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Leon Russell / Live At Gilley’s – CD-Review

Leon Russell - "Live At Gilley's" - CD-Review

Leon Russell war bereits sehr früh im Alter von 16 Jahren von seiner Heimat Oklahoma nach Los Angeles aufgebrochen, um dort Profi zu werden. Über die Jahre erarbeitete er sich einen sehr guten Ruf als Session-, sprich Studiomusiker, was zu seiner Mitgliedschaft in der berühmt-berüchtigten Wrecking Crew führte. Dabei handelte es sich um eine Gruppe von etwa zwanzig bis dreißig Musiker, die auf nahezu jedem in L.A. produzierten Hit der sechziger (und bis in die siebziger) Jahre vertreten waren. Ende der Sechziger (1968) erschien ein erstes (sich nicht sehr gut verkaufendes) Album namens "Look Inside The Asylum Choir" (ein paar Jahre später kam die Fortsetzung Asylum Choir II), die echte Erfolgsgeschichte startete jedoch mit Leon Russell (1970), gefolgt von der Insel-Platte Leon Russell & The Shelter People (1971).

Bis Ende des Jahrzehnts konnte er insgesamt fünf goldene Schallplatten einfahren und sich über eine solide Fan-Basis freuen, während er Album-technisch in den Achtzigern fast gar nicht in Erscheinung trat, bevor es in den Neunzigern und bis zu seinem Tod im Jahr 2016 wieder regelmäßige Veröffentlichungen (jedoch ohne die früheren Verkaufserfolge) zu verzeichnen gab.

In den späten Siebzigern und frühen Achtzigern war Russell mit der Band The New Grass Revival unterwegs und erfolgreich, einer Bluegrass-Combo, mit der er vor allem auf dem Live-Sektor tätig war. Ein Live-Dokument dieser Periode ist das mir nun vorliegende (original im Jahr 2000 erschienene) "Live At Gilley’s", das am 17. September 1981 aufgenommen wurde. Und der Amerikaner sowie seine Band präsentieren sich darauf in bester Spiellaune, was sich bereits beim Opener "Mystery Train" bemerkbar macht. Der gute Leon streift kreuz und quer durch seine Alben, fügt jedoch auch ein paar Covers wie beispielsweise Hank Snows "I’m Movin' On", das bereits erwähnte "Mystery Train" oder den Gassenhauer "Truck Drivin' Man" ein. Die meisten Stücke wurden im Bluegrass-Gewand arrangiert, aber in Form von "Lady Blue", "My Cricket" oder "One More Love Song" sind auch einige Balladen vertreten.

Nicht nur, aber vor allem bei diesen zeigte Leon Russell ein weiteres Mal, was für ein starker und unterschätzter Sänger er war. Dazu konnte er gemeinsam mit seiner Band eine Wahnsinns-Stimmung erzeugen, die teilweise fast schon an Gospel-Ekstase erinnert, wie beispielsweise bei den abschließenden "Prince Of Peace" sowie "Roll In My Sweet Baby’s Arms". Zweifelsfrei kann man immer darüber diskutieren, ob einem diese neu arrangierten Nummern im Original oder den hier dargebotenen Ausführungen besser gefallen. Deutlich wird jedoch erneut, dass Russell keine halben Sachen machte und auch auf "Live At Gilley’s" auf ganzer Länge überzeugt. Ob dies nun das umgehend ins Ohr gehende "Cajun Love Song", das fantastische "Prince Of Peace" oder der Klassiker "A Song For You" ist.

Davon ganz abgesehen: Dass der Mann am Piano einfach großartig war, weiß nicht nur die eingeweihte Fan-Schar bereits spätestens seit Anfang der siebziger Jahre, den guten Joe Cocker brachte Russells Tasten-Talent im Jahr 1969 sogar so sehr aus dem Häuschen, dass er sich schlichtweg weigerte sein zweites Album ("Joe Cocker!", 1970) aufzunehmen, bis es seinem Label gelungen war, Leon Russell dafür als Pianisten zu verpflichten. Was schließlich der Funke war, der das Projekt "Mad Dogs & Englishmen" (die Tour, das Album sowie den Film, ebenfalls alles 1970) startete. Musikalisch zwar eine grandiose Angelegenheit, die Cocker persönlich allerdings mit einem Fuß ins Grab brachte.

Die hervorragende Band habe ich bereits erwähnt, im Speziellen sollte diesbezüglich jedoch noch der in erster Linie als Mandolinist bekannte Sam Bush erwähnt werden, der als einer der führenden Köpfe des progressiven Bluegrass gilt und auch auf dieser Scheibe musikalisch eine dominierende Rolle einnimmt. "Live At Gilley’s" ist zwar kein in irgendwelchen Katakomben gerade erst gefundener Schatz, sondern vielmehr eine Neuauflage, dennoch darf er allen Russell-Fans und solchen, die es noch werden wollen ans Herz gelegt werden. Schade ist lediglich, dass die Spielzeit deutlich unter vierzig Minuten bleibt. Was der Qualität jedoch nichts nimmt und jedem an Americana (als Großbegriff) interessierten Musik-Fan Freude bereiten sollte.

Feine Scheibe, wenn auch nicht repräsentativ für das komplette Schaffen des Protagonisten, sondern eher für eine spezielle Periode!


Line-up Leon Russell:

Leon Russell (piano, lead vocals)
Sam Bush (mandolin, fiddle, guitar, background vocals)
John Cowan (bass, background vocals)
Ambrose Campbell (beaded gourd, congas)
Tom Britt (lead guitar, pedal steel guitar)
Shamsi Sarumi (congas, talking drum)

Tracklist "Live At Gilley’s":

  1. Mystery Train
  2. One More Love Song
  3. Truck Drivin' Man
  4. Cajun Love Song
  5. My Cricket
  6. I’m Movin' On
  7. Lady Blue
  8. In The Pines
  9. A Song For You
  10. Uncle Pen
  11. Prince Of Peace
  12. Roll In My Sweet Baby’s Arms

Gesamtspielzeit: 37:29, Erscheinungsjahr: 2019 (1981)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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