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Lind / A Hundred Years, The Justification Of Reality Part 1 – CD-Review

Lind / A Hundred Years, The Justification Of Reality Part 1

Hinter dem Bandnamen Lind verbirgt sich der Münchener Schlagzeuger Andy Lind. Neben seinem Hauptinstrument ist er noch außerdem als Sänger, Bassist und Keyboarder zu hören. Darüber hinaus sind etliche Gastmusiker, vornehmlich als Gitarristen und Sänger, aber auch mit Synthesizer-Einlagen tätig.

Kenner der Szene werden Lind kennen als Beteiligter in Bands wie Panzerballett, Schizofrantik, Freaky Fukin Weirdoz, The Ancestry Program. Auf "A Hundred Years, The Justification Of Reality Part 1" bietet der Protagonist recht schwere Kost. Gleich zu Beginn wird Progressive Rock der härteren Art präsentiert, der sich jedoch mit weiteren Einflüssen zu einem besonderen Stil formiert. So sind ebenfalls Anteile von Rock Jazz zu vernehmen als auch Assoziationen zu Panzerballett sind eindeutig, die letztlich auch musikalisch im Spannungsfeld zwischen Rock, Rock Jazz, Fusion und Heavy Metal agieren. Jazz Metal ist auch einer der Ausdrücke, die in diesem Zusammenhang gefallen sind, und hier durchaus auch das eine oder andere Mal Anwendung finden könnten. Nun, Jazz allein sicher nicht, dazu fehlt es der Musik an der Offenheit und der Gestaltungsmöglichkeiten jenes Genres.

Merkmal ist auf jeden Fall die fast durchgehend harte Gangart, da fetzen die Gitarren schon kräftig und auch gesanglich geht es mitunter in Richtung Growling. Gelegentlich schimmern gewisse schöne und harmonische Aspekte durch, um dann rasch abgelöst zu werden von schräg anmutenden Passagen, inklusive häufiger Rhythmus- und Stimmungswechsel. Stark zum Ausdruck kommt das vor Allem in den längeren Stücken, allen voran beim Opener, der über fast zwölf Minuten läuft.

" A Hundred Years" ist ein sehr verfahren wirkender Song, der gerade dadurch, durch seine Unruhe, Spannung aufbaut. Hier assoziiere ich spontan hin zu Bands wie King Crimson und Van der Graaf Generator, interessant ist dann hier auch der Einsatz des Saxofons, das dann ab knapp Minute fünf ein jazziges Feeling verbreitet und offensichtlich Andy Lind dazu verleitet, ein wenig in dem Swing-Modus überzugehen, doch leider nur knapp. Aber letztlich ist es das, was ich meinte – Spannungsaufbau ist garantiert durch die äußerst komplexen Strukturen dieser Kompositionen. Oder ist es spontane Improvisation? Denn so wirkt es in der Tat oft, und das zeichnet dann auch das Ganze aus.

Abwechslung gelingt sicher auch durch den Einsatz verschiedener Lead-Sänger/innen auf den Songs, aber dennoch hat man nicht den Eindruck, als das dadurch das Gesamte zerrissen werden würde. Darüber hinaus stellt der Gesang auch gar nicht eine sehr wichtige Komponente dar, er ist nicht vordergründig, sondern als Bestandteil des Sounds zu betrachten. Und die Gesamtheit der Produktion ist unglaublich fordernd im Hörprozess. Ich habe den Eindruck, als habe Lind tief in der Kiste des Progressive Rocks gegraben und diesen als Basis für die weiteren Zutaten aus Metal, Hard Rock und Rock Jazz verankert. Das Beste an der Musik ist eben das absolut Unerwartete, das ständig Brodelnde, diese permanente Unruhe, eine Atmosphäre, der man sich entweder tapfer stellen sollte mit dem Ergebnis einer Belohnung, oder – diejenigen betreffend, denen das zu Nervenaufreibend ist – sollten sich vorsichtshalber abwenden. Doch das empfehle ich nicht, denn dieser Sound mag zwar durchgehend kompliziert sein, aber man sollte das Wagnis eingehen, sich mitreißen zu lassen von dieser Wucht!

Und – nach dem Ende von Track neun noch nicht ausschalten, es folgt ein Bonus-Track!


Line-up Lind:

Andy Lind (drums, bass, keys, vocals, programming)
with special guests:
Martin Kursawe (gitz – #1)
Jan Zehrfeld (gitz – #2)
Rüdiger Eisenhauer (gitz – #3)
Martin Vogelgsang (gitz – #5)
Martin Mayrhofer (gitz – #6)
Wolfgang Zenk (gitz – #9)
Petra Scheeser (leadvox – #2,3,5,9)
Marie Brandis (leadvox – #4,6)
Ben Knabe (leadvox – #1,8)
Mirko Werler (rap – #7)
Axel Kühn (saxophone, bass clarinet – #2,4,6,9)
Oliver Hahn (synth solo – #5, piano solo – #7)
Jan Eschke (synth solo – #2)
Jan Lehrer (synth solo – #4)

Tracklist "A Hundred Years, The Justification Of Reality Part 1:

  1. Do I Really Notice
  2. A Hundred Years
  3. Strange Waters
  4. Invisible Tears
  5. The Magic Gate
  6. The Schemes
  7. Displaced And Criticized
  8. Soul Kinship
  9. Controversial Theory
  10. Banged In The Panic Room (bonus track )

Gesamtspielzeit: 79:28, Erscheinungjahr: 2021

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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