Am 7. März 2024 wäre der großartige texanische Songwriter Townes Van Zandt achtzig Jahre alt geworden. Wäre … wenn er uns nicht bereits vor Jahrzehnten und viel zu früh am 1. Januar 1997 im Alter von gerade mal 52 Jahren verlassen hätte. Ein sehr guter Grund, diesen Songpoeten, der ständig auf der Überholspur war und dessen Ruf ihm stets voraus eilte, gebührend zu ehren. Das haben sich offensichtlich auch Markus Rill, Mr. Jones und Robert Hasleder gedacht und gemeinsam "To Live Is To Fly – Remembering Townes Zandt" als Verbeugung vor einem der Allergrößten seiner Gilde aufgenommen. Das Album besteht aus elf neu interpretierten Tracks des Amerikaners und der Würdigung "The Late Great TVZ", der Neueinspielung einer Nummer, die original auf dem Markus Rill-Album My Rocket Ship (2013) erschienen war. Der Rezensent war vor einigen Dekaden mal der Meinung, dass man den guten Townes weder covern kann, geschweige denn dies überhaupt erst versuchen sollte. Diese Meinung hat sich allerdings schon sehr lange grundlegend geändert.
Unbestreitbar, dass Markus Rill – nicht nur für den Rezensenten – der beste ihm bekannte Americana-Musiker bzw. Singer/Songwriter Deutschlands, wenn nicht gar Europas, ist. Mit dem hervorragenden Multi-Instrumentalisten Robert Hasleder hatte er schon öfter, nicht zuletzt auf dem sehr starken Album New Crop zusammen gearbeitet. Der dritte im Bunde, Mr. Jones, war mir bisher nicht bekannt, was das Trio jedoch nicht davon abgehalten hat, hier einen großartigen Job abzuliefern. Böse Zungen könnten jetzt in den Raum werfen, dass man mit legendären Stücken wie beispielsweise "Pancho & Lefty", "Come Tomorrow", "I’ll Be Here In The Morning" oder "Waitin' Around To Die" sowieso nichts falsch machen kann, allerdings würde ein solcher Einwand komplett am Thema vorbei gehen. Denn was bei diesem Song-Material zählt, ist die Umsetzung, die Interpretation und die nötige Empathie. Alles Punkte, die erst mal nicht nur ein tiefes Verständnis dieser Tracks, sondern auch das Wissen wo diese herkommen, voraussetzt.
Die Platte startet mit dem sehr flotten "White Freight Liner", bei dem sich das Trio die Lead Vocals geteilt hat, während ansonsten jeder Musiker für jeweils drei Stücke vor dem Mikro stand. Bereits hier fällt nicht nur die klasse Umsetzung, sondern vor allem Hasleders hervorragende Arbeit am Banjo und anderen Saiteninstrumenten auf. Van Zandts wahrscheinlich bekanntester Track ist "Pancho & Lefty", die Story über zwei Outlaws, die sich in der Wüste zum Duell treffen. Während logischerweise einer der beiden ins Gras beißt, wird der andere auf der Flucht bzw. mit der ständigen Angst doch noch erwischt zu werden, immer älter, während sein Leben gleichzeitig immer langweiliger wird. Sehr stark gesanglich interpretiert von Markus Rill. Es ist kein Geheimnis, dass Townes Van Zandt auch sehr viele melancholische Songs in seinem Repertoire hatte. Davon kommen in Form von "I’ll Be Here In The Morning", "Lungs", "Tecumseh Valley" oder "Come Tomorrow" (bärenstark!) auch hier so einige zum Zuge.
Aber der Amerikaner hatte auch ganze andere Kaliber am Start, so wie etwa das gerade erwähnte "I’ll Be Here In The Morning". Ein sehr … zärtliches Lied an eine gewisse Dame, um die sich der Protagonist sorgt und kümmert. Zumindest für den Moment, denn genauso weiß er bereits, dass es ihn bald wieder auf die Straße zieht, da er scheinbar nur dort Freiheit verspürt. Eine verführerische, aber auch trügerische Freiheit. Keinesfalls unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang auch der Titeltrack, das für Townes-Verhältnisse ungewohnt lebensbejahende und optimistische "To Live Is To Fly", seit jeher eine der Lieblings-Nummern des Rezensenten. "Katie Belle Blue" war Van Zandts Song für seine zu jener Zeit gerade erst geborene Tochter, zu dem es im Original auch einen gesungenen Text gibt. Hier kommt das Stück als Instrumental, bei dem Robert Hasleder auf ganzer Linie glänzt.
Der absolute Höhepunkt der Scheibe ist allerdings Markus Rills Interpretation von "Waitin' Around To Die", einem Song, dessen Text alleine schon eher düstere Zukunftsaussichten für den Protagonisten erahnen lässt. Rills sehr emotionaler Gesang setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Sogar bis zu dem Punkt, dass man glauben könnte, er würde über sich selbst singen. Grandios! Apropos Gesang: Der kommt bei Rill und Mr. Jones sehr stark rüber, während der von Hasleder dagegen etwas abfällt. Dagegensetzen kann dieser jedoch seine überragende Saitenarbeit, ohne die dieses Tribute nicht das geworden wäre, was es ist. Den Abschluss bildet dann der bereits erwähnte Rill-Song "The Late Great TVZ", bei dem sich die drei deutschen Musiker die Lead Vocals noch einmal teilen. Alles in allem also eine sehr gelungene Hommage an einen der größten Songwriter, der je auf diesem Erdball gewandelt (bzw. aufgrund seines 'ungesunden' Lebensstils eher 'geschwebt') ist. Einer, der vielleicht durch diese Platte von Musik-Fans neu entdeckt wird.
Erhältlich ist "To Live Is To Fly – Remembering Townes Van Zandt" über die E-Mail-Adresse RememeringTownes@mrjones.net. Und lasst euch gesagt sein: Es lohnt sich!
Line-up Markus Rill, Mr. Jones…:
Markus Rill (acoustic & electric guitars, lead vocals – #1,2,5,9,12)
Mr. Jones (acoustic guitars, harmonica, lead vocals – #1,3,6,10,12)
Robert Hasleder (acoustic guitars, Weissenborn, Dobro, pedal steel, mandolin, octave mandolin, mandocello, banjo, appalachian dulcimer, harmonica, fretless bass, upright bass, percussion, background vocals, lead vocals – #1,4,7,11,12)
With:
Karin Bichlmeier (harmony vocals – #10)
Tracklist "To Live Is To Fly …":
- White Freight Liner
- Pancho & Lefty
- To Live Is To Fly
- I’ll Be Here In The Morning
- Tecumseh Valley
- Come Tomorrow
- Lungs
- Katie Belle Blue
- Waitin' Around To Die
- Like A Summer Thursday
- Rex’s Blues
- The Late Great TVZ
Gesamtspielzeit: 43:19, Erscheinungsjahr: 2024
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