive explizierter Springsteen-Einsprengsel bei "Only Light", zu welchem im Netz auch ein entsprechendes offizielles Video zu finden ist, welches in seiner ganzen Optik wunderbar die Stimmung der vorliegenden EP reflektiert, allerdings nicht ohne die Klaviatur klassischer Klischees zu spielen.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass mit dem Produzenten, Bassisten und Gitarristen John Courage sowie dem Schlagwerker Tommy Rickard, der unter anderem bereits Christina Aguileras Hit "Beautiful" veredelte und nunmehr bei Kingsborough seinen Wunsch äußert, möglichst viele Vibes des frühen Simon Kirke (Free) einbringen zu können, lokale Prominenz mitmischt, um schlussendlich ein noch höheres (Studio)Niveau-Level zu erreichen.

Fazit: Hier möchte eine Band ganz eindeutig erwachsen werden und schafft es gleichzeitig, sich eine größere Identität zu verschaffen, als es bisher der Fall war, was allerdings auf Kosten ihres 'Drives' geht und Kanten abschleift … insgesamt halt eher 38 Special als Lynyrd Skynyrd und eher kein Roots-Rock (mehr).


Line-up Kingsborough:

Billy Kingsborough (rhythm guitar, lead vocals)
Alex Leach (lead guitar, vocals)
John Courage (bass, vocals)
Tommy Rickard (drums, vocals)

Tracklist "Take The Ride":

  1. So High (4:30)
  2. Open Invitation (3:54)
  3. Only Light (3:51)
  4. Across The Headlights (3:58)

Gesamtspielzeit: 16:14, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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