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Kore / Perspectives – CD-Review

Hardcore? Metalcore? Punkcore? Core? Kore. Kore – ohne was davor. Kein Bandname, bei dem man die Frage stellen muss, von was der Philosoph vergangene Nacht geträumt hat. Einfach Kore – kompakt und prägnant. Das, was draufsteht, das ist auch drin. Denn Kore fackeln nicht lange und kommen schnell auf den Punkt. Mit dunkel angestrichenem Alternative Rock. Die vier Saarländer kreieren dabei auf ihrem Debütalbum (nach einer ersten EP 2016) ein paar spannende Kombinationen, denn das Gros der elf Songs (das Intro ausgenommen) ist zutiefst nachdenklich, aber trotzdem sehr schnell und dynamisch, heavy-melancholisch. Die Lyrics beschreiben mehr Gedanken als Geschichten – Gedanken von Verlorenheit und Entfremdung, von Selbstzweifeln und innerer Zerrissenheit, von einer Sehnsucht nach Geborgenheit und einem Ausweg.

Um die Botschaften ohne langes Fackeln ans Publikum zu bringen, halten Kore ein paar Nummern bereit, die ziemlich straight und direkt ihre Botschaft raushauen. Ihr Chorus braucht (gerade auch für die Live-Performance) wenig Worte und liefert einen umso größeren Mitsing-Faktor. "Save My Soul" ist so ein besonders geradeaus 'rufender' Song. "Living For" auch – mit seinem hervorstechenden, dynamisch-filigranen Bass-Puls und einem Drive, der vom ersten Takt an für klatschende Hände sorgen muss. "Hold My Hand" mit seinem Mitgeh-Refrain auch. Und natürlich der Ohrwurm "Sun Goes Down" – eines der stärksten Stücke des Albums. Das forcierte Tempo, die sehnsuchtsvoll hallenden, hohen Clean-Gitarren und der ganz einfach mit verzerrter Düster-Gitarren-Atmo verdichtete, aber großartig pushende Chorus kreieren einiges an Bannkraft.

Daneben gibt es Songs, die … gar nicht mal 'mehr Tiefgang' haben, denn die oben genannten treffen den Hörer ebenfalls tief in Mark & Seele – aber sie wählen verzwicktere Wege. "Falling Apart" kommt langsamer und zurückhaltend im Deckmantel einer Halbballade daher und nimmt sich Zeit: Der Chorus macht hier die Hälfte der Lyrics aus. Und dann steigert sich dieses "Falling Apart" doch noch in einen intensiven atmosphärischen Nachhall und packt vehement zu. Tempotechnisch war das aber die ganz große Ausnahme. "Someday" hat gewohnte Kore-Geschwindigkeit, aber ähnlich wie "Falling Apart" einen auffallend großen Spannungsbogen. Lautheitstechnisch präsentiert sich als Gegensatz zu einigen sehr kraftintensiven Stücken eine zur Abwechslung erfrischende Passage mit etwas weniger Gravitation.

Auch "Show Is Not Over" sticht heraus, in diesem Fall durch die deutlich angespitzte Rhythmik. Der simple Refrain setzt einen gelungenen Kontrapunkt – Trance-artig bohren sich die Worte wieder und wieder wiederholend in die Hirnwindungen des Hörers. So funktioniert auch der Chorus von "Hydrophobia", und das noch eine Stufe eindringlicher – ölig, traning, gewaltig, träge und dunkel wie kein anderer Song auf "Perspectives". Das soll nun aber gar nicht allzu suizidal klingen. Die Musik von Kore wirkt wehmütig und gedankenversunken, kontemplativ und zuweilen auch schwermütig. Aber es gibt auch einige ermutigende und aufrüttelnde Botschaften. So polt das unbändig nach vorn preschende "Right Words" seine Energie fast unbemerkt immer wieder um, zwischen bedrückend und aufbauend. Und "Northkore" verströmt sogar regelrecht positive Vibes.

Und wo gibt es Kore komplett konzentriert: im Opener "Open Mind". Hypnotisch arbeiten sich die fast stoischen Riffs ins Ohr und wirken im Bauch. Der Groove ist einfach, aber präzise und raffiniert. Der Chorus erhöht von einer zur nächsten Halbsekunde Dichte, Fluss und Oktanzahl … und knallt. Willkommen in einem Headbanger zum Augen geschlossen halten; heavy und mit Umdrehungen, hypnotisch. Es sind Details, die wirken: das Schlagzeug, das hörbar diesen gewissen Hauch körperintensiver gespielt wird, als es vielleicht im Lehrbuch stehen mag. Und die ganz leicht angedeutete Atemlosigkeit des Gesangs zum Ende jeder Zeile des Refrains …

… und man muss Kore hier fast dankbar dafür sein, dass sie keine Keyboards eingesetzt haben, um ihre Klangräume auszufüllen und an der Dramatikschraube zu drehen. Wenn es (ganz selten) überhaupt mal einen zusätzlichen 'Effekt' braucht, dann gibt es ein paar Takte geschrubbte Gitarre mit Halleffekt oder über allem schwebende Gesangs-Overdubs. Doch das sind nur vereinzelte Tupfer. Denn der Stil der Band auf "Perspectives" braucht unbedingt dieses Trockene und Bodenständige. Einfach Kore – kompakt und prägnant. Starkes Teil.

 


Line-up Kore:

Alessandro Polizzi (Gesang)
Jürgen Hubert (Gitarre)
Felix Klein (Bass)
Dirk Nilles (Schlagzeug)

Tracklist (Perspectives):

  1. Intro (0:25)
  2. Open Mind (4:51)
  3. Sun Goes Down (4:32)
  4. Falling Apart (4:03)
  5. Save My Soul (3:02)
  6. Right Words (3:53)
  7. Show Is Not Over (3:55)
  8. Someday (5:02)
  9. Living For (4:00)
  10. Northkore (3:29)
  11. Hydrophobia (3:52)
  12. Into The Night (3:47)

 

Erscheinungsjahr: 2018, Gesamtspielzeit: 44:51

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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