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Klaus Schulze / Eternal. The 70th Birthday Edition – CD-Review

Klaus Schulze / Eternal. The 70th Birthday Edition

Klaus Schulze, Künstler von MIG, wurde im August dieses Jahres von seiner Plattenfirma in Form einer Edition geehrt. Anlass war sein 70. Geburtstag.
Die erste CD enthält ein Album, das bisher komplett unveröffentlicht war. Die Musik hierzu entstand in den Jahren 2006/2007. Auf der zweiten CD gibt es drei Titel, die seinerzeit für einen Keyboard-Hersteller aufgenommen und in sehr kleinen Auflagen von 300 Exemplaren auf Musikmessen verteilt wurden. Das "Andromeda"-Thema wurde in einer anderen, stark gekürzten Version (23:52) als Bonustrack auf dem Album "Dreams" veröffentlicht, und nun können wir es in der kompletten Länge von gut siebenundfünfzig Minuten hören.

Zur ersten CD: "Rhodes Romance" ist still, ganz fließend, sehr beruhigend, sehr meditativ, sehr warm im Klang, die einzige 'Unruhe' sind die ständigen solistischen Tupfer, bis dann nach gut zwanzig Minuten etwas Bewegung in das Grundmuster kommt und später noch perkussive Elemente hinzustoßen. Hierzu passt auch die folgende Textpassage aus dem Begleittext von Ecki Stieg im Booklet: »Schulzes Musik ist eine ewig währende Reise – und niemand kennt die Weggabelungen und das Ende. Kann es etwas Spannenderes geben?«

Ja, richtig, dann, wenn man glaubt, sich gewöhnt zu haben an diesen ständig ruhig strömenden Fluss, dann stößt von irgendwoher ein Nebenfluss dazu und bringt frisches Wasser, das verarbeitet wird zu einem neuen Ganzen. Diese Musik benötigt daher diese Länge, solche Geschichten kann man nicht in der Kürze erzählen, hier braucht man Zeit, um den Entwicklungen zu folgen. Hierzu zitiere ich dann auch den Musiker selbst, so wie er im Booklet bemerkt: »Heute ist doch eher die schnelle Mark am Hauptbahnhof gefragt, anstatt Sensibilität und Langfristigkeit. Entweder glauben die Leute, dass sie diese Zeit nicht mehr haben – oder sie nehmen sie sich nicht mehr. Heute will man schnell zum Punkt kommen. Egal, ob das beim Sex, beim Geschäft oder bei Musikproduktionen ist. Das ist halt unsere Zeit. Wenn du das Wesen der Musik – oder von Kunst generell – entdecken willst, musst du tiefer forschen und dich darauf einlassen.«

Die Musik des ersten Songs trägt mich gedanklich weit zurück in die Stimmung der frühen Schaffensphase des Künstlers,"Minority Report" steckt musikalisch eher in der 80er Phase des Musikers und mit "Mongolia" wird heftig experimentiert. Gleich zu Anfang scheint man mongolische Kehlkopflaute zu vernehmen, eine sakrale mittelalterliche Stimmung baut sich dann mittels Einsatz von Chören auf. Dieses Stück hebt sich sehr ab von dem, was man von Schulze sonst so gewohnt ist und steht für mich als angenehme Neuentdeckung von hypnotischem Charakter.

Die zweite CD beginnt mit einem "Schrittmacher" und bringt mich mit flirrenden Klängen sogleich in Stimmung und Wallung. Ein flatternder unruhiger Sound ist nicht unbedingt zur Ruhe verleitend und klingt in der Tat wie die Darstellung einer Präsentation, was mit einem Keyboard alles zu machen ist.

Diese Demonstration gelingt dann insofern auch mit den beiden anderen Songs. Gesang und nicht echte Trompete zeugen davon, dass Schulze auch hier wieder Beweise für seine Kreativität und seinen Forschungsdrang lieferte, insbesondere für Liebhaber der Musik eindrucksvoll mit "Andromeda – The Grand Trance" dargestellt, allerdings auch nicht in der typischen Art des Künstlers.

Hier entwickelt sich die Grundsequenz langsam aber stetig hin in eine Atmosphäre, die nuancenreicher wird und erst ab etwa fünfzehn Minuten die fließende Ruhe mit aufnimmt, als gegensätzlichen Bestandteil zur weiterhin unruhig wabernden Oberfläche, die dann bei etwa neunzehn Minuten auch noch durch stampfende Rhythmusklänge unterstützt wird. Und so verfällt der Song immer mehr in Richtung Bombast, der sich ca. ab Minute fünfundzwanzig zunächst ganz verabschiedet. Das Klang-Meer wird nun glatt und ganz ruhig, um nach und nach wieder starke Wellen zu bilden und zur Anfangs- und Zwischenstimmung zurückzukehren. Zudem öffnet sich nach ungefähr achtunddreißig Minuten eine neue Tür – das elektronische Schlagzeug übernimmt ganz allein und – ob das nun ein Schlagzeugsolo sein soll oder nicht – bleibt es nur kurz, und das ist auch gut so. Denn diese Drum-Sounds sind nicht unbedingt erstrebenswert, zumal mich selbst die Begleitfunktion bisweilen etwas nervt. In Ordnung geht für mich im Übrigen auch nicht, dass der Titel abrupt ausgeblendet wird. Fazit: "Rhodes Romance" ist mein erklärter Favorit!


Line-up Klaus Schulze:

Klaus Schulze (all instruments)

Tracklist "Eternal":

CD 1:

  1. Rhodes Romance (47:41)
  2. Minority Report (13:33)
  3. Mongolia (18:23)

CD 2:

  1. Schrittmacher (13:35)
  2. Ion/Andromeda (16:07)
  3. Andromeda – The Grand Trance (41:09)

Gesamtspielzeit: 79:51 (CD1) 70:59 (CD2), Erscheinungsdatum: 2017

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
Meine Seite im Archiv

Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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