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Lost World Band / Spheres Aligned – CD-Review

Während wir im Ostblock mit jenen, von staatlichen Kulturfunktionären argwöhnisch beobachteten Rebellen-Klängen unserer westlichen Rockhelden unsere Gedankengefängnisse zersprengten, wurde Musisches aus der einstigen UDSSR, so auch jenseits aller Grenzen, befremdlich übergangen.
Jahrzehnte unter Verschluss sollte Rockistisches im erdgrössten, respektive bis dato unter der Ägide folkloristischer und klassischer Musikreize bestehenden Flächenland erst durch Gorbatschows Perestroika amnestiert, dazu popularisiert werden.

Heutzutage unterliegen selbst gegen den Strich gebürstete Rock-Untergründler Russlands dem westlich-wirtschaftlichen Zwängen von Angebot und Nachfrage, streben gleichermaßen auch gerne fortschrittliche, dazu handwerklich bestens aufgestellte Musikanten nach einem Stück internationale Anerkennung.
So strebten die einst am Moskauer Tschaikowski-Konservatorium sich verbandelnden Absolventen und spätere Lost World Band, wie die Fülle jener rockenden Nachwende-Musikusse von Mütterchen Russland, eher nach suggestiven anstatt politischen Ausdrucksmitteln ihrer Fähigkeiten.
Im Gegensatz zu ihren, mittlerweile international hochgeschätzten St. Petersburger Kollegen Iamthemornig, benötigen unsere Protagonisten ganze dreizehn Jahre für eine musikalisch erste Visitenkarte samt dem erfinderischen Mixtum Compositum aller Prog-manifestierten Einwirkungen.

Progistisch gebildete Vorurteile angesichts solch akademischer Bandzusammensetzungen zu hörbar im Naturell gelegenen Musikalien-Masturbationen und postgradualen Klausuren mit Überlängen entkräften die Russen indessen, beherrschen diese jedwede Kurzformen mannigfaltiger Spieltriebe.
Abgesehen vom einzigen Ausreißer, dazu hartschorfigen ü5-Minüter "I Am The World" samt den jederzeit virtuosen Gaben und musikalisch zuströmenden Synergien der Moskauer schwebt über den meist mit kurzem Bandmaß arrangierten Instrumentals der grenzenlose Geist progstilistischer Feinmechaniker wie Gentle Giant andernfalls Robert Fripps Polyrhythmik-Dompteure.
Ein Dekor aus Flöte sowie Violine dürften den gemeinen Erforschern des klingenden Grals manch Schamanisches rocksinfonischer oder vielmehr Fusion-Jazziger Ordensträger der Siebziger ins kollektive Gedächtnis implizieren, und Verfechtern Thijs Van Leers dazu Jean-Luc Pontys Fingerteufeleien lindernde Endorphin-Schübe.

Yuliya Basis farbmächtig kontrastierendes und von in die russische Wiege gelegter Ausdrucksfülle angeregtes Tastenspiel, ferner Gelegenheits-Tenor Andrey Didorenkos Klangräume ergründender Bogen bis Vassili Solovievs geblasene Folklore befeuern dementsprechend das selbst krummste Taktmaß der ins Ohr geschmierten Musikalien-Vielfalt.

Wenngleich, wie in diesem Fall, bei überfrachteter Geistesvielfalt in Musikerhirnen die Grenzen zwischen Genie und Wahnsinn ziemlich nahe zusammenliegen, hinterlassen bisweilen ungestüme Dynamikkapriolen sowie derart knifflige Metal-Derbheiten wie "Pressured", kurzweilige Tasten-Alleingänge mit "Aise", "Sail Away"s glättender Mehrstimmen-Balsam oder "Lighter Than Air"s vertrackter Antiquariats-Folk dennoch ein in sich geschlossenes dazu bündiges Erlebnis.

Kurzum, fünf musikalisch, fernerhin handwerklich neunmalkluge Exoten die, trotz Überlängen-Verzicht, allen Erwartungshaltungen proggläubiger Hardliner entsprechen dürften.


Line-up Lost World Band:

Andy Didorenko (violin, guitar, vocal)
Vassili Soloviev (flute)
Yuliya Basis (keyboards)
Evgeny Kuznetsov (bass)
Konstantin Shtirlitz (drums)

Tracklist "Spheres Aligned":

  1. Aligned
  2. Rockfall
  3. Dawn Day Dusk Night
  4. Running In The Sun
  5. Symphonic
  6. Aisè
  7. Sail Away
  8. Crystalized
  9. Lighter Than Air
  10. Pressured
  11. I Am The World

Gesamtspielzeit: 46:50, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ingolf Schmock

Als gebürtiges Mauerkind zudem frühzeitig mit westlichen Rock'n Roll-Ultrakurzwellen-
Oddyseen und Beatclub-Aufklärungen sozialisiert, galt mein musikalisches Verständnis
deren meist langmähnigen Aussenseitern. The Who, Small Faces, The Move...,später dann
Hartglötzer wie Black Sabbath, Deep Purple&Co., zu guter Letzt Schwurbel-Pioniere
ala Yes, Genesis, ELP...waren (sind) meine Helden sowie Seelenklempner.
Heute liegt mein Hauptaugenmerk (auch Hierzulande) auf sowohl handgemacht Rockistischem
mit Engagement und Seele, als auch Prog-gebrandmarkten virtuos-Verspieltem.

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