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Marcus King Band – Konzertbericht, Yard-Club Köln, 02.11.2016

Marcus King Band live in Köln

Marcus King Band live in Köln

Im Yard-Club Köln, sozusagen der Kleine Saal der deutlich größeren Kantine, haben sie schon immer ein gutes Gespür für vielversprechende Talente gehabt. Marcus Neu, Manager beider Locations, erzählte uns kurz vor dem Konzert, wie einst The Brew ihr erstes Konzert auf deutschem Boden bei ihm vor ganzen dreizehn Zuschauern gaben. Ein Schicksal, das wir fürs Erste auch für Marcus King befürchten mussten, fanden sich doch zur Einlasszeit genau drei Enthusiasten am Eingang ein. Aber Gemach, genügend Rockfans sollten noch kommen. Dafür hatten wir Gelegenheit, einen äußerst tiefenentspannten Marcus King wahrzunehmen, der, nachdem die Band hinreichend mit Pizza versorgt wurde, erst einmal den Club und sein degustatives Angebot unter die Lupe nahm. Klassisch amerikanisch fiel die Wahl auf Whiskey, oder hat sich der Ruf von Kölsch etwa schon bis in die Staaten herumgesprochen? Dabei hatte es zunächst durchaus Gründe für Ungemach gegeben, war doch Stephens Lieblings-Bass aus japanischer Herkunft auf dem Transportweg zu Bruch gegangen. Alles kein Grund, nervös zu werden.
So füllte sich der Saal erfreulich umfänglich und mit einer dezenten Verzögerung einer dreiviertel Stunde betrat die blutjunge Band die Bühne – ihre erste in unserem Land.

Marcus King ist ein Phänomen. Seine Musik nährt sich aus einem weiten Spannungsbogen, der sich grundsätzlich aus einem klassischen Jam-Rock der Marke Allman Brothers Band und Gov’t Mule entwickelt. Deutlicher aber noch als die genannten Großmeister streifen die Songs der Marcus King Band weite Felder aus ungeheuer mitreißendem Funk, befeuert von zwei durchgängig anheizenden Blasinstrumenten; bewegen sie sich stilsicher zwischen anspruchsvollem Jazz und einem zutiefst heimatverbundenen Schuss Americana. Doch über all dem schwebt das begnadete Talent des Bandleaders, der sich total in seine Musik hinein zu fühlen und seine Soli intuitiv und mit großartiger technischer Fertigkeit zu entwickeln vermag. Und der Mann hat wahrhaft Soul in der Stimme, ganz wie es der Titel des Debut-Albums schon im letzten Jahr vorgab: "Soul Inside". Dabei ist der 'Mann' fast noch ein 'Junge', gerade mal zarte zwanzig Lenze alt.

Markus King Band live in Köln - Marcus und Matt

Markus King Band live in Köln – Marcus und Matt

Die Band eröffnet das Konzert mit dem Opener aus dem aktuellen Album, dem jazzig, funkig treibenden "Ain’t Nothing Wrong With That". Sogleich erfasst uns eine Woge rhythmischer Verführung. Diese Band entwickelt einen hinreißenden, fast überschäumenden Groove, der mich ein wenig an die glorreichen Zeiten der frühen Santana-Band erinnert. Passt ja ganz gut, wo doch "Lotus" gerade wieder als Neuauflage angekündigt wurde. Erstaunlich, wie diese jungen Musiker aufeinander abgestimmt sind und ihren unbestrittenen Mastermind mit Hingabe, Leidenschaft und Begeisterung zu seinen Höhenflügen tragen. Und Marcus ist der Boss, das wird sehr schnell und überdeutlich klar. Selten habe ich einen Bandleader derart entspannt, aber bestimmt seine Mannschaft dirigieren sehen.

