Mystisch und sphärisch startet das zweite Album der australischen Band Lucid Planet. Gesang gesellt sich dazu und musikalisch eröffnet sich ein Reigen aus düsterer Psychedelic mit bassbetontem Grundtenor und progressiven Strukturen aus der Metalecke. Ein starker Anfang, der den Hörer über zwölf Minuten lang spannungsvoll auf die folgenden Nummern einstimmt.
Auch "Entrancement" geht mystisch an den Start, wechselt dann aber nicht in Richtung Prog Metal sondern reitet äußerst gekonnt auf tribal wirkenden Pfaden. Tiefer, schamanenhafter Gesang wird durch die glockenklare Stimme von Jade veredelt und die geheimnisvolle Aura, die dieses Stück verströmt, nimmt den Hörer gefangen. Sägende Gitarre und forciertes Tempo stehen auf dem Stempel zu Track Nummer drei. Allerdings ist die konkurrierende Elektronik sowie der Techno-Beat zu solierender Gitarre anfangs etwas verstörend, aber die Band vermag es durch perfekte Choreografie wettzumachen und irgendwann geht das Stück ganz fluffig in die Gehörgänge.
"Offer" wirkt anfangs wie guter alter Prog, leicht süßlich mit akustisch wirkendem Gitarrenspiel. Die Szenerie öffnet sich und nun zieht gar eine Spur Reggae ein und tanzt mit den Proggies. Fast nordisch anmutende weibliche und männliche Stimmen fallen ein, bis gar orientalische Tunes das Tempo forcieren und auch die Gitarre wieder fetzt. Aber halt, ab dem letzten Satz sind wir bei "On The Way" – was ein genialer, nahtloser Übergang. Schönes Drumspiel und gewaltige Powerchords bringen das Stück in den Keller und ob man nun eher dem Prog oder dem Metal frönt: beides wird bedient. Lucid Planet spielen wunderbar mit Dynamik, fast bis zur Stille reichende Passagen wechseln mit brachialen Eruptionen. Ein äußerst stimmungsvolles Stück, das auch (wieder) durch die stimmlichen Passagen begeistert.
Und wieder: "Digital Ritual" schließt sich nahtlos an den Vorgänger an, sodass dieses Album durchaus geeignet ist, um mit geschlossenen Augen fast unterbrechungslos durch die musikalischen Landschaften zu reisen. Stark eingesetzte Effekte, wie z. B. an einen Hubschrauberrotor erinnernd, den man durch ein akustisches Stroboskop gejagt hat, durchbrechen eine morbid-idyllische Stimmung. "Face The Sun" ist mit zwölf Minuten neben "Anamnesis" die zweitlängste Reise der Band. Wieder ziehen orientalische Duftschwaden durch den Raum und verführen mich erneut am Cover des Albums zu riechen, denn meinem Rezensionsexemplar lag ein Räucherstäbchen bei, das seinen Duft wohl auch ohne zu brennen weitergegeben hat.
Alsbald ziehen aber wieder harte Riffs durchs Gelände, nur um schnell wieder einer psychedelischen Wiese Platz zu machen. Das Flöten- und Didgeridoo-Spiel (beide Instrumente tauchen auch in anderen Stücken immer mal auf) gerade bei diesem Track wirkt wie ein Duett eines Schamanen mit einer Elfe. Respekt an dieser Stelle an Komposition und Choreografie der Band.
Das letzte Stück, "Zenith", tendiert wieder etwas in Richtung Prog Metal. Eine cleane Gitarre begleitet die harmonischen Vocals von Luke und Jade, jagt aber immer wieder harte Riffs ins Geschehen. Akzentuiertes Drumming und erneut das Spiel mit der Dynamik sorgen für Aufmerksamkeit. Die Bandbreite auf "II" kommt nicht von ungefähr und man darf der Platte durchaus ein Konzept attestieren, denn da geht ein 'Held' auf die Reise durch verschiedene Gegenden der Erde und entdeckt fremde Orte und auch sich selbst, Die Band sieht unseren Planeten als fragiles Gebilde, dessen Bestand von vielen Faktoren abhängig ist, die wir mehr oder weniger selbst beeinflussen können. Die Landschaften, die auf dem Album durchforstet werden, sind perfekt auf dem Cover stilisiert. Das Studium des Covers sowie des kompletten Artworks, welche vom Künstler David Faulkner (Mr. Crystalface) stammen, lohnt sich während des Hörens der Scheibe. Zumal auch alle Lyrics abgedruckt sind. Ein schönes Werk.
Line-up Lucid Planet:
Michael Box (guitar)
Darcy Rank (guitar, electronics)
Luke Turner (vocals, bass)
with:
Chris Cameron (drums, percussion)
Jade Alics (backing vocals)
Dan Samways (flute)
Dan Richardson (didgeridoo, flute)
Clare Lynch (violin)
Emir Khosrowshahi (flute)
Tracklist "II":
- Anamnesis (12:24)
- Entrancement (5:33)
- Organic Hard Drive ):38)
- Offer (4:14)
- On The Way (9:37)
- Digital Ritual (4:57)
- Face The Sun (11:48)
- Zenith (9:55)
Gesamtspielzeit: 68:12, Erscheinungsjahr: 2020
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