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Marc Broussard / Home (The Dockside Sessions) – CD-Review

Marc Broussard / Home (The Dockside Sessions)

In der Ruhe liegt der Glanz

Es ist eine uralte Frage für die Hüter des heiligen Grals: Können und dürfen Weiße den Blues spielen? Oder gar Soul?

Beides sind originär Musikgenres von, mit und für Menschen eher afroamerikanischer Abstammung, welche bereits vor sechs(!)  Jahrzehnten von weißen Adepten und Erneuerern assimiliert und für ein (weißes) Massenpublikum zugänglich gemacht wurden, wobei der Soul doch sehr lange eine vorwiegend ’schwarze' Angelegenheit blieb und nicht zuletzt durch Ikonen wie Marvin Gaye, Al Green, Otis Redding, Smokey Robinson, Wilson Pickett, den Temptations oder gar der großen und einzigartigen Aretha Franklin weltweit popularisiert wurde.
Heutzutage tummelt sich gar deutsche Soulmusik in den Charts, über die jeweilige Qualität mögen bitte andere urteilen. Aber der Rezensent ist felsenfest der Meinung, dass bei diesem Thema eine gewisse Authenzität unabdingbar ist.

Selbige ist dem 37jährigen Marc Broussard aus Carencro, Lousiana, geradezu in die Wiege gelegt worden, Sohn des ehemaligen Gitarristen der Blue-Eyed-Soul-Regional-Legende The Boogie Kings (auch The Fabulous Boogie Kings) … Ted Broussard, der auf dem vorliegenden Album an den Saiten und am Piano fast komplett mitwirkt.

Marc Broussard hat seit 2002 immerhin acht Studioalben, eine Weihnachtsplatte und ein Live-Dokument offiziell veröffentlicht, von diversen EPs und Singles mal abgesehen und unternimmt mit der vorliegenden Veröffentlichung den interessanten Versuch, bereits jetzt einen Karriereüberblick zu bieten, der nicht aus einer schnöden Kompilation besteht, sondern aus völlig neu arrangierten Neuinterpretationen seines eigenen Schaffens.

Ursprünglich war das Projekt, welches im Dockside Studio in Lafayette, Lousiana, live, komplett auf das nackte Korsett der Songs reduziert und rein akustisch aufgenommen wurde, als Soundtrack für eine Reihe von YouTube-Videos gedacht, die sich auch auf seinem entsprechenden offiziellen Channel finden lassen. Dieser glänzt mit bis dato knapp 35 Millionen Aufrufen, wobei die Cover-Version des Solomon Burke-Titels "Cry To Me" (1964), 1987 durch den Kassenschlager "Dirty Dancing" enorm popularisiert, alleine schon knapp 13 Millionen ausmacht.

Diese Akustikversion, ganz alleine mit seinem Vater eingespielt und erstmals auf seinem 2016er Album "SOS Save Our Soul II – Soul On A Mission" erschienen, ist ebenfalls Bestandteil des vorliegenden Albums, ergänzt um das Otis Redding-Cover "These Arms Of Mine" und eine elektrische Neueinspielung seines Schlüsselsongs "Home" vom ersten Major-Deal-Album "Carencro".
Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass diese sehr intimen Interpretationen (Gesang, Akustikgitarre, Klavier) eine unheimliche Intensität ausstrahlen, welche die wahrhaft soulige und ausdrucksstarke Röhre des Protagonisten erst so richtig erstrahlen und zur Entfaltung kommen lässt.
Und obwohl sich in seinem Repertoire noch Vorlagen von Blood, Sweat And Tears ("I Love You More Than You’ll Ever Know", 1968 – popularisiert 1973 durch Donny Hathaway) und Aretha Franklin ("Do Right Woman, Do Right Man", 1967) befinden, fallen seine eigenen Songs qualitativ in ihren besten Momenten kein Stück ab.

Der Rezensent vermisst auf Strecke allerdings gelegentlich Variationen in Tempo und Instrumentierung, immerhin haben nicht alle Songs die Klasse von beispielsweise "Lonely Night In Georgia" – Anspieltipp!) … und das abschließende "Home" mag mit seiner plötzlichen Elektrifizierung manch eingeschlafene Gemüter abrupt vom Sofa fallen lassen.

Marc Broussard beweist mit diesem Werk allerdings eindrücklich, dass auch 'Bleichgesichter' gehörig den Soul im Blut und auf den Stimmbändern haben können, wobei sich letztere für den Rezensenten doch tatsächlich innerhalb der interessanten Kombination von Max Mutzke und JJ Grey (& Mofro) bewegen.
Auch ohne Videos wirklich sehr genießbar – bitte weitermachen …


Line-up Marc Broussard:

Marc Broussard (vocals & guitar)
Ted Broussard (guitar, piano & background vocals)
Andy Bourgeois (piano)
Joe Stark (guitar – #14)
Jim McGorman (keys – #14)
Roddie Romero (guitar – #15)
Danny Devillier (drums – #15)

Tracklist "Home (The Dockside Sessions)":

  1. French Café (Live at Dockside Studio) [4:17]
  2. The Wanderer (Live at Dockside Studio) [4:53]
  3. I Love You More Than You’ll Ever Know (Live at Dockside Studio) [5:26]
  4. Lonely Night In Georgia (Live at Dockside Studio) [6:14]
  5. Do Right Woman, Do Right Man (Live at Dockside Studio) [3:56]
  6. The Beauty Of Who You Are (Live at Dockside Studio) [4:34]
  7. Gavin’s Song (Live at Dockside Studio) [3:51]
  8. Let Me Leave (Live at Dockside Studio) [5:45]
  9. Send Me A Sign (Live at Dockside Studio) [3:22]
  10. Don’t Be Afraid To Call Me (Live at Dockside Studio) [4:21]
  11. Come In From The Cold (Live at Dockside Studio) [4:13]
  12. Lucky (Live at Dockside Studio) [3:49]
  13. Cry To Me (Acoustic) [4:04]
  14. These Arms Of Mine (Live Acoustic) [3:01]
  15. Home Anthology [5:42]

Gesamtspielzeit: 67:28, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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