Ein Blick, eine kurze Geste und der Solo-Part wechselt vom Saxophon zur Orgel, legt der Drummer mal einen Zahn zu oder bremst das Geschehen. Aber trotz aller Kontrolle scheint Marcus permanent und mit voller Inbrunst bei sich selbst zu sein. Voll konzentriert, aber aufwühlend und charismatisch in seinem Gesang und überirdisch, wenn er in die Saiten greift. Meine Zeit, wie cool ist das denn? Ich begreife nicht, wie ein so junger Mensch derart traumwandlerisch mit seinem Ausdrucksmedium spielen kann. Sehr wohl aber verstehe ich, dass Warren Haynes diesen begnadeten Menschen derart vehement und begeistert fördert. So produzierte er das Album The Marcus King Band, gab dort einen Gastauftritt, und bei der diesjährigen 'Mountain Jam' in Hunter lud er Marcus samt dessen blasmusikalischer Abteilung Justin und Dean zu Gov’t Mule kurzerhand auf die Bühne. Gemeinsam spielten sie eine Irrsinns-Version des alten Tower Of Power-Songs "What Is Hip", da tobte der Staat New York vor Freude und die Bildstabilisatoren der Kameras leisteten ganze Arbeit, auf dass die tsunamischen Wellen nicht über den Stream gingen.

Wie es sich für Jam-Rocker gehört spielen sie ihre Songs nicht einfach nur nach, sondern entwickeln sie aus dem Moment, aus der Stimmung und in oft ausschweifenden Improvisationen. Das schöne "The Man You Didn’t Know" mit seinem getragen fließenden Solo erfährt eine Gänsehaut erzeugende Einleitung, während die folgenden Songs immer wieder auch mal mit mehrstimmigen Gesangspassagen aufgefrischt werden. Hierbei wird der Gesang fast scatartig eingesetzt, auch einmal an klassischen Gospel angelehnt. Wie schon bei den großen Vorbildern mit den vier Eseln im Abzeichen darf ein ausgedehntes Schlagzeug-Solo nicht fehlen. Die Jugend und Spritzigkeit steht Jack Ryan wohlwollend zur Seite, er meistert seine Kraftanstrengung mit Verve und Power, alles ohne kurzatmig zu werden. Und als Marcus mal wieder den Wah-Wah für ein fuzziges Intro einsetzt, entlockt es meinem alten Kumpel Frank direkt neben mir: »Meine Herren, jetzt macht er uns auch noch den Hendrix Touché!

Markus King Band live in Köln - Marcus, Justin und Dean

Markus King Band live in Köln – Marcus, Justin und Dean

Während auf den Studio-Alben ausschließlich Eigenkompositionen eingespielt wurden, darf heute auch gecovert werden. "Have You Ever Loved A Woman", ein Blues-Klassiker aus den frühen vierziger Jahren und von Marcus in herzzerreißender Einfühlsamkeit vorgetragen, sowie "Papa Was A Rolling Stone" in einer wilden und sehr freien Improvisation gehören zur abwechslungsreichen Setlist, die uns von einer schweißtreibenden Kalamität in die nächste treibt – ziemlich ungesund für den langen Heimweg nach Duisburg bei nasskaltem Kölschen Schmuddelwetter. Bis zu dem haben wir uns aber eine Zugabe mit aller Inbrunst herbei gegrölt. Die Jungs haben es gerne angenommen und ich denke mal, die Chemie zwischen Bühne und Musikern hat auch auf den Brettern nachhaltig gewirkt. Jedenfalls fand Marcus nach dem Konzert sehr euphorische Worte für den Gig in Köln, der nun für alle Zeiten sein erster Auftritt in Deutschland verbleiben wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass beim nächsten Wiedersehen sehr viel mehr Menschen in einer deutlich größeren Halle zugegen sein werden, wenn es wieder heißt: »Say welcome to The Marcus King Band!«

Wer Gov’t Mule liebt, der darf sich diese hinreißende, junge Formation nicht entgehen lassen. Marcus King ist unsere Option für die Zukunft, wenn die alten Helden mal müde werden, aber er verfügt schon heute über geeignete musikalische Mittel, den geneigten Jam-Rocker in die Raserei zu treiben. Der Junge hat alles, um in die 'Rock ’n' Roll Hall Of Fame' einzugehen. Möge er so geerdet bleiben, wie er sich in Köln präsentiert hat, dann wird er die Welt in Erstaunen versetzen. Garantiert!


Line-up Marcus King Band:

Marcus King (guitar, vocals)
Jack Ryan (drums)
Stephen Campbell (bass)
Justin Johnson (trumpet, trombone, percussion, vocals)
Matt Jennings (keyboards)
Dean Mitchell (saxophone, flute)


 

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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