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Lights Of Human / Lights Of Human – CD-Review

Lights Of Human / Lights Of Human

Lights Of Human nannten sich früher einfach nur Human und wurden an dieser Stelle bereits von meinem Kollegen Ulli Heiser besprochen. Die Band besteht immer noch aus dem Vater-Sohn-Duo Andreas Bubi Hönig und seinem Sohn Jan Clitko. Auch die Verbindung zwischen modernen Beats, leicht groovender Elektronik mit den Gitarrenklängen der Siebziger steht noch immer im Portfolio der Hagener.

Ich gebe zu, dass mich stilistische Beschreibungen wie Trip Pop und ’schwere Beats' erst einmal ein wenig verschrecken, da ich meine musikalische Sozialisation in deutlich anderen Bereichen verorte. Allerdings sprach mich das klare, leicht simplifizierte Konzept und die Präsenz der Gitarre im Titelsong durchaus an. Diese hypnotischen Schleifen haben etwas tranceartiges, was natürlich durch die elektronischen Spielereien verstärkt wird, wo menschliche Stimmen eher wie ein zusätzliches Instrument in den Hintergrund eingeblendet werden. Der entstehende Sog ist durchaus griffig.

Riffig starten die "Kids Of Now", eine kleine elektronisch rockige Hymne für die Kinder dieser Welt, denen man eine besser Zukunft wünschen mag, als es die Welt momentan herzugeben scheint. Eine kurze Solo-Passage bringt erstmals einen jener Gitarrenparts, die schon Ulli seinerzeit herausgestellt hat und die sich am Sound-Imperium der Siebziger orientieren. Family-Style ist hier die Unterstützung, aufgrund des Namens gemäß Album-Inlet darf man annehmen, dass es sich bei den singenden "Kids Of Now" um die dritte Generation der Hönigs handelt. Das hat ja fast Grobschnittsches Format, wo letztlich verschiedene Söhne mit den Vätern aktiv waren (Nuki war bereits als ca. 2-Jähriger auf dem Album "Illegal" im "Farbentest" zu hören). Recht verwunderlich ist das ja nicht, zumal Bubi mit den Musikern von Grobschnitt auch in anderen Projekten gemeinsam tätig ist. Man kennt sich. Und das Mastering dieses Albums wurde von Michael Danielak vorgenommen, genau wie Nuki Sohn des Grobschnitt-Sängers Willi Wildschwein. Hagen ist eine musikalische Metropole, wo man sich wohl zwangsläufig über den Weg läuft.

"Nature’s Call", der in diesen Zeiten scheinbar unvermeidliche Hinweis zur Klimakrise, hinterlässt mich ehrlich gesagt ein wenig verstört, weil ich nicht ganz sicher bin, ob man so ein Thema in einen doch ziemlich poplastigen Song verarbeiten sollte. Muss jeder für sich selbst entscheiden, meins ist es eher nicht. Auch die nächsten beiden Nummern nehmen mich nicht wirklich mit, wirken ein wenig flach und ein bisschen trivial. Ist halt Geschmacksache.

Und dann plötzlich dieses geile Intro zu "Signs", wo man erstmals spürt, dass die Musiker uns eben auch mit den frühen Wurzeln der Rockmusik vereinen möchten. Man möchte anfangs glauben, irrtümlich in einen der frühen Blues-Ausflüge eines Gary Moore geraten zu sein, bevor die simplifizierten Beats und Drums einsetzen. "Home" verdichtet diese Tendenz und punktet mit hypnotischem Sound und beginnt fast ein wenig im Bluegrass-Style, wo Gitarre und Gesang beeindruckend miteinander verschmelzen und einen eigenartigen Flow heraufbeschwören. Eine sehr stimmige Nummer. "Hopeless/Hopefull" ist weitgehend eine echte Rocknummer, wo das Drumming durch satte Riffs befeuert deutlich kraftvoller agiert – mit einem experimentell anmutenden Break und dem Thema gerechten schönen Umschwung zum Ende hin in ein positiv groovendes Konstrukt voller Wärme und good vibrations. Hier klingt es nach gutem alten Krautrock. Vielleicht zeigt auch gerade diese Nummer das Zusammenspiel der Generationen, zwischen Vater und Sohn, zwischen Rock und Moderne. "Hope" ist sowohl vom Titel als auch dem musikalischen Drift her die logische Fortsetzung, das Album folgt durchaus einem roten Faden. Wären hier nicht die modernen Beats im Hintergrund recht dominant, könnten wir diese Nummer durchaus in krautigen Alben lange vergangener Zeit verorten, vielleicht sogar in die Berliner Elektronik-Schule? Manuel Göttschings Ash Ra würde dazu passen.

