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Krissy Matthews Band & Friends / Album-Releaseparty, 11.05.2024, Gerd’s Juke Joint, Joldelund

Krissy Matthews Band & Friends / Album-Releaseparty, 11.05.2024, Gerd’s Juke Joint, Joldelund

Metamorphosen, Nominierungen, viel Energie und große Freude

Krissy Matthews erlebte ich das erste Mal am 15.04.2010 auf der Bühne im Bremer (Blues)Musikklub Meisenfrei. Im Jahr zuvor hatte sich der junge Brite mit norwegischen Wurzeln professionalisiert, nicht ohne tatkräftige Mithilfe seines Vaters Keith, der seinen noch nicht volljährigen Sohn live am Tieftöner unterstützte. Im Meisenfrei spielte damals ein Doppelpack und wurde vollmundig als Zukunft des Blues Rock gepriesen, denn auch der Hauptprotagonist der Jay Tamkin Band war nur wenig älter als Krissy Matthews, allerdings immerhin unter den Fittichen von Kris Gray (Gray & Wyatt, Chris Farlowe, Miller Anderson). Tamkin, Landsmann von Krissy, spielte denn auch den zweiten Slot des Abends und erwies sich dabei als erstaunlich nervös, aber hochmusikalisch. Krissy Matthews dagegen nutzte seinen Dosenöffner-Part vor spärlicher Kulisse, um mit jugendlicher Unbekümmertheit und erstaunlich viel 'Roll' in seinem Spiel auf sich aufmerksam zu machen.

Ein gutes Jahr später sah ich ihn wieder, er hatte auf dem Bonner Museumsplatz kurzfristig die Möglichkeit bekommen, für die Tedeschi Trucks Band und Headliner Gregg Allman eröffnen zu dürfen. Dies tat er tapfer vor einem weitgehend noch gar nicht anwesenden und/oder desinteressierten Publikum mit erstaunlicher Bravour und Weiterentwicklung.

Gerds Juke Joint

Gerds Juke Joint

Wenig später lernte Matthews Pete Brown kennen, der ehemals u.a. als Texter für Cream Musikgeschichte schrieb und fortan als Freund und Mentor das junge Talent förderte bis er leider letztes Jahr verstarb. Ende 2015 stieg Krissy als fester Gitarrist bei der Institution Hamburg Blues Band ein und sein Netzwerk entwickelte sich analog zur musikalischen Expertise. Die Liebe verschlug ihn gar in die Freie Hansestadt Bremen, so dass er im Meisenfrei auch im interessierten Publikum anzutreffen war, einschließlich solcher Highlights, dass ihn Savoy Brown-Legende Kim Simmonds für einen Song auf die Bühne holte. Von Jay Tamkin habe ich übrigens bis heute nie wieder etwas gehört.

Der von der Blues Challenge nominierte Biobäcker Gerd Lorenzen

Der von der Blues Challenge nominierte Biobäcker Gerd Lorenzen

Bereits Ende Mai 2019 war anlässlich der Veröffentlichung von Monster In Me in einem Interview mit der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) nachzulesen, dass Krissy Matthews irgendwann gerne mal eine CD mit befreundeten Musikern aufnehmen würde.

Da er ein offensichtlich sehr umtriebiger und außerordentlich gut vernetzter Musiker ist, hat er dieses Vorhaben dieses Jahr finalisieren können mit dem Ergebnis, dass auf einem Doppelalbum 80 (!) Musiker*innen versammelt sind. Anlässlich der Veröffentlichung auf Ruf-Records hat er für ein Wochenende eine Album-Releaseparty mit Band und diversen Gästen/Freunden auf die Beine gestellt und macht mit diesem Tross am 11.05.24 in Gerd’s Juke Joint Station, seinem zweiten Wohnzimmer.
Selbiges ist dieses Jahr bei der German Blues Challange gleich in zwei Kategorien nominiert (bester Live-Club und bestes Festival mit den Guitar Heroes), was Biobäcker Gerd Lorenzen mit seiner unnachahmlich launigen Art völlig zurecht anzupreisen weiß.

Gerry Reynders - rhythmisches Rückgrat

Gerry Reynders – rhythmisches Rückgrat

Und dann erfolgt unverzüglich der Startschuss in ein netto 3 ½ stündiges Vergnügen mit dem Opener "Level With The Devil" vom bereits erwähnten "Monster"-Album. Sein rhythmisches Rückgrat bildet dabei der Belgier Gerry Reynders am Schlagwerk und der gebürtige Pole Slawek Semeniuk am Bass, beide interessanterweise mit Jazzaffinität und Rob Tognoni-Vergangenheit, was auf den ersten Blick nicht schlüssig erscheint. Es soll sich aber über die lange Laufstrecke des Abends herausstellen, dass beide Garanten dafür sind, immer eine Mehrdimensionalität des musikalischen Vortrags zu gewährleisten. Dabei muss bedacht werden, dass dieses Programm mit allen Beteiligten kaum ausgiebig geprobt worden sein kann. Dieser Umstand wiederum passt sehr gut zu dem Stil, der aus meiner Sicht die Signatur der Musik eines Krissy Matthews ausmacht – der Hibbel(blues)rock.

