«

»

Küenring / Küenring – CD-Review

Küenring / Küenring

Du kennst das. Da sagt dir jemand, dass es da so eine neue Scheibe gibt, die echt gut ist und die dir sicherlich gefallen würde. Jaja, tausendfach gehört, oft in die Hose gegangen. 'Jemand' war in diesem Fall jedoch die Chefin. Und die hat nicht nur selber Ahnung von Musik, sondern sie kann deinen eigenen Geschmack nach all den Jahren auch noch ziemlich gut auf den Punkt bringen. Daher sitze ich hier nun mit Küenring aus Österreich und ihrem Debüt-Album.

Du kennst das. Da sagt dir jemand, dass du die neue Scheibe unbedingt mal hören musst und dann haust du sie tatsächlich kurz darauf in den Player, zwar gespannt, jedoch ohne Euphorie im Überschwang. Und dann weißt du nach den ersten zehn Sekunden, dass die Chefin mal wieder richtig lag! Selten hat mich eine Langspiel-Erstveröffentlichung einer (mir) vollkommen – sieht man von regional beschränkten Gigs im Lande unserer südlichen Nachbarn mal ab – unbekannten Band so positiv überrascht.

Seit Ende 2010 ist das Brüderpaar Stefan und Florian Gutenthaler bereits mit zweitem Gitarristen Michael Sulzbachner musikalisch als Küenring (ja, mit röck-döts) unterwegs. Den Ur-Drummer haben sie irgendwann mal unterwegs verloren, aber auch 'der Neue' (Sebastian Sauer) trommelt bereits drei Jahre in der Formation. Klassischer Heavy Metal steht auf der Fahne, speziell die gute alte NWoBHM scheint es den Jungs angetan zu haben. Aber man hört auch ein wenig Speed und Thrash, zählt die Klassiker an Bands zu den maßgeblichen Einflüssen.

So weit, so gut, kommen wir mal zum Corpus Delicti an sich. Einen eigenen Titel für dieses Erstwerk hat man sich geschenkt und die Aufmachung kommt mir unglaublich bekannt vor. Ich werde es mir meinerseits jetzt mal schenken, ein paar tausend Cover zu durchstöbern, nur um auf der Suche nach der Inspiration für die Umschlaghülle fündig zu werden, ist auch vollkommen Brause. Acht Titel, nahezu ausnahmslos aus eigener Feder und fünfzig Minuten Spielzeit sind die Eckdaten – und die muss man erstmal mit Leben füllen. Ein paar der Stücke gab es früher schon mal auf hausgemachten EPs, aber der Rest ist brandneu.

Die eingangs erwähnten zehn Sekunden katapultieren mich in eine Zeit zurück, als meine Haare noch länger waren, die Jeans noch mehr Löcher hatten und ich mich musikalisch noch mehr zwischen Southern Rock und NWoBHM hin und her gerissen fühlte (ist auch heute noch so, aber ich habe gelernt, damit zu leben). Der Opener, "Streetfight", ist perfekt dafür geeignet, dem unvoreingenommenen Hörer die Lauscher zu öffnen – Mission erfüllt. Knallt richtig gut und traditionell aus der Anlage, perfekt vorgetragen und mit den notwendigen Akzenten an den richtigen Stellen.

Nicht viel fällt mir im Verlauf der weiteren sieben Tracks auf, das mich zu ernsthafter Kritik bewegen könnte. Der Akustik-Song "Dawn" ist jetzt zwar nicht so ganz mein Ding, aber das ist rein persönlicher Geschmack. Ansonsten wissen die Jungs nicht nur, wie man mit Instrumenten umgeht, sie verstehen es auch, dieses Wissen in eingängige Rhythmen umzufunktionieren, so dass daraus prima Songs werden, die – macht man sich die Mühe zuzuhören – obendrein auch noch Geschichten erzählen. Der beigefügte Pressetext konstatiert zwar vollkommen richtig, dass hier keine Räder neu erfunden werden, aber das scheint auch nicht die Intention der Band zu sein. Sie machen auf Basis herkömmlicher und erfolgreicher Strickmuster aus dem klassischen Heavy Metal-Genre äußerst kurzweilige Songs, bedienen sich zweckorientierter Mittel wie Rhythmus- oder Tempiwechsel und schaffen es selbst, dem überlangen Epos im Reigen ihrer Tracks die Kurzweiligkeit zu bewahren.

Man mag bei den Kompositionen gerne mal an Steve Harris & Co. denken und auch die Querverweise auf alten Thrash könnte ich mit Namen nennen, aber das soll hier nichts zur Sache tun. Augen-, besser noch ohrenfällig sind die durchaus markanten Gesangslinien, die, subjektiv betrachtet, manchmal an eine weltberühmte Band aus Hannover erinnern, inkl. des teutonischen Akzents. Hätte Klaus M. diese Stimmlage, müsste meine Frau beim Hören von Scorpions-Songs nicht immer brechen (bitte nicht zitieren – ich liebe die alten Scorpions!).

Liegt meine positive Bewertung vielleicht daran, dass ich in Teilen ein simples NWoBHM-Gemüt bin, das ebenso simpel gestrickte Kompositionen aus der Dekadenwende zwischen den siebziger und achtziger Jahren mag? Who knows, who cares? Mit schlichtem Nachspielen altbekannter Weisen jedenfalls ist es hier nicht getan und das wäre ein Vorwurf, den sich das österreichische Quartett auch nicht gefallen lassen müsste. Man muss das nämlich erstmal auf die Kette kriegen, seine musikalischen Vorlieben authentisch und vor allen Dingen mit cleveren eigenen Impulsen gespickt aus den Speakern zu hauen – und das gelingt den Jungs verdammt gut!


Line-up Küenring:

Stefan Gutenthaler (vocals, bass)
Florian Gutenthaler (guitars)
Michael Sulzbachner (guitars)
Sebastian Sauer (drums)

Tracklist "Küenring":

  1. Streetfight
  2. Into The Night
  3. Odyssey
  4. Autumn
  5. The Unknown
  6. Dawn
  7. Hounds Of Küenring
  8. Rise Of The Madman

Gesamtspielzeit: 50:43, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Jochen von Arnim

Beiträge im Archiv
Genres: Blues, Rock, Heavy Metal

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>