Wow – um mal ein Wort aus der Werbung zu nehmen, ohne das es fast nicht mehr zu gehen scheint – sage ich mal mit dem Brustton der Überzeugung zum neuen Album "Stromboli" des Hunsrücker Musikers Klaus Michel. Ein ehrliches, anerkennendes Wow, denn zum einen kommen mir viele der Stücke sehr tief und intim vor und zum anderen ist Klaus sehr nahe an einer meiner – immer noch – Lieblingsscheiben: FUNeral von Red Hill, der Indierockband aus dem Hunsrück. Ist eigentlich kein Wunder, denn das Line-up Red Hills findet sich auch auf Stromboli. Klaus Michel ist ja klar, aber auch Kay Zingler und Tim Greiner sind mit an Bord.
Musiker hören es ja nicht immer unbedingt gerne, wenn man neuen Output mit altem vergleicht, aber wenn man ehrlich bleiben will, kommt man nicht umhin, darauf einzugehen und gerade dieses ab und zu melancholische Timbre durch Gitarre und Gesang in einigen Nummern ist für mich Klaus Michel. Zum Albumnamen "Stromboli" heißt es auf der Seite des Pro-Winzkinos: »Ganz bewusst ist das Bild der kleinen Vulkaninsel als widersprüchlicher Sehnsuchtsort, voller Energie und gleichzeitig in Einsamkeit gewählt. Liebe und Hass, Krieg und der Wunsch nach Frieden, all das wird auf STROMBOLI verhandelt«. In Simmern steht dieses Kino mit dem saustarken Namen und dort findet am 19. April 2024 die Releaseparty der am 12. April bei Rockwerk Records erscheinenden CD statt.
Sehnsucht, Energie, Einsamkeit, Liebe, Hass, Krieg und Frieden … all das wird durch die Musik auf vorliegendem Werk transportiert und vermittelt. Die Texte haben eine Aussage und sind nach VÖ auf der Website des Künstlers zu finden. Nun ja, wieso "Stromboli" Stromboli heißt und nicht etwa Stumpfer Turm oder Gräfendhroner Wacken, ist sicher der Tatsache geschuldet, dass der Protagonist ein ausgemachter Italienfan ist, was man an seinen Bildern in den sozialen Medien sehen kann, denn Italien auf dem Fahrrad erleben ist eines seiner Steckenpferde. Dabei ist doch auch der Hunsrück eine tolle Landschaft und nicht umsonst lernen oder lernten die Kinder dort so Weisheiten wie »Mosel, Nahe, Saar und Rhein schließen unsern Hunsrück ein«.
Aber nun zur Musik des mehrfachen Trägers des deutschen Rock und Pop Preises, den man vor kurzem auch im Interview beim SWR 1 sehen konnte.
Gleich der Titeltrack verbreitet dieses Sehnsuchtsfeeling. Stimmungsvolle, Einsamkeit verbreitende Gitarrensounds wie weiland bei Red Hill. Das ist weit mehr als ein starker Einstieg in eine tolle Platte. Tempomäßig runter, aber stimmungsmäßig noch eine Stufe höher folgt mit "Here With You" das nächste Highlight des Albums. Klaus ist da ganz nahe am Hörer – und umgekehrt der Hörer auch am Künstler. Irgendwie macht sich Fernweh-Feeling breit und es ist genial, wie sich die Gitarre zu stoischer Begleitung in die Höhe schraubt.
An dieser Stelle ziehe ich auch den Hut vor der großen Anzahl an Mitmusikern und deren gekonnt platzierten Einsätzen. Tim Greiner und Thomas Jung sorgen mit Fender Rhodes, der B3 sowie dem Mellotron für wohlige Schauer in "Don’t Be Cruel To A Fool". Neben Klaus sind außerdem auch Peter Dümmer, Chris Schmitt und Holger Buhr als Saitenschwinger unterwegs und das Lied an sich erinnert in seiner musikalischen Machart an große Sachen eines gewissen Mr. Lennon. Ein Sahnestück!
"This Is How" schielt etwas in Richtung aller Pilzköpfe. Wie auch "In Fall" – bis dort Daniela Lawskys Trompete eine andere Dimension hinzufügt. Klaus' sanfte Vocals samt den nicht minder packenden Backings, ebenfalls von Daniela, sind allerfeinst. Und dann die Trompete, klagend, einsam … Jesses, das haut auf die Glocke.
