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Kjell Braaten / Ferd – CD-Review

Kjell Braaten / Ferd – CD-Review

Spätestens seit "Vikings" wissen wir, dass es mal eine Zeit gab, in der Männer wie Männer und Frauen wie Frauen aussahen; und auch so agierten. Und wir haben etwas mitbekommen von der Musik des Nordens und deren mystischer Ausstrahlung.

Und genauso startet das Album "Ferd". Fast, denn zum gewaltigen Klang der Lure wirkt die rhythmische Percussion etwas deplatziert und wenn orientalische Klänge ertönen, ist es vorbei mit der Nordromantik. Allerdings hat Kjell auf seinem Album den Fokus nicht ausschließlich auf nordische Tunes gelegt. Auch wenn er bei dem Aushängeschild Wadruna für die Percussion zuständig ist und diese Band maßgeblich am Soundtrack zu "Vikings" beteiligt war, so ist sein eigenes Werk eine eher unzusammenhängende Sammlung an Stücken, die ursprünglich für kurze Filme gedacht waren.

Zum Einsatz kommen bei dem Multiinstrumentalisten Kjell Braaten alte nordische Instrumente, die den Stücken dieses gewisse Etwas verpassen. Zusammen mit weiteren nordischen Musikern entstand so ein Album voller geheimnisvoller Mystik und einem Anflug von Fernweh. "Ferd", so die Info im Begleitschreiben, steht für Reisen, für Entdeckungen machen und so geht es dem Hörer, der musikalisch in die Weiten des Nordens reist und dort allerlei Fremdes entdecken kann. Unterschwellig kann man aber spüren, dass dieses Fremde gar nicht allzu sehr fremd erscheint, denn tief in den Genen spürt man die alten Götter, die Nähe zur Natur und alles Moderne scheint weit weg zu sein.

Tribale Rhythmen, die Klänge sehr alter Instrumente und die Melodien, die es schaffen von Fern- zu Heimweh zu springen, lassen das Album zum perfekten Entschleuniger werden. Kjell Braaten erzeugt Stimmungen, die sofort wirken. Da die Stücke quasi von Reisen berichten, kann man im Meerdrachen Platz nehmen und mitfahren. Schön auch, dass der Protagonist zu jedem Track eine kurze Beschreibung ins Booklet gestellt hat. So erklärt sich dann auch der orientalische Touch in manchen Nummern. In "Kyst" etwa begrüßt die Lure die zurückkehrenden Schiffe und sie haben etwas von der langen Reise mitgebracht – die orientalischen Weisen sollen dies symbolisieren. In "Østavind" geht es darum, dass viele der im Norden eingesetzten Instrumente ihren Ursprung im fernen Osten haben.

Man darf also trotz des nordischen Tenors nichts im Stile Wadrunas erwarten. Dafür ist die Bandbreite zu weit gefasst und die Äxte kommen seltener zum Einsatz. Auch dabei ist die Geschichte über Huldra, einem Naturgeist der skandinavischen Folklore, die aus ihrem unterirdischen See kommt, sich in ein hübsches Mädchen verwandelt, um ein männliches Opfer zu finden und es dann mit in die Unterwelt zu nehmen. Mystische Tunes geben dem Ganzen Feinschliff.

Das tun auch die Gastsängerinnen von Atralseid und Eldrim, die mit ihren stimmlichen Einsätzen in Kontrast zum tiefen Klang der Lure das ein oder andere Mal die Songs veredeln. "Blåne" ist das norwegische Wort für das Blau der Berge, das umso kräftiger erscheint, je weiter der Berg entfernt ist. Man nutzt das Wort aber auch, wenn jemand weit von einem entfernt ist und man Sehnsucht hat. Dieses Thema ist hervorragend musikalisch umgesetzt und dem Stück kann man durchaus eine gewisse Art World-Folk-Psychedelic attestieren.

Ganz stark sind auch die Zeichnungen zu jedem Song im Booklet, die von verschiedenen Künstlern äußerst stimmungsvoll und passend zum Track gewählt wurden. Das stimmungsvolle Coverbild soll wohl "Kyst" zeichnerisch erklären. Die Schildmaid bläst die Lure, um die Rückkehrer zu begrüßen, die ein Stück Orient mitbringen.

"Ferd" ist ein schönes Album, das wunderbar in den dunklen November passt und das einem erlaubt in den nordischen Weiten Mystisches zu erleben.


Line-up Kjell Braaten:

Kjell Braaten (vocals, all instruments)

Rachel and Ruben from Agdir (voices, tagelharpie – #1)
Martine Kraft (hardanger fiddle – #2)
Gustav and Runahild from Atralseid (voices – #7)
Runahild Kvitbjarkan (voice and melody – #8)
Espen and Hilde from Eldrim (voices – #9)

Line-up "Ferd":

  1. Kyst (6:21)
  2. Vestarveg (5:12)
  3. Skogsflukt (6:45)
  4. Vette (4:31)
  5. Østavind (3:13)
  6. Storebjørn (5:42)
  7. Ritet (5:32)
  8. Huldra (5:35)
  9. Blåne (7:41)
  10. Ferd (6:08)

Gesamtspielzeit: 56:47, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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