Und so hibbelt Krissy fröhlich zwei Stücke vom letzten Album Pizza Man Blues, während er in seinen Ansagen genauso fröhlich Deutsch und Englisch mixt, wie er in der Musik Blues, Rock und weitere Ingredienzen zu vereinen vermag.
Darüber hinaus ist ihm sichtlich bewusst, dass an diesem Abend der ESC stattfindet, während der Bundesligaaufstiegstaumel von Holstein Kiel den einen oder anderen Zuschauer kosten dürfte.

Als erster Gast des Abends fungiert die junge Marlia Rae, immerhin auch schön glitzernd, aber stimmlich leider weniger überzeugend. Dies ändert sich elementar mit Jess Hayes, ihres Zeichen Teil der Connolly Hayes Band, welche dieses Jahr bei den UK Blues Awards nominiert und am 20.09.24 zusammen mit den Schotten von King King zu Gast in Gerds Juke Joint sind.
Jess Hayes ist als einziger Gast des Abends nicht am Gegenstand der Party beteiligt, weiß aber unverzüglich mit druckvoller Holzspänenröhre zu überzeugen. Es ist kein Zufall, dass alle 'Friends' dieser Veranstaltung singen, denn bei allen diesbezüglichen Fortschritten ist Krissy Matthews Kernkompetenz eindeutig das Saitenspiel, welches von harten, kernigen Riffs bis zu lyrischer Ästhetik reicht. Dargeboten wird das Ganze auf einer an diesem Abend passend stilecht glitzernden Sandberg-Gitarre aus Braunschweig.

Will Wilde

Will Wilde

Noch mehr Schwung in die Bude bringt der Mundharmonika-Derwisch Will Wilde von der Südküste Englands, der mit einem martialischen Harmonika-Patronengürtel 'bewaffnet' solche Schlachtrösser wie "Twenty Flight Rock" (Eddie Cochran) oder "I’m Your Hoochie Coochie Man" (Willie Dixon) zum Kochen bringt. Zum Abschluss des ersten Sets wird sich gar noch an Etta James' "I’d Rather Go Blind" gewagt, eine für Marlia Rae deutlich zu hohe Hürde, während Jess Hayes ganz in ihrem Element ist.

Nach der Pause übernimmt zunächst der Alterspräsident der Veranstaltung, Gert Lange von der Hamburg Blues Band, die Rolle des Conférenciers und steigt mit "City Heat" vom 1999er Album "Rollin'" in den Ring, gefolgt von "Try Me Again" vom 2001er Mike Harrison Meets The Hamburg Blues Band-Album "Touch" und in einer neuen Version auf dem Partygegenstand "Krissy Matthews & Friends" vertreten.
Alsbald erklimmt eine kleine, durchtrainierte, tätowierte und keck bezopfte junge Frau aus Manchester die Bühnenbretter und lässt selbige mit der Lead-Single des zu feiernden Albums erbeben. Auf ihrer Facebookseite beschreibt Kim Jennett sich selbst als »Pocket Sized Powerhouse Vocalist & Frontwoman« und sie verspricht damit nicht zu viel.

Zu Freddie Kings "Pack It Up", ebenfalls Bestandteil von "Krissy Matthews & Friends", erhebt Heidi Solheim, Frontfrau der norwegischen Vorzeige-Bluesrocker Pristine, erstmals ihre gewaltige Stimme und beweist fortan in ihrem Vortrag, dass sie nicht erst seit gestern im Geschäft ist. Gleichzeitig beweist diese Interpretation aber auch, dass dies kein Abend für Blues-Puristen ist.

Ein wildes

Ein wildes "I’m The Ram"

Nach dem mit Abstand besten Titel seiner bisherigen Karriere ("Why Are You Ashamend Of Me?"), zweite Lead-Single und kongenial mit Heidi Solheim in Szene gesetzt, lassen es Krissy Matthews und seine Gäste in der Folge durchgehend krachen, so dass das Publikum kaum noch zum Luftholen kommt.
Ein wildes "I’m The Ram" (Al Green) vom neuesten Album mit Wilde, Jennett und Solheim, Led Zeps "Whole Lotta Love" mit Will Wilde als grandiosem Jimmy Page-Ersatz und sich gegenseitig aufschaukelnden Nebelhörnern vom Schlage Solheim Hayes und schließlich das furiose Finale mit einem Cream-Dreier ("Politican", "White Room" & "Sunshine Of Your Love"), dem Sohn von Jack BruceMalcolme Bruce – am Tieftöner, Mikro und an der Sechssaitigen und einem Parforceritt, der den Gastgeber der Sause schier explodieren lässt und gewaltig Feuer in der Interpretation hat. Die Bude tobt und ist kaum zu beruhigen.

Zur Besänftigung kredenzen alle zehn anwesenden Musiker*innen gemeinsam den The Band-Klassiker "The Weight" als 18minütigen Rausschmeißer mit 'The Last Waltz-Feeling' und allen, egal ob auf oder vor der Bühne, ist große Freude in die Gesichter geschrieben.

Das Finale: "The Weight"

Das Finale: "The Weight"

Die Metamorphose vom noch nicht volljährigen Jungspund mit erkennbarem Talent zum immer noch sehr jungen Macher in der europäischen Blues Rock-Szene ist so eindrucksvoll wie gelungen, was neugierig auf das weitere Schaffen macht. Letzteres gilt auch für große Teile seiner 'Friends', was endgültig belegt, dass Krissy Matthews mit dieser bestimmt nicht leicht zu realisierenden Veranstaltung alles richtig gemacht hat.

Bildnachweis für alle Bilder des Events: © 2024 | Olaf 'Olli' Oetken | RockTimes

 

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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