
Eine der positivsten musikalischen Überraschungen des Jahres 2018 war für den Verfasser dieser Zeilen die Entdeckung der aus Bremen stammenden Band Liquid Orbit und deren gleichnamiges Debütalbum. Zusammengefunden haben die fünf Musiker im Jahr 2016, selbst wenn sie in wechselnden Zusammenstellungen und Bands bereits viele Jahre zuvor miteinander gezockt hatten. Auch erwähnenswert ist die Tatsache, dass einige Bandmitglieder individuell bereits mit Szene-Größen wie beispielsweise Nik Turner (Ex-Hawkwind), Nikki Sudden, Damo Suzuki (Ex-Can), Rainer Baumann oder Tom Redeckers Electric Family zusammengearbeitet haben. Mit "Game Of Promises" haben die Norddeutschen nun vor wenigen Tagen ihr zweites Album abgeliefert, mit dem sie ihren guten Ruf natürlich untermauern möchten.
Und das ist ihnen, wenn ich das schon mal vorausschicken darf, auch auf ganzer Linie gelungen. Sechs Tracks sind es diesmal geworden, die irgendwo zwischen Rock, Krautrock sowie Psychedelic mäandern. Erstaunlich eingängig beginnt der Opener "See Me Falling" diesen knapp dreiviertelstündigen Trip. Ein cooles Gitarren-Riff von Andree Kubillus übernimmt die Einleitung und wird bereits sehr bald von einem fetten Orgelsound (Anders Becker) gekontert. Die Strophen sind mit einem feinen Groove unterlegt und der atmosphärische Gesang von Sylvia Köpke sorgt dann gekonnt für eine gewisse Schwere, eine gewisse Melancholie, bis sie in diesen tollen Refrain einbiegt. Eine klasse arrangierte Nummer, die uns vom Feeling her spielend leicht in die späten Sechziger/frühen Siebziger mitnimmt. Und wie beim Vorgängeralbum ist es auch hier so, dass sich Gitarre und Orgel sowohl solistisch, als auch melodisch gegenseitig die Bälle zuspielen, voneinander profitieren, voneinander zehren und dem Stück dadurch sehr viel Leben einhauchen.
Dies würde natürlich nicht funktionieren, wenn nicht auch die starke Rhythmus-Abteilung in Person von Ralf Höpken am Bass sowie Steve Wittig an den Drums jede Menge Alarm machen würden, ohne dabei reißerisch zu wirken oder sich über den Song zu stellen. Vielmehr ist es der sehr coole (bereits erwähnte) Groove, mit dem das Duo einerseits auf sich aufmerksam macht und es andererseits zu einem perfekt funktionierendem Zahnrad im Getriebe von Liquid Orbit werden lässt. Die Band klingt in der Tat und im positivsten Sinne deutsch und nach einem längst vergangenen Jahrzehnt. Andere Combos als direkten Vergleich zu nennen, möchte ich mir an dieser Stelle zwar ersparen, aber dennoch sei gesagt, dass die Bremer keinen Vergleich zu scheuen brauchen. Interessant und in diesem Fall absolut passend auch die Tatsache, dass Sylvia Köpke sowohl die deutsche, als auch die englische Sprache verwendet. Apropos Frontlady: Waren mir einige Gesangspassagen auf der letzten Scheibe einfach ein Stückchen zu hoch angesetzt, so ist dies auf "Game Of Promises" nicht mehr, bzw. deutlich weniger der Fall. Aus meiner Sicht ein weiterer Pluspunkt.
"Liquid Orbit" war bereits bärenstark, aber mit ihrem zweiten Album hat die Band definitiv noch einen drauf gelegt. Die Musiker sind klasse, der Gesang sehr eigen und ebenfalls bärenstark, die Songs verfügen über die perfekte Mischung aus Struktur sowie instrumentalen jammigen Passagen, dazu sind sie sehr abwechslungsreich. Jeder einzelne Track ist ein Gewinner. Da bleiben (zumindest bei mir) keine Wünsche offen, außer vielleicht, dass ich den Fünfer auch mal live auf der Bühne erleben darf. Aber das kann ja noch kommen. Bis dahin werde ich mich weiterhin diesen wundervollen, so verträumten wie manchmal abgefahrenen Kurz-Trips hingeben. Im Vorfeld dieses Reviews habe ich mir übrigens auch nochmal das Debüt zur Brust genommen und seit einigen Wochen laufen bei mir beide Scheiben in Dauerrotation. Unbedingt anchecken!
Line-up Liquid Orbit:
Steve Wittig (drums & percussion)
Anders Becker (organ, e-piano, synthesizers, mellotron)
Sylvia Köpke (recorder, vocals)
Ralf Höpken (bass)
Andree Kubillus (guitars)
Tracklist "Game Of Promises":
- See Me Falling
- Shared Pain
- Please Let Her Go
- Game Of Promises
- Fly With Me
- Verlorene Karawane
Gesamtspielzeit: 42:45, Erscheinungsjahr: 2019
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