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Kofi Baker’s Cream Experience / Live in Bremen – CD-Review

Wenn man 'google' mit den Suchbegriffen Baker und Drums bemühen würde, dann gäbe es etwa 812.000 zutreffende Web-Seiten. Und die würden wahrscheinlich in einem hohen Maße dem legendären Cream-Schlagmann Ginger Baker gewidmet sein. Ginger, dessen Eltern eigentlich Peter Edward als Vornamen ihres Sprosses ersonnen hatten. Feuerrote Haare waren Schuld an der Umtaufung.
Aber siehe da, schon zum Ende der ersten Seite benennt die schlaue Suchmaschine Kofi Baker, den Sohn des großen Mannes, und zeigt damit ein erstes Stück hoher Wertschätzung für den trommelnden Filius. In der Tat hat Kofi sehr viel vom Talent seines Vater geerbt und das schon in frühen Jahren gemeinsam mit ihm auf den Bühnen der Welt demonstriert. Nun findet er den finalen Überschlag zu seiner Familiengeschichte und widmet sein Projekt mit Hingabe und voller Respekt dem Werk von Cream. Ginger BakerJack BruceEric Clapton. Allein die Namen dieser Musiker lassen die Nackenhaare zu Berge stehen. Cream waren und sind bis heute die ultimative Supergroup der Rockmusik, da schummelt das beiliegende Informationsblatt nicht mit Übertreibung.

Aber genetisch belastet und motiviert zu sein ist das eine, doch Cream zu spielen bedeutet vor allem: man muss es können. So viel vorweg: Kofi Baker, Chris Shutters und Bob Willemstein können – und wie! Gezeigt haben sie es dem begeisterten Bremer Publikum schon 2014 im Meisenfrei Blues Club und Sireena Records, die mir schon einige verschollen geglaubte Perlen aus lange zurückliegenden Zeiten geschenkt haben, bringen in diesen Tagen den Mitschnitt auf zwei mitreißenden Tonträgern in die Plattenläden.

Schon die Setlist treibt einem bei der ersten Durchsicht die Tränen in die Augen. Mit viel Gefühl für inhaltliche Stimmigkeit ergänzt Kofi nämlich die Sahne-Stücke seines Vaters um ein paar Nummern, die allein schon das Geld wert wären. "Little Wing" von Jimi Hendrix, einer meiner Allzeit-Lieblinge passt sich geschmeidig in den Cream-Set, genauso wie die wunderschönen Blind Faith-Nummern "Can’t Find My Way Home" oder "Presence Of The Lord".

Dass sie ausgerechnet mit "White Room" eröffnen, weckt nostalgisch verträumte Erinnerungen. Meine erste wirklich intensive Berührung mit der Musik von Cream hatte ich als zu spät geborener in 1980, wie so oft vermittelt durch den 'Rockpalast', als Jack Bruce & Friends ein fantastisches Konzert einspielten. Mit "White Room" als Opener. Kofis Bande nimmt diesen Super-Klassiker sehr elegant mit spärlichem Intro an die Hand, entwickelt ihn aber in der Folge zu einem Meisterwerk psychedelischer Outbreaks mit Tempiwechseln und einer fuzzigen Gitarre, die über die Vergangenheit zu reflektieren scheint. In allen Farben und Facetten. So geil. Ein retro getränktes Power Trio in einem sehr persönlichen Gewand, schon jetzt spürt der geneigte Altrocker, wohin die Reise geht. Liebe zum Original manifestiert sich in werksgetreuen Versionen, den Spielraum für freie Improvisation hat eine solche Musik stets mit eingeschlossen – sie fordert das sogar.

»Hey, the next tune is "Politician", and ah, it goes like this…« So einfach ist etwas, was den älteren unter uns eine Gänsehaut ins Gemüt einflößen kann. »I practice what I preach, I support the left, thought I’m leaning, leaning to the right, but I’m not there when it’s coming to fight«. Wie war das noch mit Bushs und Merkels Farmen in Paraguay?

Gelegentlich erweckt das Trio sogar zarte Erinnerungen an Johnny Winter, wenn der sich den rockigeren Aspekten seines Seins zuwendete. "Outside Woman Blues" hätte tadellos in eine solche Serie hinein gepasst. Und in "Sleepy Time" darf Bobs markanter Bass auch ein paar solistische Punkte setzen, Jack Bruce hat das ja bis zum Exzess praktiziert. Ach ja, ganz nebenbei, wie Chris hier die Daumenschrauben in seinem wirklich gewaltigen, bluesigen Gitarrensolo anzieht, dürfte jeden Fan guter klassischer Bluesrock-Musik endgültig aus dem Sessel holen. Jetzt geht die Post ab.
Fast nicht zu glauben, die vertrakte Rhythmik in "Do What You Like" stammt zwar auch aus alten Blind Faith-Tagen, klingt in den Harmonien aber fast ein wenig nach meinen alten Freunden von Been Obscene, nur in ein psychedelisch abdrehendes Gitarren Freak-Out zu münden. Ha, ich wusste gar nicht, wo meine Salzburger Freunde überall ihre Wurzeln geschlagen haben, im Blues Rock wäre das sicher nicht zu vermuten gewesen – ist ja auch nur eine kurze Sequenz.

