Warum weit schweifen, wenn das Gute doch so nah ist? Aus dem Süden Deutschlands stammt die Band Kissin' Dynamite, die mit "Ecstasy" ihr bereits sechstes Album vorlegt und damit sogar wieder zu einem Major Label zurückgekehrt ist. Auch kurstechnisch gab es einen Wandel, wie es aus dem Umfeld der Combo heißt. Zurück zum ursprünglichen Sound der ersten Alben sollte es gehen, wieder etwas rauer gerockt werden und obwohl mir leider die Vergleichsmöglichkeit fehlt, kann ich zumindest den letztgenannten Aspekt schon mal bestätigen. Die Mannen um den Sänger Hannes Braun legen hier ein feines, modernes, aber auch mit Hochachtung auf die Historie beseeltes (Hard-) Rock-Album vor, das es keineswegs scheut, seine Einflüsse aus dem Sleaze Rock ebenso in die Waagschale zu werfen.
Die Gitarren rocken ganz ordentlich und die Rhythmusabteilung macht mächtig Power, während der Gesang voll und ganz auf eingängige Refrains und Hooklines setzt. Ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, kommt man bei diesen insgesamt 13 Tracks kaum daran vorbei, automatisch auch mal an Bon Jovi aus den achtziger Jahren zu denken. Wohl kaum eine Referenz, für die man sich schämen müsste, speziell wenn es um die auch von Kissin' Dynamite gezockte Mucke geht. Richtig stark kommt das Wechselspiel der beiden Gitarren von Ande Braun sowie Jim Müller, die sich hervorragend ergänzen. Und um gleich mal eventuellen Missverständnissen vorzugreifen: "Ecstasy" klingt nicht nach verstaubtem Achtziger-Rock, der Sound ist modern und auf der Höhe der Zeit in Szene gesetzt worden, macht ordentlich Druck und wirkt sehr transparent.
Selbstverständlich dürfen neben den Rockern auch die Balladen nicht fehlen. Eine erste Kostprobe diesbezüglich erhalten wir in Gestalt der Nummer "Still Around", bei der die Akustik-Gitarre ebenso mit im Spiel ist, wie die sehr guten Gesangsmelodien Bauers. Die quantitative Mehrheit der Platte besteht jedoch aus Rockern, die einerseits (wie beispielsweise der Titeltrack) sehr gut gelungen sind, mir andererseits ("Superhuman") etwas zu süßlich bzw. vorhersehbar sind. Die Fans dieses Genres dürfte das allerdings kaum kratzen, da handwerklich (Komposition, Produktion sowie Arrangements) alles total im Lot ist. Ein weiteres Highlight ist das mit seinem schleppenden Groove etwas aus der Reihe fallende "Breaking The Silence". Kein Track, den man in ähnlicher Form nicht schon mal gehört hätte, dennoch klasse und somit ein Gewinner.
Zweifelsfrei steckt sehr viel Tradition in den Songs der Band, was diese aber nicht davon abhält, enthusiastisch und kraftvoll nach vorne zu rocken. Momentan nicht zweifelsfrei zu klären war, warum die beiden Bonus Tracks "Wild Wind" sowie "No Time To Wonder" eben solche sind. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass sie auf der Vinyl-Version fehlen. Der eigentliche Abschluss "Heart Of Stone" beginnt episch mit der Akustischen und einer feinen Lead-Gitarre, bevor die Vocals das Zepter übernehmen, um dann von einem feinen Solo auf der Elektrischen abgelöst zu werden. Wenn man ein Glas halb leer (statt halb voll) sehen möchte, könnte man schreiben: 'Eine Rock-Ballade, deren Rezept originalgetreu aus dem Rock’n’Roll-Kochbuch der siebziger und achtziger Jahre übernommen wurde'.
Letztenendes ist Kissin' Dynamite mit "Ecstasy" ein gutes und frisch nach vorne rockendes Album gelungen. Selbst wenn man hier und da das Gefühl hat, das eine oder andere Arrangement bzw. die eine oder andere Songidee schon mal woanders gehört zu haben, was am Ende zählt ist das Gesamtbild. Und das ist durchaus positiv ausgefallen.
Line-up Kissin' Dynamite:
Hannes Braun (vocals)
Ande Braun (guitars)
Jim Müller (guitars)
Steffen Haile (bass)
Andi Schnitzer (drums)
Tracklist "Ecstasy":
- I’ve Got The Fire
- You’re Not Alone
- Somebody’s Gotta Do It
- Ecstasy
- Still Around
- Superhuman
- Placebo
- Breaking The Silence
- Waging War
- One More Time
- Heart Of Stone
- Wild Wind (bonus track)
- No Time To Wonder (bonus track)
Gesamtspielzeit: 55:20, Erscheinungsjahr: 2018
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