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Medjay / Sandstorm – CD-Review

Medjay / Sandstorm

Guckt man sich nur das Cover von "Sandstorm" an, weiß man im Grunde sofort, dass hier orientalische Töne zum Einsatz kommen. Freut den Rezensenten, denn dezente Anteile davon in ansonsten westlich orientiertem Rock/Metal haben ihm schon immer gefallen. Der zweite Blick wandert zur umseitig abgedruckten Trackliste und die Titel verheißen mit ihrem Bezug zu altägyptischer Mythologie ebenfalls nur Gutes. Wird die Scheibe in den Player geschoben: Strike, alles im Lack!

Medjay, brasilianische Power Metal-Band, erst vor rund zwei oder drei Jahren von Basser und Mastermind Samuka ins Leben gerufen, sagte mir bis dato genau Null. Das vorliegende Debüt erschien gegen Ende November 2020, mitten in einer Zeit, in der man als Band eigentlich nicht unbedingt veröffentlichen sollte, fehlt doch die Gelegenheit, ausgedehnte Promo-Touren zu unternehmen. Dennoch wird fleißig PR betrieben und die Scheibe kam direkt vom äußerst fähigen Sänger und Gitarristen, Phil Lima, in die Redaktion geflattert.

Wie bereits angemerkt und in der Titelliste ausgewiesen, es geht inhaltlich im weiteren Sinne um Ägypten und dass sich der Hörer in den Orient versetzt fühlt, wird schon durch das kurze instrumentale Intro, "Egyptian Beast", gekonnt bewerkstelligt. Vor dem inneren Auge laufen sofort Filme mit Harems-, Bazar- und Schlangenbeschwör-Szenen ab.

Der weitere Verlauf knallt dann eher in Richtung des kernigen Metal, den sich die Jungs auch auf die Fahne geschrieben haben. Immer wieder durchdringen jedoch die orientalischen Akzente die Melodielinien und geben den Songstrukturen diesen besonderen Touch. Treibende Kräfte sind und bleiben allerdings die gelungenen Gitarrenparts von Lima und seinem Kollegen Freddie Daniels, mehr als songdienlich von der Rhythmusfraktion aus Samuka am Bass und Tiago Vitek an den Drums unterstützt. Letzterer hat die Band nach Fertigstellung der Scheibe bereits wieder verlassen und taucht außer mit einer kurzen Erwähnung in der Vita der Band ansonsten namentlich auch gar nicht mehr auf.

Thematisch beschäftigen sich die Songs ja weitestgehend mit historischen Elementen. Nach dem richtig nach vorne riffenden "Medjay" (das waren übrigens nubische Scouts, Söldner und pharaotreue Krieger) folgen die allzu offensichtlich an altertümliche Begebenheiten erinnernden Titel "Death In The House Of Horus" und "Revenge Of Horus". Beide sind in ihrer Struktur schön abwechslungsreich, ohne jedoch überfrachtet zu wirken. Auch die Passagen mit Gast-Percussionist Marcor Herrera, der sich der Orient-Fraktion zugewandt hat, passen prima in "Death In The House Of Horus".

Liegen die inhaltlichen Schwerpunkte meist in der Antike, so soll der überzeugend gute Titelsong, "Sandstorm", den geneigten Hörer in die Neuzeit verfrachten, sprich in das Jahr 2011. Seinerzeit fand in Ägypten die Revolution gegen Mubarak, gegen Regierungsterror, Korruption usw. statt. Wir alle erinnern uns an die Bilder vom Midan Tahrir in Kairo, an die protestierende Bevölkerung, die sich gegen das Militär zur Wehr zu setzen suchte. Hier schließt sich übrigens der Kreis zum Cover-Artwort, das entgegen hauptsächlich antiker Songinhalte eine Szene mit modernem Panzer und Demonstranten darstellt. Ein Wort zu Lima, nicht als Gitarristen, sondern als Fronter am Mikro: überzeugend, stimmgewaltig, variabel, passgenau, Punkt!

Als Abschluss der Scheibe bedient man sich einer Cover-Version des Iced Earth-Songs "Violate", der 1996 von Jon Schaffer geschrieben wurde. Hoffen wir mal, dass es den Jungs nicht zum Nachteil gereicht, zumal man darüber streiten kann, ob das Ding hier überhaupt in den musikalischen Kontext passt.

Eine kleine Randbemerkung sei dem Rezensenten noch gestattet: Als in der Hochphase von Langspielplatten aus Vinyl-Sozialisierter, freut es mich hin wieder doch mal, wenn Bands ihre CDs nicht bis zum Anschlag vollpacken – frei nach dem Motto Lieber Masse statt Klasse – und sich stattdessen an einem guten Punkt selbst beschränken. Die vorliegenden knapp vierzig Minuten sind eines dieser positiven Beispiele dazu!


Line-up Medjay:

Phil Lima (vocals, guitar)
Freddie Daniels (guitars, backings)
Samuka (bass, backings)
Tiago Vitek (drums)
Marcor Herrera (guest percussion/oriental instruments)
Marilia Zangrandi (guest vocals)
May Puertas (guest vocals)

Tracklist "Sandstorm":

  1. Egyptian Beast
  2. Medjay
  3. Death In The House Of Horus
  4. Revenge Of Horus
  5. Rise For Glory
  6. Sandstorm
  7. Lady Of The Nile
  8. Violate

Gesamtspielzeit: 37:54, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Jochen von Arnim

Beiträge im Archiv
Genres: Blues, Rock, Heavy Metal

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