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Lonesome Andy & His One Man Band / Bad Luck – Digital Review

Lonesome Andy & His One Man Band / Bad Luck – Digital Review

Den Alleinunterhalter Andi Unter haben wir bereits vor drei Jahren vorgestellt und zwar mit seinem Album Lonesome Andy & His One Man Band. Bis dato hat der Mann seine Scheiben über Stormy Monday Records veröffentlicht und nun ist geplant, alle sechs Monate ein »Mini-Album« in Eigenregie zu veröffentlichen. Diese sollen bei Bandcamp und auch auf anderen üblichen Streaming-Diensten erhältlich sein. Wie Andi mitteilt, gibt es die Musik gegen eine freiwillige Spende als MP3 oder in Waveform zum downloaden. Bleibt dem Musiker zu wünschen, dass dieses Angebot nicht von allzu vielen  Nassauern missbraucht wird.

Mit Nassauer meine ich selbstverständlich keine Menschen, deren Lebensräume auf dieser Seite genannt werden und wenn ich eingangs Andi als Alleinunterhalter bezeichne, ist mitnichten ein trinkfester und singender Keyboarder gemeint, der bei Vereinsfesten und Hochzeiten seine Lichtorgel zur Partymusik blitzen lässt. Andis 'Aka' lautet nicht umsonst Lonesome Andy, denn seine Band, die One Man Band, ist er selbst. Bis zu sieben Instrumente bedient der 40-Jährige – dessen musikalische Liebe fast  dreimal so alten Bluesstilen aus der Mississippi-Area gilt – dabei gleichzeitig! Bass und Rhythmus kommen vom Daumen und die anderen Finger sind für die Melodie zuständig, Die Bluesharp steckt im Halter und die Füße sorgen für die percussive Begleitung.

Weiterhin erfahren wir vom Künstler, dass auf den hier vorliegenden Aufnahmen neben Gesang auch Bluesharp, Resonatorgitarren, Bassdrum, Snare, HiHat, Hotelklingel sowie ein fußbetriebenes Waschbrett im Einsatz sind. Dass Andi aber auch im Verbund mit Mitmusikern, dem Blues Orchester, unterwegs ist, soll nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden, denn heute geht es um den alleinigen Bediener aller eingesetzter Instrumente.
Auf dem ersten Minialbum präsentiert er neben vier von ihm stammenden Stücken auch eine Coverversion eines alten Folk-Spirituals aus afroamerikanischer Liedtradition, welches bekannter wurde, nachdem der Musikwissenschaftler John Lomax mit seiner Frau Ruby nach ihrer Südstaatenreise bezüglich Feldaufnahmen amerikanischer Volksmusik, das Stück in ihre Sammlung "John And Ruby Lomax 1939 Southern States Recording Trip" aufgenommen hatten. Im Original "I’m Gwine Home On De Mornin' Train" benannt, ist "I’m Going Home On The Morning Train" in einigen Versionen im Netz zu finden und auch Andi Unter hat dem alten Track – wie er das generell macht – seinen eigenen Stempel aufgedrückt.
Normalerweise suche ich ja immer gerne nach der Ursuppe eines Covers, um die beiden Versionen miteinander zu vergleichen. Im Fall von "Morning Train" würde das aber sicherlich wenig bringen.

Nachdem mich Google wieder etwas schlauer gemacht und tief ins alte Delta geführt hat, zurück ins Hier und Jetzt zu "Bad Luck Man" und die gleichnamige Nummer bluest in rauer Delta-Manier durch den Sumpf. Das Wechselspiel von Resonator-Gitarre und Bluesharp zeigt auf, dass Solo-Bueser Unter nichts von aufgeblähter und polierter Produktion hält, bzw. ganz anders vorgeht. Klar, sein eingesetztes Instrumentarium wird gleichzeitig gespielt und eigentlich ist das am besten zu sehen und zu verstehen, wenn man beim Schlendern durch Fußgängerzonen auf solche Künstler trifft und sich fragt, wie ein Mensch das alles so gekonnt unter einen Hut bekommt. Diese raue und ungekünstelte Spielweise ist diesem alten Bluesgenre absolut zuträglich, denn vor meinem geistigen Auge sehe ich einen ergrauten Afroamerikaner mit Gitarre und Harmonika Blues spielend auf seiner Porch irgendwo in den Bayous sitzen. Etwas von dieser – zugegeben klischeehaften – Stimmung schwingt im Lied von Andi mit und das ginge größtenteils verloren, wenn da elektrisch und glatt gebügelt agiert würde.

"Buskers Rag" sagt es bereits im Songtitel: es wird schön altmodisch dem Rag gefrönt. Klar, dass Gitarre und Harp das Zepter halten, aber die Percussion klappert und kleppert und so in etwa klingt das, wenn einer dieser Multikünstler in der Fußgängerzone oder darunter in der Unterführung musiziert. Andis Aufnahmen klingen wie live gespielt und war es beim ersten Stück die Porch im Bayou, so kommen mir beim "Buskers Rag" "Die Kleinen Strolche" in den Sinn. Der "Emigration Blues" verlässt das Delta und kommt rockiger daher. Diese Komposition könnte als Inspiration für etwa einen Stevie Ray Vaughan dienen und ansonsten gut ins Portfolie moderner Bluesrock-Helden passen. Treibend und forsch bluest Andi durch die Minuten und das da lediglich ein Musiker zu Gange ist, kommt einem schwerlich in den Sinn.

"The Decline" startet mit einem schön slidigen Gitarrenintro, wechselt in den Tango-Modus und Andi klagt fast wie Tom Waits. Und irgendwie weht ein Hauch Black Magic Woman durch diesen melancholischen Tango-Blues. Dieser Song ist 'meine Nummer' auf "Bad Luck Man", weil zu viel und ausschließlich Blues schnell langweilig werden kann, aber diese Tangobeigabe wirkt da wie Chili in der Schokolade und dann diese starke Reibeisenstimme … das haut rein.

Wenn ich jetzt gerade Lebensmittel genannt habe: Der Andi Unter punktet bei mir nicht nur seiner Musik wegen. Er lebt in Süditalien, erfreut dort die Italiener mit seinem Spiel in Bars und Tavernen und stellt sein eigenes Olivenöl her. Kann man es besser haben?
Nicht gut hatten es da die Menschen damals im "Morning Train". Man spürt die Aura dieses – ja, man kann schon religiösen sagen – Folkstückes vielleicht in der Unter-Version noch besser, als das schon bei Peter, Paul & Mary (eine der vielen Versionen des Spirituals) der Fall war. Mit Sicherheit ist das Instrumentarium, das Andi Unter benutzt, dem Ursong näher, als das bei genanntem Trio der Fall ist, wobei die PP&M-Version auch eine äußerst packende und gelungene ist.

Tja, ich finde das mit den halbjährlichen Mini-Alben eine gute Idee, Und das mit der Spende als Entlohnung ebenso – sofern die Am-liebsten-umsonst-Gestalten auch adäquat den Hut füllen.
Und eigentlich könnte man jetzt das Olivenöl testen und hoffen, dass Tito & Tarantula "The Decline" entdecken und covern. Die Welt könnte so schön sein …


Tracklist "Bad Luck Man":

  1. Bad Luck Man
  2. Buskers Rag
  3. Emigration Blues
  4. The Decline
  5. Morning Train

Gesamtspielzeit: 17:23, Erscheinungsjahr: 2024

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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