Die einzelnen Song-Konstrukte sind recht frei in ihrer Gestaltung, eine klassische Struktur steht nicht im Mittelpunkt, man folgt dem Spirit der Stimmung und arbeitet diese aus. Im Spannungsbogen des gesamten Album scheint es mir allerdings so, dass nach dem intensiven Titelsong gleich zu Beginn der Schwerpunkt erst einmal auf die neuzeitigeren stilistischen Ausprägungen gelegt wurde, während ab "Signs" der Einfluss der klassischen Rockmusik auf die Kompositionen einen deutlich stärkeren Einfluss findet – aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.
In "My Spaceship" treffen zeitgenössische Beats auf Momente, wo der Herr Gilmour der frühen Siebziger mit Grobschnitt aus der Ballermann-Zeit zu kollidieren scheint. Eine schräge aber coole Methamorphose. Und das beste kommt so oft zum Schluss. "No One" mit der eintönigen Bass-Linie und den sezierend scharfen Gitarren-Riffs entwickelt eine elektrisierende Dynamik und einen teils verstörenden, psychedelischen Unterton. Sehr experimentell klingt die Nummer aus.

Es ist immer spannend, wenn man sich in Gefilde begibt, die einem nicht zwingend vertraut sind. Mit modernen Beats oder Trip Pop kann ich eigentlich nichts anfangen. Ich möchte Ulli mit folgendem Satz aus seinem damaligen Review zitieren: »Das Anspielen der ersten beiden Tracks im Plattenladen hätte die Gesamtaussage des Albums nicht wiedergegeben.« In meinem Fall traf es auf mehrere der frühen Nummern zu. Ich tat mich anfangs schwer mit der Musik, habe mir aber das Album dann doch bis zum Ende angehört und es erschloss sich mir eine ähnliche Erfahrung wie meinem geschätzten Kollegen damals. Denn es steckt wahrlich mehr drin, als ich ursprünglich glauben mochte. Da wäre ich beinahe an meiner eigenen kulturellen Arroganz gescheitert, weil ich vorzeitig mein Urteil für mich gefällt hatte. Soll man nicht machen. Der Reiz der Musik liegt tatsächlich im Spannungsfeld zwischen der Moderne und den Wurzeln des Rock, geradezu metaphorisch eingebracht von den unterschiedlichen Generationen der Familie Hönig. Das passt. Beim Line-up musste ich übrigens genauso rätseln wie Ulli damals, außer den Hintergrundgesängen lässt man sich weder auf dem Album noch im Internet dazu aus, welche Instrumente die beiden Protagonisten bedienen. Darum nenne ich im Nachgang nur das, was sicher ist.


Line-up Lights Of Human:

Andreas Bubi Hönig van Huijgevoort
Jan Clitko Hönig

With:
Luke, Annalena, Lion Hönig (vocals #2)
Marie-Jeanne van Huijgevoort (vocals #4,5)

Tracklist "Lights Of Human":

  1. Lights Of Human
  2. Kids Of Now
  3. Natur’s Call
  4. Cruisin
  5. Ghost
  6. Signs
  7. Home
  8. Hopeless/Hopefull
  9. Hope
  10. Sunrise
  11. My Spaceship
  12. No One

Gesamtspielzeit: 47:59, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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