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Maggie Bell / Live At The Rainbow 1974 – CD-Review

Maggie Bell - "Live At The Rainbow 1974" - CD-Review

Was für die schottische Reibeisen-Röhre Maggie Bell so gut und vielversprechend mit der Band Stone The Crows begonnen hatte, starb 1972 mit dem Ableben des Gitarristen Les Harvey (der auf der Bühne nach einem elektrischen Schlag von einem ungeerdeten Mikrofon nicht mehr gerettet werden konnte) einen sehr plötzlichen und selbstverständlich unerwarteten Tod. Die Band machte zwar noch kurze Zeit weiter (es erschien noch das letzte Studioalbum Ontinuous Performance, auf dem auf einigen Songs der neue Gitarrist Jimmy McCulloch – später bei Paul McCartney’s Wings – zu hören ist), aber die Seele der Combo hatte sich im Grunde gemeinsam mit Harvey in die ewigen Jagdgründe verabschiedet. 1973 wurde das Kapitel Stone The Crows dann auch beendet. Für Maggie Bell ging es anschließend solo und den beiden sehr guten Alben Queen Of The Night (1974) sowie Suicide Sal (1975) weiter. Auf der Tour zur erstgenannten Scheibe wurde das Konzert am 3. Oktober 1974 aus dem Londoner Rainbow mitgeschnitten, diese Aufnahmen sind erstmals 2002 auf den Markt gekommen und jetzt von dem Label Repertoire Records erneut aufgelegt worden.

Keiner der Studiomusiker von "Queen Of The Night" war bei diesem Gig vertreten, vielmehr handelte es sich um ein neu zusammengestellte Band rund um Bell und den Tastenmann Pete Wingfield. Interessanterweise findet sich mit "As The Years Go Passing By" auch nur ein einziger Song des genannten Studioalbums, dafür aber bereits fünf Nummern des nächsten "Suicide Sal" auf dieser Live-Scheibe. Dazu kommen gleich drei Medleys, während derer Maggie Bell (teilweise, aber nicht so ausgiebig wie erhofft) ihrer offensichtlichen Liebe zur Soul-Musik freien Lauf lässt. Eine quantitativ produktive Songwriterin war die Frontlady nie wirklich und so finden sich auch hier (von einem Co-Credit zu "Suicide Sal" und dem von der Schottin neu arrangierten Traditional "Ailen Mochree" abgesehen) durchweg Fremdkompositionen. Am verzichtbarsten davon wäre die Beatles-Nummer "I Saw Him Standing There" gewesen, obwohl das Stück eine schöne Auflockerung zu dem sonst sehr Blues- und Soul-lastigen Material darstellt.

Selbstverständlich durfte der von Stone The Crows wiederbelebte Klassiker "Penicillin Blues" auch an diesem Abend nicht fehlen und witzigerweise klingt die gute Maggie auf dem Track "I Was In Chains" sehr nach ihrer amerikanischen (und damals ebenfalls sehr populären) Kollegin Melanie. Was einmal mehr die Vielfalt und Variabilität der Britin unter Beweis stellt. Sehr gelungen kommt der Free-Song "Wishing Well", dem Miss Bell (außer ihrer Stimme) zwar nichts Neues abgewinnen kann, ihn dennoch bravourös interpretiert. Klasse! Die Songs "Suicide Sal" sowie "Coming On Strong" halten das Qualitätslevel locker, bevor das sehr lange "Soul Medley", das sich aus insgesamt zwölf verschiedenen Nummern zusammen setzt, einen deutlichen Break dazwischen wirft. Begonnen mit dem Instrumental "Boogie Sandwich" geht es anschließend mit Gesang in das jazzige "Ain’t Misbehavin'", bevor es dann instrumental weitergeht und die Sängerin erst bei "Hey Paula" und auch folgend nur sporadisch wieder einsteigt.

Insgesamt gesehen ist dieses Medley eher enttäuschend und wohl eher als Durchschnauf-Pause für die Vokal-Akrobatin gedacht, da hier doch sehr viel ohne Gesang abläuft. Abgeschlossen wurde der Abend von zwei weiteren, allerdings kürzeren Medleys, bei denen Maggie Bell dann aber noch einmal ihre ganze Klasse zeigen konnte. Allein "The Ghetto" (original von Delaney & Bonnie) ist sehr stark, bei "Ailen Mochree" beginnt das Fernweh des Rezensenten nach Irland und Schottland zu brennen. Nach einem beherzten und mitreißenden "Shout/Gospel Intro/Lay Down Your Soul For Jesus/Shout (Reprise)" ist dann endgültig Feierabend. Wow, am liebsten direkt wieder von vorne!

Auf jeden Fall ist "Live At The Rainbow 1974" eine klasse Zeitreise zurück in die siebziger Jahre, mit jeder Menge Atmosphäre, starkem Gesang und überwiegend starken Songs. Der deutsche Sound-Spezialist Eroc hat beim Remastering ganze Arbeit geleistet und dazu kommen sehr ausführliche Liner Notes im Booklet sowie obendrein auch Kommentare bzw. Anmerkungen von Maggie Bell zu jedem einzelnen Track des Albums. Way to go!


Line-up Maggie Bell:

Maggie Bell (tambourine, lead vocals)
Pete Wingfield (Wurlitzer, electric piano, Yamaha CP70, electric grand piano, background vocals)
Mo Foster (bass)
Paul Francis (drums)
Brian Breeze (electric guitar)

Tracklist "Live At The Rainbow 1974":

  1. Coming On Strong
  2. Wishing Well
  3. As The Years Go Passing By
  4. I Was In Chains
  5. Suicide Sal
  6. I Saw Him Standing There
  7. The Preacher
  8. Penicillin Blues
  9. Soul Medley
  10. The Ghetto/Boogie Sandwich/The Ghetto (Reprise)/Rock Me, Baby
  11. Ailen Mochree
  12. Shout/Gospel Intro/Lay Down Your Soul For Jesus/Shout (Reprise)

Gesamtspielzeit: 75:05, Erscheinungsjahr: 2022 (1974, 2002)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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