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Klaus Michel / Primavera – CD-Review

Klaus Michel / Primavera – CD-Review

Klaus Michel ist auf dem besten Weg eine feste Größe in RockTimes zu werden. War er 2013 mit seiner Band Red Hill in der Lage, mir eine vor Begeisterung offenstehende Kauleiste zu bescheren, so bekam auch sein Doppelalbum Of Lovers, Friends & Other Enemies im letzten Jahr das Prädikt »Tipp«. Da steht nun natürlich die spannende Frage im Raum, ob die neue Platte "Primavera" diesen Level halten kann.

Und die Platte geht richtig los, mit einem hochmelodischen Countrysong, den eine geniale Pedal Steel Gitarre beseelt. Und als ob das nicht genug wäre, steuert das Gespann Ina und Wolfgang Behm starke Backings bei. Was für ein Eröffnungstrack!

Überhaupt darf man dem Album attestieren, dass die Backing Vocals mehr als das Salz in der Suppe sind. Die verschiedenen Damen und Herren am Mikrofon sorgen für geniale Momente, die den Stücken eine enorme Wärme und Dichte geben. Speziell in "Don´t Give Up" fühle ich mich auf das Angenehmste an das Duo Plant und Krauss auf Raising Sand erinnert. Bei "Secrets", einer wunderbar harmonischen Nummer fasziniert, wie auf vielen anderen Tracks auch, das begeistermde Spiel der Steel Gitarre.

Klaus Michel hat einen großen Reigen an Musikern für seine Platte gewinnen können, die, jeder auf seine Art, absolut stimmig im Kontext der Kompositionen agieren. Der Tenor "Primaveras" geht in die Ecke Country, Americana, hat aber ab und an den richtigen Spritzer Indie. Stets sorgen Tempo- und Rhythmuswechsel für Spannung und Abwechslung und irgendwann ertappt man sich dabei, dass man gar nicht mehr sicher sagen kann, welcher Track denn nun gerade der Beste ist. Ist es etwas wie das gefühlvolle "You And Me" oder etwas wie "Hands", in das Klaus auf äußerst gekonnte Art am Anfang "Dance Hall Days" von Wang Chung eingebaut hat, um dann mit einem fast an den alten Keith erinnernden Riff in eine Richtung zu musizieren, die Tom Petty sehr gut zu Gesicht gestanden hätte? Irre!

Vielleicht aber auch das intime "Waiting", das äußerst stimmungsvoll per Steel und Backings den Blick nach draußen in den düsteren Novemberhimmel lenkt. Ganz anders das mit einem Fetzen amerikanischer Nationalhymne beginnt und dann auf die Schattenseiten der zur Zeit der Albumentstehung herrschenden politischen und gesellschaftlichen Zustände eingeht. Ein Stück, wie es auch für den Boss hätte geschrieben sein können!

Auch wenn das Album 'Frühling' heißt, goutiert es doch die eher tristen Stimmungen, die im November vorherrschen. Die Stücke laufen wohlig warm den Rücken runter, während es draußen ungemütlich ist. Mit einem passenden Getränk und dem Booklet in der Hand, kann das Hören im warmen Zimmer ein sehr angenehmer Zeitvertreib sein. Diese Musik hören und die gehaltvollen Texte mitlesen, so macht trübes Wetter Spaß.

Es ist interessant, wie sich Klaus ähnlichen Themen musikalisch annimmt; da wird  in "Life Away" in flottem Tempo auf die Vergänglichkeit eingegangen, während das im folgenden "Passing Away" ungleich trauriger geschieht. Hut ab vor diesem Songwriting, das sich vor internationalen Größen in kleinster Weise verstecken muss. Im Gegenteil!

Wie geil ist dann der letzte Track … Nach so viel düsterem November trabt da ein lockerer Country-Schunkler durchs Dorf und erzählt, von einer Südseegitarre begleitet, von einer Bar am Strand. "Vacation" eben.

Ein tolles Album, bei dem ich nicht herumkomme, den Daumen zu strecken. Klarer Tipp!


Line-up Klaus Michel:

Klaus Michel (vocals, guitars, percussion, bass, drums, e-bow, keyboards, drum computer, CP70)
Oliver Kölsch (drums – #1-4, 6-12, backing vocals – #8)
Pablo Lachmann (bass – #12)
Dietmar Wächter (pedal steel guitar – #12)
Mark Horn (pedal steel guitar – #3,7,8)
Jürgen Schmidt (pedal steel guitar – #2)
Martin Huch (pedal steel guitar – #1, Weissenborn -#1)
Thomas Jung (keyboards – #11, drum computer – #11)
Peter Dümmler (guitar – #8)
Christian Majdecki (percussion)
Kai Zingler (bass – #1-4, 6-11, backing vocals – #8,12)
Catherine Klier (vocals – #9,10, backing vocals- #9,10, keyboards – #9,10)
Jutta Spang (backing vocals – #7)
Susan Zerfas (backing vocals – #6)
Tim Greiner (keyboard – #5, xylophone – #5)
Ina und Wolfgang Behm (backing vocals – #1,2,3)

Tracklist "Primavera":

  1. Homeland
  2. The World Keeps Turning
  3. Secrets
  4. Three weeks
  5. You And Me
  6. Hands
  7. Waiting
  8. American Dream
  9. Don´t Give Up
  10. Life Away
  11. Passing Away
  12. Vacation

Gesamtspielzeit: 52:48, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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