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Martin Kolbe & Ralf Illenberger / Essentials – CD-Review

Wie auf der Homepage des Gitarren-Duos Martin Kolbe & Ralf Illenberger zu lesen ist, erfüllte man sich mit "Essentials" »[…] einen lange gehegten Wunsch. […]« Im folgenden Satz steht geschrieben: »Bis jetzt gab es ein paar eher lieblos zusammengestückelte "Best Of"-Versuche, bei denen wir nicht einmal gefragt wurden. […]«
Beim vorliegenden Doppelalbum verhält es sich allerdings anders, denn die insgesamt zweiunddreißig Lieder wurden »[…] von den beiden Musikern zusammengestellt. […]« In der Retrospektive gibt es von allem etwas. Die berühmte Ausnahme ist die » […] Live-LP mit Wolfgang Dauner ("Live KID" aus dem Jahr 1980), denn diese würde in diesem Zusammenhang klanglich zu sehr aus dem Rahmen fallen. […]« Dennoch muss der Hörer nicht auf die Zusammenarbeit mit Wolfgang Dauner verzichten, weil es in der chronologischen Abfolge der Kompositionen den "Fun Tango" von "KID – Second Step" gibt. Er ist als Synthsizer-Mann allerdings schon auf dem ersten Stück "Break" und bei anderen Tracks zu hören.
Mit "Mittags im Hotel" gibt es einen bisher unveröffentlichten Bonus Track, der aus der "Colouring The Leaves"-Session stammt.

Das Wiederhören mit alten Bekannten kann so schön sein. "Essentials" verdeutlicht, dass die Musik zwar schon fast vierzig Jahre – "Waves" erschien 1978 – auf dem Buckel hat, aber überhaupt nicht in die Jahre gekommen ist. Bei einem Treffen von Leuten, die sich eine gefühlte Ewigkeit nicht gesehen haben hört man einerseits den Satz: "Du hast dich gar nicht verändert." Oder: "Mensch, in der Fußgängerzone wäre ich glatt an dir vorbeigegangen."
Wer damals die Musik von Martin Kolbe & Ralf Illenberger verfolgt hat, dem wird es wie im ersten Satz gehen. Die Musik dieses Duos ist nicht gealtert, erzeugt aber so etwas wie einen Flashback.

Was dem Duo damals gelang, war »[…] mit zwei Gitarren einen möglichst orchestralen Klang zu erzeugen. Wer was spielte, war eher nebensächlich. […]«
Diesem Sound begegnet man überall auf den beiden Scheiben und auch das gesungene Wort kommt zu Wort, oder im Fall von "What About The Nose?" auch das gesprochene Wort von Anne Haigis. Dieses Lied verfügt dadurch über eine besondere Intensität und der Wechsel hin zur befreienden Leichtigkeit am Ende des Songs ist einfach nur genial. Neben dieser Nummer gibt es zum Beispiel mit "Colouring The Leaves" oder "Saurian" noch weitere Songs mit Gesang.

Nimmt man das bisher unveröffentlichte "Mittags im Hotel" raus, dann sind "Röckchen" sowie das von Joe Zawinul (Weather Report) komponierte "Birdland" die "Flieger"-Verbindung zwischen der ersten und zweiten CD. Das Bonus-Stück reflektiert ein entspanntes wie auch lebhaftes Ambiente im Hotel.
Die "Birdland"-Interpretation darf als brillant eingestuft werden und die vier Lieder von "Tronic" dürften auch als etwas Besonders gelten, denn auf dem Album sorgten die beiden Protagonisten auch für diverse andere Klänge wie zum Beispiel Piano, Bass oder Drums. Insofern kommen Martin Kolbe & Ralf Illenberger auch bei der Musik einer Band aus. Gemessen an den anderen Tracks ist das Titelstück "Tronic" schon schwebend, allerdings ist ein gewisser experimenteller Charakter mit einem Schuss Jazz nicht von der Hand zu weisen. Gerade in der Chronologie werden die verschiedenen Ausrichtungen der Alben spürbar und der Einsatz der E-Gitarre verfehlt in keiner Weise seine Wirkung. Auch in den weiteren hier präsentierten "Tronic"-Liedern bleibt die Handschrift des Duos im Vordergrund.

"Essentials" ist wie ein "Spaziergang" durch unterschiedliche Genres, hat die Leichtigkeit von "Der fliegende Teppich", der "Osterspaziergang" passt auch zu Weihnachten und einfach nur "Music" umschreibt das Doppelalbum wohl am besten.
Diese Plattenbesprechung ist frei von negativer Kritik, weil der Rezensent schon immer ein großer Fan von Martin Kolbe & Ralf Illenberger war und ist. Das Gitarren-Duo befindet wieder auf Konzertreise, hat ein neues Album im Gepäck und begeistert die Fans von damals und die, die dazu gekommen sind. Wer hat mich da gerade gekniffen? Es war leider nur ein Tagtraum. Wenn man ganz fest daran glaubt, werden manchmal auch Träum wahr…


Line-up Martin Kolbe & Ralf Illenberger:

Martin Kolbe (acoustic guitars, electric guitars, percussion, gongs, bass, drums, vocals)
Ralf Illenberger (acoustic guitars, electric guitars, percussion, gongs, piano, synthesizer, vocals)

With:
Wolfgang Dauner (synthesizer, piano, clavinet)
Friedemann Witecka (acoustic guitar)
Eberhard Weber (bass)
Anne Haigis (vocals)

Tracklist "Essentials":

  1. Break
  2. G’schteinigt
  3. Music
  4. Namenlos
  5. Waves
  6. In der Halle des Bergkönigs
  7. Sommerabend
  8. What About The Nose?
  9. Free Man In 't Harde
  10. Walzer
  11. Genève
  12. Veits Tanz
  13. Emotions
  14. Ball In Play
  15. Colouring The Leaves
  16. Röckchen
  17. Mittags im Hotel (Bonus Track)

  1. Birdland
  2. Andreas
  3. Der fliegende Teppich
  4. Saurian
  5. Flieger
  6. Tronic
  7. Osterspaziergang
  8. Das Wesen des Wassers
  9. Warum 12?
  10. Fun Tango
  11. Happy Hour
  12. 5 vor 3/4 4
  13. The Other Sides
  14. Annalisa
  15. Seven Seas

Gesamtspielzeit: 78:27 (CD 1), 77:15 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Joachim 'Joe' Brookes

Genres: Blues, Blues Rock, Alternative Music, Space Rock, Psychedelic Music, Stoner Rock, Jazz ...
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Mail: joachim(at)rocktimes.de

1 Kommentar

  1. Rainer Hellstern

    Hallo Joachim,
    Super Tip ist das hier.
    Ich weiß auch nicht warum
    die beiden damals an mir
    vorbei sind, obwohl sie
    aus meiner Gegend kommen.
    Die Namen sind mir ein Begriff,
    hab mir die Musik aber nie angehört.
    Ich hätte wohl so 5 Jährchen
    älter sein müssen.
    Egal, jetzt zieh ich mir das rein
    und bin "entzückt". Blödes Wort aber treffend.

    Grüße,
    Rainy

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