"Going Down" ist gefährlich, da das sich langsam und gemütlich hochschaukelnde Stück in bester Singer/Songwriter-Manier (plus den beeindruckenden backing vocals) den Wunsch aufkommen lässt, sofort zur Gitarre zu greifen. Aber da Klaus auch Gitarrenlehrer ist, will man sich da keine Blöße geben. Im Gegensatz zu "Tunnels And Fences (Gaza)" gleiten die starken backings von Wolfgang Behm zum von Dennis Kessler gespielten Flügel in "As A Friend" wie eine zarte Ray Davies-Nummer in die Gehörgänge.
"Tunnels And Fences (Gaza)" ist da wie gesagt anders. Brutal holt einen das Teil aus den Wolken und Dominic Daubs Noise und Drumbeat stellen musikalisch dar, was der Titel impliziert. Dieses Stück und auch das forsch gespielte "Fading Away" werde ich erst einmal ausblenden, wenn ich "Stromboli" höre. Momentan läuft "War (Again)" mit dem schön geschlagenen Gitarrenrhythmus, über den sich im weiteren Verlauf die Sologitarre legt, dazu wieder dieser Touch Indie mit der einnehmenden und unverkennbaren Stimme Klaus Michels. Wenn ich darüber nachdenke, bin ich eigentlich schon länger soweit, diesem Künstler eine eigene Schublade zu bauen: Hunsrück Rock.
Klaus Michel ist mit "Stromboli" erneut ein starkes musikalisches Werk gelungen. Intime Singer/Songwriter-Zutaten und harmonische Tiefe mischen sich mit teils staubig rauen Americana-Tunes. Und über allem schwebt diese mal stärker, mal mehr latent vorhandene Hunsrücker Indie-Herkunft. Dazu Texte mit Aussage und Musiker, die ihr Handwerk verstehen. Es passt einfach alles und wenn man es mal genauer betrachtet, ist es gar nicht mal soo weit, vom Hunsrück auf die Insel da im Mittelmeer. Und was ist der Stromboli gegen den Eifeler Laacher-See-Vulkan in der Nachbarschaft des Hunsrücks? Vulkane, Zerstörung, Gefahr – aber auch Ruhe und Schönheit der Natur; das liegt eigentlich nah beisammen. So nah, wie die Themen und die Musik vorliegenden Albums: Sehnsucht, Einsamkeit, Liebe, Hass, Krieg und Frieden.
»It’s the border in their head of those who give the commands
it’s them saving their lives while mothers cry and fathers die«
[aus "War (again)"]
Line-up Klaus Michel:
Klaus Michel (lead & backing vocals, acoustic & electric guitars, Mellotron, Fender Rhodes, Yamaha CP 70, keybords, drums, percussion & other instruments)
Kay Zingler (bass)
Oliver Kölsch (drums)
and
Peter Dümmer (2nd guitar solo – #3, acoustic guitar – #8)
Tim Greiner (Fender Rhodes – #2,3,7, flute – #3, keyboards – #2,9, percussion – #4, vibraphone – #6)
Ina Behm (backing vocals – #2)
Daniela Lawsky (trumpet & backing vocals – #12)
Susan Zerfas (backing vocals – #2)
Diane King (backing vocals – #8)
Wolfgang Behm (backing vocals – #5,11)
Dennis Kessler (grand piano – #5)
Ruben Mesado Estrada (violin – 11)
Chris Schmitt (1st guitar sollo – #3)
Holger Buhr (additional guitar – #3)
Daniel Dötsch (backing vocals – #7,11)
Thomas Jung (Hammond B3 & Mellotron – #3)
Dominic Daub (noise & drumbeat – #10)
Martin Huch (pedal steel guitar – #9)
Tracklist "Stromboli":
- Stromboli
- Here With You
- Don’t Be Cruel To A Fool
- Fading Away
- As A Friend
- War (Again)
- Lost Again
- This Is How
- Alright
- Tunnels And Fences (Gaza)
- Going Down
- In Fall
Gesamtspielzeit: 48:27, Erscheinungsjahr: 2024
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