Wie so viele andere britische Musiker der Sechziger war es auch Lee Curtis (mit richtigem Namen Peter Flanery), der damals in der Hamburger Beat-Szene rasch Fuß fasste. Noch in Liverpool waren er und seine Band, The All Stars, Konkurrenten der Beatles, in den frühen Sechzigern. Neben dem am 31. Oktober 1939 in Liverpool geborenen Leader spielten in seiner Band unter anderem auch Pete Best und Wayne Bickerton.
Die Band entstand aus den 1961 von Schulfreunden aus Liverpool gegründeten The Detours, die allerdings nur wenige Monate existierte. Mitte 1962 formierte sich die Band nach und nach mit Frank Bowen, Tony Waddington, Wayne Bickerton und Bernie Rogers. Als Vertreter des Mersey Beats waren sie in einem Zug zu nennen mit ihren Konkurrenten The Beatles, Gerry And The Pacemakers oder The Searchers.
Mit zwei Singles startete man 1963, "Little Girl" und "Let’s Stomp", der zweite Song ist auch auf der vorliegenden Kollektion vertreten. Nach einem Misserfolg mit den beiden Titeln trennte sich die Band und noch im gleichen Jahr besetzte Curtis die Gruppe neu. Nach den ersten Erfolgen sollten diese in Hamburg ausgebaut werden, im Star-Club. Platteneinspielungen erfolgten auch in Deutschland, die Besetzung wechselte nun öfter.
Auf dieser CD von Bear Family Records mit neunundzwanzig Songs und einem zweiunddreißig Seiten starken Booklet wurden die besten Aufnahmen von Curtis für die Labels Decca und Star-Club zusammengestellt.
Mit "Boppin' The Blues" startet die Platte total schwungvoll. Im Gegensatz zu einigen anderen Bands fällt mir hier angenehm auf, dass dieser Song wirklich enorm swingt, das oft übliche Scheppern der E-Gitarre ist nicht im Vordergrund, sondern der Sound ist warm und sehr gut abgemischt, der Titelgeber aus dem Jahr davor, "Let’s Stomp", klingt dann schon roher und wilder im Ausdruck.
Jedenfalls stelle ich fest, dass die Musiker einen unwiderstehlichen Drive hervorbrachten, so dass es mich wundert, dass die Burschen damals nicht bekannter wurden, denn musikalisch bieten sie auf jeden Fall Qualität. Mitunter interpretieren sie auf die Art und Weise, wie man es von den ganz frühen Yardbirds kennt. Und Lee Curtis singt jede Art Songs auf seine Weise mit leidenschaftlichem Einsatz.
Einen sehr starken Einschlag von Rhythm & Blues weisen jene Stücke auf, die mit Bläsersätzen veredelt wurden, wie beispielsweise das herrlich abgehende "Sticks And Stones". Hier schwingt eine Menge Ray Charles mit, auch die Band ist erstklassig. Auch "Slow Down" geht kraftvoll im R&B-Sound in Richtung Jive, hier mit einem entfesselten Gitarrensolo, so dass ich feststelle, dass Lee Curtis & The All Stars für mich zu den besten Exponaten des damaligen Mersey Beats zählen, zumal sie auch gewaltig über den Tellerrand schauten. Und so konnten sie auch ’schnulzen', "Can’t Help Falling In Love" ist nahezu herzerweichend.
Bei "One Night" muss sich Lee bestimmt nicht hinter Elvis verstecken, er singt auch hier mit Herzblut.
Schade, dass ein Autounfall die Karriere des Frontmannes 1967 jäh beendete. Da wäre garantiert noch etwas drin gewesen, allein die hier dokumentierte Entwicklung zwischen 1963 und 1965 lässt darauf schließen. Auch die Tracks siebenundzwanzig und achtundzwanzig als einzige Live-Aufnahmen (Live at the Cavern) untermauern die Qualität des Sängers und seiner Band. Also – "Let’s Stomp"!
Line-up Lee Curtis & The All Stars:
Lee Curtis (vocals)
Frank Bowen, Paul Pilnick, Tony Waddington, George 'Porky' Peckham (guitars)
Chris Dennis (keys)
Bob Garner, Wayne Bickerton, Dave 'Mushy' Cooper (bass)
Joe Walsh, Pete Best, Bernie Rogers, Don Alcyd (drums)
Dave McShane (saxophone)
Tracklist "Let’s Stomp":
- Boppin' The Blues
- Let’s Stomp (1st Version)
- I’ve Got My Eyes On You
- Jezebel
- Boys
- Irresistable You
- Nobody But You
- Memphis, Tennessee
- It’s Only Make Believe
- A Mess Of Blues
- My Baby
- Sticks And Stones
- Stupidity
- Hello Josephine
- Stand By Me
- Slow Down
- Shot Of Rhythm And Blues
- When I Get Paid
- Can’t Help Falling In Love
- Let’s Stomp (2nd Version)
- Little Egypt
- Blue Suede Shoes
- One Night
- Exstasy
- Wooly Bully
- Mohair Sam
- Jezebel (Live At The Cavern)
- Skinnie Minnie
- Um Um Um Um Um
Gesamtspielzeit: 79:11, Erscheinungsjahr: 2020
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