Manfred Mann / Radio Days, Vol. 1 – The Paul Jones Era – DCD-Review

In einer langjährigen oder um genauer zu sein, jahrzehntelangen Musiker-Karriere durchlaufen die jeweiligen Protagonisten ja durchaus unterschiedliche Phasen mit unterschiedlichen Ausrichtungen, was sowohl die Stile als auch die Line-ups ihrer Bands betrifft. Erstaunliche Wendungen nahm dabei das Wirken von dem Südafrikaner Manfred Mann, was man jetzt wieder aufgrund der Veröffentlichung einer vierteiligen Serie feststellen kann, die unter dem Namen "Radio Days…" veröffentlicht wurde. Nicht ganz überraschend enthalten diese vier CDs (die auch als Vinyl erhältlich sind) Live-Einspielungen von Songs, aber auch mehr oder weniger kurze Interviews, die von dem englischen Sender BBC aufgezeichnet und ausgestrahlt wurden. Die mir nun vorliegende "…Vol. 1" kümmert sich um die Jahre 1964 bis 1966, also die Periode mit Paul Jones als Frontmann, der ja später (zusammen mit dem ebenfalls hier vertretenen Tom McGuinness am Bass) mit der Blues Band durchstarten sollte.

Sehr erfreulich dabei ist der erstaunlich gute Sound, berücksichtigt man das Alter bzw. den Zeitpunkt dieser Aufnahmen. Dies macht sich umgehend mit dem startenden "Groovin'" bemerkbar, das seinen Weg sehr differenziert und frei von Störgeräuschen aus den Boxen findet. Manfred Mann war ja der eigentliche Bandleader (selbst wenn er das hier in einigen Interviews abstreitet), der sich immer im Hintergrund hielt und anderen das Spotlight überließ. Musikalisch wusste er sich an den Tasten aber durchaus gekonnt in Szene zu setzen. Neben dem Gesang ist dann auch noch die Harmonika von Paul Jones ziemlich dominant, selbst wenn dies nicht bei allen Stücken der Fall ist. Die Interviews wurden in der Regel sehr humvorvoll gestaltet und auch die Bandmitglieder halten mit ihren Witzen nicht hinter dem Berg, was diesen Aufnahmen einen sehr unterhaltsamen Charakter verleiht.

Musikalisch zockte Manfred bzw. die Band in diesen Jahren vor allem Blues und Rhythm’n’Blues, während immer wieder mal eine schöne Ballade (wie beispielsweise "Come Tomorrow") eingestreut wurde. Der Bandleader hatte darüber hinaus auch damals schon ein echtes Händchen dafür, sich gute Songs aus fremder Feder vorzuknöpfen, sprich diese kommerziell etwas umzuarrangieren und aufzumotzen, und sie zu eigenen Single-Hits zu machen. Stellvertretend sei hier nur mal "I Put A Spell On You" von Screamin' Jay Hawkins genannt, das vielen damligen Musik-Liebhabern in der Originalversion – falls sie die überhaupt schon gehört hatten – noch viel zu rau (manche sprachen auch von »wahnsinnig!«) war. Dagegen war Paul Jones' (im Vergleich) harmloser Gesang doch deutlich massentauglicher, ohne dabei jedoch an Feeling und Intensität zu sparen. Mit "If You Gotta Go, Go Now" wagte sich der Protagonist auch bereits an eine Bob Dylan-Nummer, bevor er Jahre später mit dessen "Mighty Quinn" einen riesigen Hit landen konnte.

Auf der vorliegenden Doppel-CD mit insgesamt 41 Tracks (inklusive Interviews) sind bei den Songs zwar einige Dopplungen vertreten, was aber nicht negativ ins Gewicht fällt, da die Tracks zum einen eine richtig gute Qulität vorweisen können und darüber hinaus sehr clever verteilt sind. Paul Jones bekommt auch schon mal die alleinige Aufmerksamkeit, wie etwa in dem solo mit Harmonika und Gesang vorgetragenen "Parchman Farm" oder auch mal einem alleinigen Interview. Im Jahr 1966 verließ der Frontmann die Band um eine Solokarriere zu starten. Sein Nachfolger wurde Mike D’Abo, der sich damals in den Auditions gegen den noch jungen Rod Stewart durchsetzte. Insgesamt ist "Radio Days, Vol. 1 – The Paul Jones Era" also eine sehr gelungene Veröffentlichung geworden, die neben starken Songs und interessanten Interviews sogar auch noch ein wenig den damaligen Zeitgeist transportiert. Sehr empfehlenswert!

Line-up Manfred Mann:

Tom McGuinness (bass)
Mike Vickers (guitars, flute)
Paul Jones (harmonica, lead vocals)
Manfred Mann (piano, organ)
Mike Hugg (drums)

Tracklist "Radio Days, Vol. 1…":

Gesamtspielzeit: 49:35 (CD 1), 48:59 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2019 (1964 – 1966)