Das ist ja gerade nochmal gut gegangen, darf man zum Glück seit geraumer Zeit sagen. Am 17. November 2020 hatte die damals 67-jährige Musikerin Lucinda Williams einen Schlaganfall erlitten, der zunächst das Schlimmste befürchten ließ. Doch nach fünf Wochen Krankenhaus-Aufenthalt und weiteren Monaten, während denen Sie nur mit einem Stock gehen und nicht Gitarre spielen konnte, hattte sie sich bereits im Folgejahr soweit erholt, dass es dann doch wieder auf Tour ging. Mit "Stories From A Rock’n’Roll Heart" hat die Amerikanerin bereits im letzten Jahr ihr – wenn man so will – Comeback-Album vorgelegt. Und damit zweifelsohne zu alter Stärke zurück gefunden. Zusammen mit den Co-Produzenten Ray Kennedy und Tom Overby sowie knapp zwei Dutzend Mitmusikern und -sängern sind zehn neue Tracks entstanden, die nicht nur, aber zumindest teilweise von der Zeit der Regeneration handeln. Die Tracks hat sie gemeinsam mit bereits erwähntem Overby sowie Travis Stephens komponiert, aber auch ihr Langzeit-Kumpel Jesse Malin war an drei der Nummern beteiligt.
Die Scheibe beginnt mit dem ersten großen Lichtfleck am Ende des Tunnels der Genesung mit dem so bestimmten wie befreienden Kommando "Let’s Get The Band Back Together" sehr rockig. Bass und Drums grooven gehörig, die Gitarren fahren tolle Riffs auf und die gute Lucinda präsentiert sich auch stimmlich voll auf der Höhe. Und wenn wir schon bei den Rockern der Scheibe sind, darf auch der super nach vorne treibende Titeltrack (mit dem 'Boss' an den Background Vocals) nicht unerwähnt bleiben. Miss Williams hat sich wieder mal eine hervorragende Schar an Musikern in Studio geladen, wie ein Track nach dem anderen eindrucksvoll beweist. Bei dem ebenfalls mit Ecken und Kanten versehenen "This Is Not My Town" glänzt beispielsweise Reese Wynons an einer B3-Orgel, während gleich anschließend ein feines Gitarrensolo hinterher geschoben wird. Die in Louisiana geborene Musikerin hört sich wahrlich nicht nach einer Frau an, die rund um die Entstehung dieser Aufnahmen ihren siebzigsten Geburtstag gefeiert hat.
Lucinda Williams war jedoch auch immer schon eine Meisterin der langsamen Songs, die sich mit gebrochenen Herzen und Leuten beschäftigen, die den Boden unter den Füßen verloren haben. Als gute Freundin von Koryphäen wie Townes Van Zandt sowie Blaze Foley hatte sie dazu Zeit deren Lebens natürlich hervorragende Vorlagen. Aber die gute Lucinda konnte und kann auch aus ihrem eigenen bewegten Leben genügend Material für die melancholischen Stücke ziehen. Eine dieser Perlen auf dem neuen Album ist "Hum’s Liquor", ein andere nennt sich "Jukebox". Letztgenanntes Stück könnte sich ebenfalls mit ihrem langsamen Gesundungsprozess auseinander setzen. Muss jedoch nicht, denn die Nummer funktioniert durchaus auch ohne diesen Hintergrund. Man wird langsam verrückt, weil man sich im eigenen Haus wie eingesperrt fühlt und sogar irgendwann seine eigene Stimme nicht mehr hören kann. Der Weg führt in eine Bar ganz in der Nähe, in der eine Wurlitzer steht, die dann – um der Einsamkeit zu entkommen – so lange mit Quarters (25 Cent-Stücken) gefüttert wird, bis der Wirt den Laden dicht macht. Kaum jemand bringt solche Themen so stark und emotional, wie die gute Lucinda.
Das sehr gute "New York Comeback" (erneut mit Bruce Springsteen und Patti Scialfa an den Background Vocals) war die erste Single-Auskopplung aus dem Album und dann ist da mit "Stolen Moments" noch einer der absoluten Favoriten des Rezensenten. Klasse Lyrics, starke Melodien und ein furioser Schlussteil lassen diesen Song auf einem alles andere als schlechten Album hervorstechen. "Stories From A Rock’n’Roll Heart" mag vielleicht nicht das beste Album sein, das Lucinda Williams in ihrer Karriere veröffentlicht hat, dafür aber ist es ein sehr gutes und beeindruckendes Alters-Werk. Wobei der Bezug auf ihr Alter hier keineswegs negativ oder despektierlich verstanden werden soll. Denn dafür ist sie nach wie vor viel zu fit und zu gut. Da hier auch noch eine klasse Produktion und ein warmer, erdiger Sound dazu kommen, geht die Platte dann auch ganz deutlich als Sieger durchs Ziel.
Line-up Lucinda Williams:
Stuart Mathis (electric guitars)
Doug Pettibone (electric & steel guitars)
Joshua Grange (electric guitars)
Derek Cruz (electric guitars)
Jim Oblon (electric guitars)
Reese Wynons (B3, piano, Vox Jaguar organ)
Ray Kennedy (tambourine, acoustic guitars, Vox Continental organ)
Rob Clores (piano)
Steve Mackie (bass)
Steve Ferrone (drums)
Fred Eltringham (drums)
Will Sayles (drums)
Margo Price (tambourine, background vocals)
Angel Olsen (background vocals)
Jeremy Ivey (background vocals)
Siobhan Maher Kennedy (background vocals)
Sophie Gault (background vocals)
Buddy Miller (background vocals)
Bruce Springsteen (background vocals)
Patti Scialfa (background vocals)
Tommy Stinson (background vocals)
Tracklist "Stories From A …":
- Let’s Get The Band Back Together
- New York Comeback
- Last Call For The Truth
- Jukebox
- Stolen Moments
- Rock’n’Roll Heart
- This Is Not My Town
- Hum’s Liquor
- Where The Song Will Find Me
- Never Gonna Fade Away
Spielzeit: 54:27, Erscheinungsjahr: 2023
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