Kofi Baker ist ein unglaublich dynamischer, oft atemraubend variabler Drummer, einer von denen, die das Schlagzeug auch während eines Songs zu einem Solo-Instrument erwecken können. Darum sei ihm ein nachhaltiges Solo aus tiefstem Herzen gegönnt, denn er weiß, wie man das anstellt. Ich gebe unumwunden zu, dass ich als Besucher von Konzerten eher meine Pinkelpausen in die Schlagzeug-Solos platziere. So viele gute Bakers gibt es eben nicht in der Welt, Matt Abts ist einer derjenigen, denen immer schon meine ungeteilte Aufmerksamkeit galt. Kofi gehört unzweifelhaft auch dazu.

"Sunshine Of Your Love" erwartet uns auf Seite zwei, für mich für immer der Aufhänger, wenn es um Cream geht. Ein Song wie ein Monument, ein Denkmal einer ganzen Kulturepoche und für alle Zeiten. Damals im 'Rockpalast' bin ich echt ausgeflippt, als Jack mit Clem Clempson so fabelhaft intonierte. Und hier ist er wieder, gespielt von einer Combo, die scheinbar genau so viel Spaß dabei hat wie wir. Diese Lockerheit, die man sich bei aller gebotenen Ehrfurcht vor den mächtigen Originalen bewahrt, bringen den Kick in diese Aufnahme. Am Ende wird einfach nur prächtig musiziert, Klassiker oder nicht, wenn der Flow in die Sphären driftet, dann lass in erinfach laufen. Das machen die Jungs und das hört sich verdammt gut an.

Mit "Badge" und "Spoonful" legt man auf der zweiten Scheibe zwei große Klassiker der Cream-Zeit nach und am Ende rotzen sie uns eine geniale Version des Beatles-Klassikers "She’s So Heavy" vor die Füße – voller Inbrunst, bluesschwanger, progressiv. Und der Psych am Ende driftet zu den Sternen. Kurz und knapp, am Puls der Zeit und ohne Gefangene zu machen.

"Crossroads" beendet einen denkwürdigen Abend, den die dabei gewesenen sicher gern in Erinnerung behalten haben. Nun können sie es auf alle Tage hin auch auf dem schönen Silberling, der mit klassischen Cream-Schriftzügen und einem heftigen Altrosa auf dem Cover daher kommt, das ein wenig an die farbliche Explosion auf dem genialen Sampler der Mutterband zu finden ist, Creams "Those Were The Days", dem Sammelwerk, welches für mich als ein Kind der Siebziger die Wunderwerke der drei großen Männer aus den Sixties so herrlich kompakt aufbereitet hat.

Wenn sich aus tiefer Verbundenheit, familiär und kulturell, ein großartiger Musiker an die Wurzeln seiner Existenz begibt und unumwunden die größten Erfolge seine Vaters zu seiner Aufgabe erklärt, dann muss das zwangsläufig eine Menge Leidenschaft und Wertschätzung in sich bergen. Ein Attribut, welches die Künstler auf der Bühne ganz sicher beflügelte und das sich unmittelbar auf den Hörer überträgt – noch dazu, wenn der sich in zahllosen, hingebungsvollen Erinnerungen an die guten alten Zeiten wiederfindet. So schafft es Kofi Baker, ein verbindendes Band zwischen sich und dem Publikum zu legen, und ganz sicher auch zu seinen Hörern der CD. Altes neu gehört? Selten traf das so sehr und so mitreißend zu wie auf diesem fantastischen Live-Album. Cream waren die Sahne des bluesgeprägten Rock, und Kofi Baker schlägt sie für uns auf ein Neues auf. Da nehme ich gerne einen Nachschlag.


Line-up Kofi Baker’s Cream Experience:

Kofi Baker (drums, vocals)
Chris Shutters (guitar, lead vocals)
Bob Willemstein (bass, vocals)

Tracklist "Live In Bremen":

CD 1:

White Room

Politician

Outside Woman Blues

Sleepy Time

I’m So Glad

Presence Of The Lord

Pressed Rat And Warthog

Do What You Like

Drum Solo

CD 2:

Sunshine Of Your Love

Little Wing

Badge

Can’t Find My Way Home

Deserted Cities Of Your Heart

Spoonful

She’s So Heavy

Crossroads

Gesamtspielteit: CD 1: 61:24, CD 2: 54:59, Erscheinungsjahr 2016

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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